Schuler muss laut sprechen, denn die Maschine mahlt im Hintergrund. Es ist warm und duftet herrlich nach frisch geröstetem Kaffee. Das seit 2017 bestehende Café Mistral ist das Baby des ehemaligen Seglers. Der Wind gab dem Laden seinen Namen. Die frische Brise, die nach Europa weht – ein passender Name für den Liebhaberladen, fanden die beiden Gründer.
Spanien ist eine Kaffee-Nation. Dennoch sei die hochwertige Kaffeekultur wenig ausgeprägt, räumt Geschäftsführer Biel Maimó von der mallorquinischen Firma Café Rico ein. Man sei es gewohnt, in der Bar einen einfachen Espresso zu trinken, gerne noch mit viel Zucker. Auf die feinen Nuancen zu achten, gehöre bisher nicht zu den spanischen Eigenarten beim Kaffeegenuss.
Auch die in anderen Ländern inzwischen „verpönte“ Technik des Torrefacto, des leichten Karamellisierens mit Zucker beim Röstvorgang sei in Spanien und Portugal noch verbreitet. Die Bohnen glänzen danach dunkelbraun – „aber es ist aus gesundheitlichen Gründen umstritten“, sagt Verkaufsleiter Román Dandén von Café Rico.
Der lokal hergestellte Kaffee mit der gelb-schwarzen Verpackung findet sich in vielen Supermärkten auf der Insel. Bis zu 140.000 Kilogramm Rohware verladen Lastwagen zu dessen Herstellung in den großen gelben Turm auf dem Fabrikgelände bei Palma. 25 verschiedene Sorten aus aller Welt kommen in grünem Zustand dort hinein und werden von Partikeln wie Schalenresten oder Steinchen gereinigt. Über ein Rohrsystem landen sie später in einem riesigen Röster. 25.000 Kilo täglich werden hier in normalen Zeiten verarbeitet.
Biel Cladera überwacht und steuert bei Café Rico per Computer die Röstprozesse. Temperatur und Dauer der Röstung müssen stimmen. Bei 200 bis 220 Grad werden die Kaffeebohnen goldbraun. Die heißen Bohnen kommen auf ein großes rundes Sieb, das durch ständiges Rühren und Gebläse die Bohnen zügig runterkühlt. „Sonst würden sie verbrennen, sobald sie an die Luft kommen“, sagt Cladera. Ein System leitet die gerösteten Bohnen durch mehrere Rohre. Eine Verpackungsmaschine schließt sich um die fertigen Bohnen und kleine handliche Packungen laufen über ein Fließband, bevor sie in eine Kiste plumpsen.
Einige Kilometer weiter im Stadtzentrum. Es ist neun Uhr. In der Bar Tony, die früher „Tendido 8“ hieß und ein beliebter Treffpunkt für Stierkampffreunde und Künstler aller Art war, schwört man auf den lokalen Kaffee der Rico-Männer. Besitzer Juan Pizá, Enkel des Gründers, füllt acht bis neun Gramm gemahlenen Kaffee in das Sieb, mit geübten Handgriffen hakt er es in den Vollautomaten ein.
Café Solo, Cortado, Café con leche – das sind die Varianten, die bei ihm und seiner Frau Conchi Humanes am meisten über den Tresen wandern. Pep Oliver und Fina Antich sind Stammgäste. „Der Kaffee muss in einem Glas serviert werden“, findet Pep Oliver. „Das schmeckt einfach besser, und im Winter kann man die Hände gut daran wärmen“, sagt auch Fina Antich. Sie gönnen sich dazu den Klassiker, für den die Bar bekannt ist: das Palmesaner Llonguet, Oliven direkt dazu schon am frühen Morgen, viel Olivenöl und frisches Tomatenpüree unter deftiger Wurst oder Schinken.
Warum Juan Pizá auf den Kaffee von der Insel schwöre? „Den haben wir schon immer genutzt“, lautet die schnörkellose Antwort. Seine Preise sind krisenfest. 1,15 Euro für den Cortado, der Café Solo kostet sogar nur 1,10 Euro. Zucker wird bei jedem Kaffee ungefragt dazu gelegt. Kaffeetrinken ist mehr, als ein Getränk zu sich nehmen. Es geht dabei um das Ambiente, die Gesellschaft. Die Besucher in der Bar Tony schätzen den kräftigen Kaffee, aber vor allem die bekannten Gesichter, den Plausch. Auf das pure Geschmackserlebnis kommt es ihnen weniger an.
Das sehen überzeugte Kaffeemacher wie Greg Schuler, Agata Mikulska, aber auch das Team von Arabay Kaffee ein wenig anders. Sie versuchen die Leute für den Genuss aus hochwertigen Bohnen zu sensibilisieren, legen den Kunden nahe, den Kaffee auch einmal ohne Zucker oder Milch zu kosten. Seit 1952 wird unter der Marke „Cafés Bay“ in Lloret, im Inselinnern, geröstet.
