Im drohenden Krieg gegen den Irak wollen drei Balearenbürger als
so genannte lebende Schutzschilde die Bombardierung von Schulen und
Krankenhäusern durch US-Streitkräfte in Bagdad verhindern. Die
beiden Mallorquiner und ein Menorquiner werden in der kommenden
Wochen mit sieben weiteren Spaniern in das Krisengebiet reisen. Es
handelt sich um die zweite Gruppe von Kriegsgegnern, die mit der
Organisation „Human Shields” (Menschliche Schutzschilde) in den
Irak aufbricht. Eine erste Gruppe von zwölf Spaniern aus Madrid und
Barcelona befindet sich bereits in Jordanien, wo man sich mit
Aktivisten aus den USA, Deutschland, Dänemark, und Italien
vereinigen wird.
Nach Angaben der balearischen Sprecherin von Human Shields, Rosa
Salleras, ist der Einsatz in keinster Weise als Unterstützung des
irakischen Diktators Saddam Hussein zu verstehen. Die Mitglieder
wollen sich vom Regime nicht zum Schutze von militärischen Anlagen
missbrauchen lassen. Es gehe ihnen um die Solidarität mit der
Zivilbevölkerung, die im Falle eines Angriffs zum Kriegsopfer
wird.
Die drei balearischen Aktivisten im Alter von 37, 38 und 45
Jahren wollten sich öffentlich nicht zu erkennen geben. „Ich habe
Angst, nach Bagdad zu gehen, aber ich habe noch mehr Angst, in den
Spiegel zu sehen und zu denken, ich bin – wieder einmal – Zeuge
eines Massakers geworden und habe nicht einen Finger gerührt, um es
zu verhindern”, sagte der jüngste Teilnehmer.
Die drei Pazifisten gehen davon aus, zwei bis drei Monate im
Irak zu bleiben. „Ich habe kein Rückflugticket und bleibe wohl, bis
mir das Geld ausgeht”, sagte der 38-jährige Mallorquiner. Die
Familienmitglieder der drei Männer reagierten mit gemischten
Gefühlen auf den Entschluss. „Mein Vater würde mich am liebsten
begleiten, aber meine Tochter meint, ich habe kein Recht, mein
Leben zu riskieren, da es ja auch ein wenig ihr gehört”, sagte der
Menorquiner.
Unterdessen ist auch der mallorquinische Arzt Josep Coll nach
Jordanien geflogen. Er soll für die Organisation „Ärzte der Welt”
die Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung von
Kriegsflüchtlingen eruieren.
Die Sehnsucht nach Frieden und die Ablehnung eines Krieges auf
den Balearen manifestierte sich in Palma auch in der größten
Demonstration, die auf Mallorca je registriert wurde.
Schätzungsweise 40.000 Menschen – nach Angaben der Polizei 30.000,
nach Angaben der Veranstalter 50.000 – zogen am vergangenen Samstag
ungeachtet des Regens und der Kälte durch die Innenstadt. Auf
Spruchbändern forderten sie „Nein zum Krieg”, „Ja zum Frieden” oder
„Kein Blut für Öl”.
Angesichts der großen Menschenmenge, die den Passeig des Born
überfüllte, musste die „Ultima Hora”-Journalistin Cristina Ros das
Manifest der „Plattform für Demokratie und soziale Globalisierung”
siebenmal verlesen: „Die künftigen Leichen, die Kolateralschäden,
die in Kauf zu nehmenden Todesfälle gehen spazieren, erledigen ihre
Einkäufe oder spielen Fußball in den Straßen von Bagdad und
Basra.”
Bis auf einen isolierten Krawall vor dem Sitz der Delegation der
spanischen Zentralregierung in Palma, bei der ein Polizist leicht
verletzt wurde, verlief die Demonstration friedlich. Die
historische Kundgebung war im Vorfeld von der Balearen-Regierung
unterstützt worden, viele Politiker beteiligten sich am
Protestmarsch durch die Altstadt. „Ich bin stolz darauf, ein Volk
von derart viel Vernunft zu vertreten”, sagte Ministerpräsident
Francesc Antich (PSOE).
Zeitgleich zu Palma gingen in Spanien drei bis vier Millionen
Menschen auf die Straße. Angesichts der großen Teilnahme forderte
der PSOE-Oppositionsführer José Luis Rodríguez Zapatero einen
Kurswechsel der Zentralregierung. „Ministerpräsident José María
Aznar ist gezwungen, seine Haltung zu ändern. Er muss zugeben, mit
seiner Unterstützung des US-Kurses im Irak-Konflikt einen Fehler
begangen zu haben.”
Nach den Demonstrationen schlug die Zentralregierung erstmals
mildere Töne an. Aznar zog am Dienstag im Parlament gleich mit der
gemeinsamen Erklärung der EU-Staaten, in der ein Krieg nur „als
letztes Mittel” in Betracht gezogen wird. Vorrangig sei die Suche
nach einer friedlichen Lösung, so das Papier.
Der spanische Regierungschef warf gleichwohl der Opposition vor,
die berechtigte Sehnsucht der Menschen nach Frieden parteipolitisch
für den Stimmenfang zu missbrauchen. „Unser vorrangiges Ziel ist
der Frieden”, sagte Aznar, betonte jedoch, dass damit nicht
irgendein Frieden gemeint sei, der einem Diktator Erpressung und
Terror ermögliche. „Es sind viele Menschen, deren ,Ja' zum Frieden
nicht auch ein ,Ja' zu Saddam Hussein bedeutet.”
Aznar weiß den US-Präsidenten weiter hinter sich. George Bush
lobte am Dienstag Aznar als einen Mann „mit Zukunftsvision”. Die
beiden Politiker wollen sich an diesem Wochenende in den USA
treffen.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.