Fast 150 Speisepilzarten wachsen auf den Balearen. Aber nur sieben bis acht davon landen regelmäßig auf den Tellern der Insulaner. Die gute Nachricht für Freunde der essbaren Waldgewächse: In diesem Herbst gibt es so viele davon wie nie zuvor. Die großen Regenmengen sind schuld: Was die Menschen nervte, tat den Pilzen gut.
„Es gibt eine Rekordzahl an Esclata-sang und anderen Speisepilzen. Aber auch seltene und wissenschaftlich interessante Arten schießen in größerer Zahl als sonst aus dem Boden“, erklärte Pilz-Experte Carlos Constantino beim alljährlichen Pilztag des Naturwissenschaftlichen Museums von Sóller am vergangenen Wochenende. Dort wurden fast 200 Arten präsentiert sowie Nährwert, Giftigkeit und ökologischer Nutzen erklärt.
Noch bis Januar haben Pilzliebhaber Gelegenheit, durch die Wälder zu streifen, um die eigenartigen Gewächse zu sammeln. Denn Pilze sind neben Tieren und Pflanzen eine ganz eigene Kategorie von Lebewesen. Bis in die Neuzeit hinein erklärte man sich ihr Erscheinen übrigens durch schlechte Ausdünstungen der Erde. „Kulinarisch und medizinisch geschätzt wurden sie schon in der Antike”, erklärt Josep Antoni Tur, Professor für Ernährungswissenschaften an der Balearen-Universität (UIB & CIBEROBN. „Aber erst im 17. Jahrhundert gelang die erste Pilzzucht, und zwar in Frankreich”, ergänzt er.
So viel zur Kategorie unterhaltsames, aber kulinarisch unnützes Wissen. Für Hobbyköche dürfte interessanter sein, wo sie Pilzdelikatessen wie den Blutreizker (lat. Lactarius sanguifluus) finden und wie sie ihn zweifelsfrei identifizieren können. Am besten stehen die Chancen dafür in den Kieferwäldern der Insel. Dort ragt er von Ende Oktober bis Februar aus dem Boden. Charakteristisch ist sein sechs bis 15 Zentimeter breiter orangefarbener Hut und natürlich der rote Saft, der austritt, wenn man ihn pflückt. „In Olivenöl gebraten oder gegrillt, mit etwas Salz und Petersilie verfeinert, schmeckt er am besten. Aber auch als Zutat für den Reiseintopf ‚Arroz brút” ist er ideal ”, sagt Bernat Contesti, der die würzigen „Blutpilze” für 29 Euro das Kilo auf dem Markt von Santa Catalina verkauft. Züchten lassen sie sich übrigens nicht, es sind reine Wildpilze, die sich neben den Balearen auch in der Türkei, Zypern oder Australien wohlfühlen. „Sammler müssen aber aufpassen. Es gibt eine ähnlich aussehende giftige Variante mit weißer Milch. Ihr Verzehr führt zu starken Magen- und Darmproblemen”, warnt Contesti.
Außerdem im Angebot hat er die auf der Insel beliebten Pfifferlinge und Taubentäublinge, die ebenfalls zurzeit heranreifen. Kiefern und Steineichen sind der bevorzugte Lebensraum des süßlich schmeckenden Picornell oder Echten Pfifferlings (lat. Cantharellus cibarius var. alborufescens). Und auch hier gilt es, Vorsicht walten zu lassen. Die jungen orange-gelben Pilze werden von unerfahrenen Sammlern manchmal mit dem leuchtend-gelben, aber giftigen Ölbaum-Trichterling (lat. Omphalotus olearius) verwechselt. Auch der Tauben-Täubling (lat. Russula grisea) zählt mit seinem bis zu zehn Zentimeter breiten grauen „Schlapphut” und den beigefarbenen Lamellen zu den kulinarischen Favoriten der Mallorquiner. Er gedeiht in Steineichenwäldern und zählt zu den ersten Pilzen der Saison. Sein mildes Aroma kommt besonders gut zum Tragen, wenn man ihn einfach mit etwas Petersilie anbrät.
Pilze sind sensible Wesen. Um Druckstellen zu vermeiden, sollten Sammler sie auf keinen Fall in einer Plastiktüte, sondern immer in einem Korb transportieren. Da sie im Boden enthaltene Schwermetalle speichern, sollte man außerdem straßennahe Fundorte meiden.
„Vor der Zubereitung säubert man sie am besten mit einem Tuch oder einer Bürste”, rät Contesti. Wer die Pilze nicht sofort verarbeiten will, kann sie zwei bis drei Tage im Kühlschrank aufbewahren oder gleich einfrieren. Allerdings sollte man die Pilze anbraten, marinieren oder blanchieren, bevor man sie kühlt. „Aufgrund ihres großen Wassergehalts schrumpeln sie sonst sehr schnell zusammen. Außerdem können sich Würmer in den rohen Pilzen schnell vermehren”, ergänzt der Landwirt.
Pilze schmecken nicht nur gut, sondern sind auch kalorienarm und gesund. Sie bestehen zu 90 Prozent aus Wasser, enthalten kein Fett und nur wenig Kohlenhydrate. „Pilze zählen zu den wenigen Jodquellen nicht-tierischen Ursprungs”, erklärt Ernährungsexperte Tur. Zudem beinhalten sie jede Menge Phosphor, der den Aufbau von Knochen und Zähnen fördert, sowie Ergosterin, das im Körper in Vitamin D umgewandelt wird.
Oberste Maxime für Sammler ist natürlich, nur eindeutig identifizierte Pilze zu verzehren. Bleibt die Angst, dass sich die Gewächse als letzte Mahlzeit entpuppen könnten, kann man sie gratis vom Naturwissenschaftlichen Museum in Sóller analysieren lassen. Wer zu bequem ist, selbst im Wald auf Sammeltour zu gehen, hat außerdem auf der Herbst-Fira in Mancor de la Vall in der Nähe von Inca die Möglichkeit, Pilzspezialitäten wie den Esclata-sang zu kosten und zu kaufen. Am 24. und 25. November fand die Traditions-Fira statt, in diesem Jahr allerdings überschattet von einem giftigen Namensstreit. Die Organisatoren weigerten sich, die Rechte für den Namenszusatz ‚Esclata-sang’ für 2600 Euro zu erwerben. Rechteinhaber Toni Serra erwägt nun angeblich, eine eigene Fira ins Leben zu rufen.
(aus MM 47/208)
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