Weißer Einteiler, gehalten von einem silbernen Gürtel mit
ebensolcher Schnalle, weiße Leinenschuhe – schmuck sieht er aus:
Lothar Vosseler an seinem ersten Ar-beitstag bei Nemo Submarines,
beim Tauchgang in Mallorcas U-Boot vor der Küste von Magaluf. Auf
dem Zubringerboot wird er nun die Passagiere begleiten und
befragen.
Der Halbbruder von Kanzler Gerhard Schröder sticht in See, und
alle kommen. Eine halbes Dutzend Kamerateams tummelt sich schon
eine Stunde vor dem Start am Nemo-Büro in Magaluf. Am Abend soll
die Bundesrepublik erfahren, am besten über alle Sender, dass des
Kanzlers Halbbruder jetzt auf der Deutscher liebster Urlaubsinsel
in Lohn und Brot steht. Also: Lothar hier, Vosseler da. Vor dem
Modell des Bootes, vor dem Plakat, „und bitte den Daumen
heben”.
„Erstmal eine rauchen”, sagt der Vielgefragte. Rummel ist er ja
gewöhnt. Seit der Gerd Kanzler ist, rückte sein berufliches
Schicksal ins Blickfeld der Öffentlichkeit, und der kleine hagere
Mann mit dem Vollbart wurde sogar Kolumnist beim Kölner
„Express”.
So läßt er denn das Ganze ziemlich routiniert über sich ergehen
– die Fragen gleichen sich schließlich, und seine Rolle muss er
nicht spielen. Denn der Mann aus Detmold ist offen und sagt, was er
meint. Nicht geziert oder gestelzt, „glaubwürdig” nennen die
Fernsehleute das. Alle haben sie schon berichtet, seit klar ist,
dass es den Kanzlerbruder auf die Insel verschlägt. Der deutsche
Boulevard ohnehin, selbst die spanische Tageszeitung „El Mundo”
widmete ihm eine Seite.
Bei so viel Rummel kann man schon mal die Übersicht verlieren.
„Wie heißt noch mal der Besitzer?” Nicht Besitzer, Verkaufsleiter.
Carlo Trobisch. Der hat sich zur Feier des Tages in Schale
geworfen: Hemd, Krawatte, Jackett. Ein wenig unheimlich ist ihm das
Theater um den neuen Mitarbeiter schon. „Ich musste keinen
Journalisten extra einladen, die sind alle freiwillig gekommen”,
versichert er.
Die 300 Meter Fußweg zum Arbeitsplatz, dem Zu-bringerboot, sind
ein Schauspiel für sich. Vorbei an staunenden Briten marschiert der
54-Jährige, umringt von Kameras, Tontechnikern und Mikrofonen. Ein
italienisches Paar, das ahnungslos am Anlegesteg in der Sonne
hockt, kann gerade noch seine Spielkarten zusammenraffen, bevor es
von einem mallorquinisch-teutonischen Kameratrupp überrannt
wird.
Wenig Berühungsängste zeigen die spanischen Ba-degäste. Ein
Dutzend Da-men im Badeanzug wittert Prominenz. „Es geht nicht um
mich, sondern um ihn”, muss Trobisch abwehren. „Aha, der
Kanzlerbruder, sagen die Damen, schade, kennen wir nicht.
Was aber macht Lothar Vosseler für die deutschen Journalisten
interessant? „Dass der Kanzler-Bruder nach Mallorca muss, um sich
einen Job zu suchen, interessiert die Leute”, glaubt Marcel
Burkard, der für SAT1 und Deutsche Welle TV berichtet. „Sicher eine
PR-Nummer”, sagt er, „aber unterhaltsam. Ein Kanzlerbruder im
Ausland, Entertainment eben.”
Drei Tage hat sich Hannes Hofmann Zeit genommen, um für
„Super-Illu” zu berichten. Arbeitsloser findet Job auf Mallorca,
das ist keine Geschichte, sagt er. „Aber Kanzlerbruder und U-Boot,
das passt zusammen.” Die menschliche Seite der Story werde seine
Leser interessieren”, glaubt Hofmann. Schon wegen des Kontrastes –
der ungemein prominente Kanzler und sein bislang arbeitsloser
Halbbruder. Nicht nur Nemo werde davon profitieren, meint der
Berliner. „Das ist doch der beste Werbeträger, den sich die SPD
wünschen kann.”
Weil gerade die Saison eröffnet werden, mache man wohl so ein
Aufhebens, glauben Edelgard und Hans Schade. Das Paar aus der
Niederlausitz fährt als zahlender Gast zum Tauchgang. Erstaunen,
als sie aufgeklärt werden. „Ach was, das haben wir gar nicht
mitbekommen.” Mi-nuten später wissen die Schades, wer Lothar
Vosseler ist: Acht Objektive brauchen Bilder vom Kanzlerbruder und
den Fahrgästen.
Im U-Boot wird's ein wenig eng. Vosseler im Führerstand, das ist
das Bild. Da wird er fortan zwar nie mehr sitzen, aber was soll's.
Auch für ihn war's die erste Tauchfahrt. „So toll hab' ich mir das
nicht vorgestellt”, sagt er anschließend. Nach dem Auftauchen,
Lothar an der Fahne – ein Wunder, das im Gedränge keiner im Wasser
landet.
Schließlich ist die Rückfahrt geschafft, der Kanzlerbruder hat
seine Fragebögen wieder eingesammelt und verteilt zum Abschied
Bonbons. Gut für eine letzte Einstellung, das war's. Genug Futter
für die deutschen Magazine, in denen am Abend des Kanzlers
Halbbruder über das blaue Meer vor Mallorca fahren wird. Er habe
den Job vor allem wegen dem berühmten Verwandten bekommen, werden
dann viele sagen.
Dass sie damit richtig liegen, wird auch Lothar Vosseler nicht
bestreiten. Aber erstens wollte er einfach nur einen neuen Job, und
zweitens ist's ja vielleicht bald vorbei mit dem Kanzlerbruder.
Darüber macht sich Verkaufsleiter Carlo Trobisch schon
vorsichtshalber Gedanken. „Was wird hier wohl los sein, wenn der
Schröder die Wahl verliert und dann auch bei uns anfängt?”
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