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S ie trägt eine blaues Schürzenkleid mit weißen T–Shirt, die Haare sind ein bisschen strähnig. Sie sitzt ganz vorne, gleich rechts neben der Bühne. Das ist für Sophie das wichtigste. Tagelang schon hat sich das junge Mädchen auf die Show im Son Amar gefreut. Jetzt ist es endlich soweit. Den Entertainer Mike Pidone verfolgt sie mit ihren Blicken. Die Tänzer des Modern Dance imitiert sie, springt im Disco-Rhythmus. Wenn ihr etwas ganz besonders gut gefällt, trommelt sie mit den Fäusten auf die Bühne.

Manchmal, wenn sich dort zuviel bewegt, gerät sie etwas außer Atem. Doch nicht lange, dann ist sie wieder dabei. „Set me free”, spielt die Musik. Das kann nicht für Sophie gelten. Sie ist frei, längst schon. Sie traut sich, was sich die anderen im Publikum nicht trauen. „I'll be there”, klingt es jetzt. Und Sophie ist da, mit ganzer Aufmerksamkeit, mit ihrem ganzen Sein. Manchmal, für einen ganz kurzen Augenblick, verschwindet ihr Köpfchen in einem bunten Spotlight, um gleich wieder aufzutauchen.

Beim spanischen Ballett ist sie gar so gefesselt, dass sie sich nicht mehr bewegen kann. Sie schaut mit offenen Augen, offenem Mund.
Dann: „The Drifters” – in der Show und für Sophie der Höhepunkt des Abends. Die vier farbigen Musiker zaubern ein Feuerwerk aus Swing und Soul auf die Bühne. Und Sophie verströmt ihr ganze Seele. Manchmal bewegt sie nur die eine Schulter so, wie sie es im Fernsehen gesehen hat. Und beim Solo des Saxophonisten dirigiert sie das ganze Orchester.

Die Sänger haben sie längst entdeckt, und Mister Charles springt von der Bühne, um mit ihr zu tanzen. Sie legt ihren Kopf an seine Schulter. Er singt und tanzt mit mir. Und er singt einen Refrain mehr als sonst. „Smoke gets in your eyes”, singt er nur für Sophie, und 2000 Zuschauer klatschen Beifall. Beifall für den Song oder wofür? „Smoke” hat jedenfalls niemand in den Augen.

Sophie ist glücklich. Tränen und Spucke vermischen in ihrem Gesicht. Sie hat keine Scheu, keine Angst, nur Freude. Sophie leidet am Down Syndrome.