Arabay kommt von „Arabica“ und „Bay“ und existiert seit vier Jahren. Der Laden hat den Anspruch, ein hochwertiger Allrounder zum Thema Kaffee zu sein: Hier wird die Ausbildung zum Barrista angeboten, eine große Auswahl an Produkten rund um die Bohne und natürlich verschiedene Kaffeesorten im mehrstöckigen Kaffeehaus direkt an der Plaça Major. Im Kurs lernen die zukünftigen Barristas, woher die Bohnen stammen, worauf es beim Mahlen und Brauen ankommt, ebenso ein wenig Latte-Art, die kunstvolle Technik, den Milchschaum in schönen Blumen auf den Kaffee zu bringen.
Beginnt man sich in die feinen Verästelungen zum Thema Kaffee einzudenken, erkennt man schnell: Es ist ein weites Feld. Greg Schuler vom Mistral Café ist von der grünen Bohne begeistert, sein spannendes Wissen scheint unerschöpflich. Auch Pep Vanrell Moragues, der den Laden Arabay führt, hat einiges zu erzählen. Er holt eine japanische Kaffeemaschine der besonderen Art hervor. Sie erinnert an früheren Chemieunterricht. Ein Glaskolben auf einer Halterung, eine weitere Glashaube, die darüber steckt. Mit einer digitalen Waage misst er genau Wasser und entsprechende Kaffeemenge ab. Ein kleiner Bunsenbrenner bringt das Wasser in Sekundenschnelle zum Brodeln.
Das Wasser steigt auf, Pep gibt das frisch gemahlene Kaffeepulver hinzu und lässt es etwas ziehen. „Sobald das Wasser abkühlt, wird es durch den Unterdruck wieder nach unten gezogen“, erklärt er. Das Ganze sei mehr was fürs Auge, fürs Erlebnis. Vom Prinzip sei es wie eine schlichte „French Press“, die für viele aus Studentenzeiten bekannte Presstechnik der Bodum-Fabrikate.
Es gibt zwei Grundvarianten: Robusta und Arabica. Liebhaber schwören auf Arabica mit ihren vielen Varianten. Generalisten wie die Bar Tony sind mit der robusten Variante, die weniger anspruchsvoll ist und entsprechend günstiger, durchaus zufrieden. Viele bieten ihren Kunden Mischungen, sogenannte „Blends“ an. Brasilien und Vietnam sind die größten Anbieter, jede Region ist für bestimmte Nuancen bekannt, je nach Anbauhöhe, Klima und Verarbeitung.
Der passionierte Röster Greg Schuler legt viel Wert auf die langsame Röstung. 200 Grad Maximum stellt er bei seiner Probat ein, die Röstung dauert höchstens zehn bis 15 Minuten. „Das reicht vollkommen aus. Stell dir ein Stück Fleisch vor, leicht angebraten und zart. Da kommt der ursprüngliche Geschmack auch viel deutlicher hervor als bei einem durchgebrutzelten Steak.“ Er greift auf reife Bohnen zurück, die in mehrwöchigen Lagerungsprozessen natürlich „gären“ konnten und so den Zucker, der in der Frucht enthalten ist, optimal ausnutzen. Preislich schlägt sich der aufwendigere Reifeprozess ein wenig nieder. Die Kunden zahlen hier 1,80 Euro für einen doppelten Espresso. Der Liebling der Kunden ist der Flat White – ein doppelter Espresso mit geschäumter Milch in einer handlichen Tasse.
Auf dem Kaffee sollte idealerweise eine goldene „Crema“ liegen. „Das sind die Öle, Proteine, Zucker und Kohlenstoffdioxid, die das Aroma binden“, erklärt Román Dandén von Café Rico. Gleichzeitig schützt diese Schicht den darunterliegenden Kaffee.
Mallorca ist dabei, aus dem Dornröschenschlaf des Kaffees zu erwachen. Immer mehr lokale Röstereien wagen den Schritt; die Gaumen der Kunden werden anspruchsvoller. Die Anbieter wie Mistral Café und Arabay freuen sich darüber. Aber auch die Liebhaber des „Cafés de toda la vida“ werden im kräftigen Kaffee von Café Rico, mit neun Gramm gemahlenen Bohnen in der Bar Tony, zusammen mit einem deftigen Llonguet und einem illustren Gesprächspartner, fündig.
3 Kommentare
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Klar, guter Kaffee mit einem Schuss Asbach Uralt - schmeckt immer - auch mit angebrannten Bohnen kein Problem.
Ausbeuter
Kaffee war vor Jahren noch ungenießbar auf der Insel, inzwischen ist er sehr oft leckerer als in Deutschland. Mir gefällt das sehr gut. Der deutsche Nachkriegs-Bohnenkaffee ist halt nicht mehr zeitgemäß...