Die Zeiten ändern sich. Früher war streng geregelt, was man –
gerade zu Feiertagen wie Weihnachten – wann isst. Heute sind die
Mallorquiner offener in diesen Fragen. Fleisch oder Fisch ist
möglich, eventuell auch Meeresfrüchte.
Das Mahl richtet sich nach den Wünschen – und dem Geldbeutel –
der Familie. Auf jeden Fall soll es etwas Besonderes sein. Weshalb
die Menüfolge gründlich geplant wird. Es ist angesagt, den Braten,
sei es nun Lamm oder Spanferkel, das Geflügel, Puter oder Ente, den
Fisch, den man auf den Tisch bringen will, vorher zu bestellen. Ein
festliches Essen am Heiligen Abend ist selten üblich. Man geht eher
in die Messe.
Höhepunkt ist das ,,Dinar de Nadal”, das Festessen am Mittag des
ersten Feiertages. Zu diesem Mahl trifft sich nur der engste
Familienkreis. Es war früher undenkbar, an diesem Tag fremde Gäste
zu Tisch zu laden. Gab es Familienmitglieder, die unter keinen
Umständen am Festmahl teilnehmen konnten, blieben für sie Stühle am
Tisch frei.
Das Mahl unterlag einem strengen Zeremoniell. Vor 13 Uhr durfte
niemand, au- ßer der Hausfrau, die kochte, das Haus betreten. Punkt
14 Uhr setzten sich alle Familienmitglieder an den reich gedeckten
Tisch. An keinem anderen Tag im Jahr wurde übrigens auf Mallorca so
zeitig gegessen. Das Zeichen zum Beginn des Mahles gab der
Hausherr, das Familienoberhaupt: Niemand durfte sich setzen, bevor
er nicht saß.
In einigen Orten der Insel war es üblich, Reste der Speisen bis
zum Dreikönigstag aufzubewahren, um sie dann dem ersten Bettler zu
schenken, der des Weges kam. In anderen Gegenden wurden
Altenheimbewohner beschenkt oder ein besonders ehrenwerter alter
Herr oder eine stillende Mutter bedacht.
Eines der typischen Weihnachtsgericht der vergangenen
Jahrhunderte war der ,,Gall de Nadal", der Weihnachtshahn. Er wurde
gebraten, völlig mit Blumen geschmückt und mit einer Rose im
Schnabel im Ganzen auf den Tisch gestellt.
Auf dem Lande konnte sich viele diese Delikatesse nicht leisten
und wichen auf Kaninchen, Ziege, Zicklein, Hammel oder Lamm aus. In
den Familien, die sich den Weihnachtshahn leisten konnten, begann
nach dem Auftragen eine weitere Zeremonie. Zunächst wurde der Hahn
ausgiebig bewundert und wegen seiner Schönheit und seines Duftes
gelobt. Dann wurde er von der Hausfrau tranchiert und seiner
Füllung – Birnen, Pinienkerne, Blutwürstchen und Schweinelende –
entledigt. Die Portionen wurden vom Familienoberhaupt verteilt.
Wichtigste Beilage war Reis.
Heute gibt es zu Weihnachten auch oft Spanferkel, knusprig
gebraten. Auf den Dörfern ist es oft noch üblich, den
Weihnachtsbraten im Ofen des örtlichen Bäckers garen zu lassen.
Deshalb herrscht in den Bäckereien auch Hochbetrieb an diesem Tag.
Ein genauer Plan, wer wann den Ofen nutzen kann, wird im voraus
ausgearbeitet. Auch hier muss man sich auf jeden Fall vorher
anmelden. Die ,,Porcella" wurde früher aus einem Ferkel zubereitet,
das erst am Weihnachtsmorgen geschlachtet worden war, was heute
nicht mehr der Fall ist. Die Schlachtungen erfolgen zwar
kurzfristig, aber rechtzeitig vor dem Fest. In die Schnauze und in
den Bauch wurden nach dem Ausnehmen Steine gelegt. Die sollen zum
einen den Röst– und Bratvorgang erleichtern; zum anderen war man
sicher, dass sie das Fleisch besonders schmackhaft machen. Die
Steine mussten immer aus den Torrentes in den Bergen stammen und
wurden von den Kindern mit größtem Vergnügen gesammelt.
Heute essen viele Mallorquiner oft auch Fisch zu Weihnachten,
obwohl die Preise vor dem Fest in astronomische Höhen schnellen.
Fisch und Meeresfrüchte sind auch deshalb beliebt, weil die
Mallorquiner weitaus kalorienbewusster geworden sind. Ganz so
deftig, kräftig und schwer wie in früheren Jahren liebt man es
heute nicht mehr.
Eines aber ist ein unbedingtes Muss: Das Weihnachtsmenü sollte
mehrgängig sein, gleichgültig, ob man sich nun den traditionellen
Gerichten oder leichteren Genüssen zuwendet. Vorspeise,
Hauptgericht und Nachspeise, danach noch ein Glas Sekt und Café mit
Brandy oder einem anderen Verdauungsschnaps sind unerlässlich.
Und kein Weihnachtsfest ohne ,,Torró”. Diese süße
Mandel–Honig–Gebäck gibt es überall in Spanien, aber auf Mallorca
hat man eine besondere Vorliebe dafür. ,,Torró” gibt es in
unzähligen Varianten: mit dunkel gerösteten oder hell blanchierten
Mandeln, mit Eigelb, mit Schokolade, mit Nüssen und Krokant, im
Oblatenpapier, hart oder weich.
Auf Mallorca beliebt sind auch ,,Barquillos”, ein Gebäck auf der
Basis von Mehl, Zucker, Öl und Vanille, das zunächst kreisrund
ausgestochen und nach dem Backen in Sekundenschnelle zylindrisch
aufgerollt wird. Das ergibt die viel gerühmten ,,Zigarren”. Die
älteste Firma zur Herstellung von ,,Barquillos" auf der Insel ist
die ,,Galindo” in Palma. Der Brauch, Mandelmilch, ,,let d'ametla”
für die ,,Noche Buena”, die ,,Gute Nacht” der Geburt Christi,
herzustellen, hat sich heute fast völlig verloren. In Santa Maria
stellt die Familie Mesquida das süße Getränk noch her und verkauft
es an die Mitbürger. Das Rezept wollen sie allerdings nicht
verraten. Es bleibt Familiengeheimnis.
,,El vi de nadal, ni emborratxa ni fa mal" sagt der Volksmund.
Was so viel heißt wie: Der Weihnachtswein steigt nicht in den Kopf
und hinterlässt keinen Kater. Auch heutezutage wird reichlich
getrunken: Am liebsten edle Kreszenzen aus Rioja Frankreich. Seit
die Vins aus mallorquinischen Bodegas einen großen Aufschwung
genommen haben, wird auch zu besonderen Anlässen Wein von der Insel
getrunken. Alles in allem lässt man es sich zu Weihnachten gut
gehen. Und man lässt es sich etwas kosten.
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