Ihren Bau erlebte Jaume I. nicht mehr. Zu seiner Zeit wurde für den Gottesdienst die Moschee im maurischen Regierungsbezirk Almudaina kurzerhand zur christlichen Kirche geweiht. Der Grundstein für die Kathedrale wurde zwar schon 1230 gelegt, aber erst unter seinem Sohn, Jaume II. begann um 1300 ihre Errichtung, die sich über Jahrhunderte hinziehen sollte. Das Resultat: ein architektonisches und künstlerisches Meisterwerk, das mehr als nur einen Besuch wert ist. Zumal, wenn es sich um eine geführte Besichtigung handelt.
Bisher hat es sich unter deutschsprachigen Residenten und Inselbesuchern noch kaum herumgesprochen: Bereits seit vergangenem Jahr bietet die Berufsvereinigung der Fremdenführer auf den Balearen (Colegio Oficial de Guías Turísticos de Islas Baleares) solche Besichtigungen an. Selbst wer denkt, alles über Mallorcas Bischofssitz zu wissen, erfährt aus kompetentem Munde noch reichlich Neues, und Erstbesucher vermeiden es, Irrtümern aufzusitzen. "Besucher, die auf eigene Faust die Kathedrale besichtigen, denken oft, dass die Kapelle des Allerheiligsten von Gaudí gestaltet wurde und nicht im 21. Jahrhundert von dem Künstler Miquel Barceló. Sie denken das, weil sie wissen, dass Gaudí da war und meinen deshalb, dass alles, was neu ist, von ihm stammt", nennt Maria Sureda ein Beispiel.
Die Mallorquinerin ist eine der staatliche geprüften Fremdenführerinnen, an deren Seite man die Kathedrale besichtigen kann. Von ihr erfährt man etwa, in welchen Bauabschnitten die Kathedrale über die Jahrhunderte gewachsen ist. Und warum die Wand des sakralen Gebäudes an der Seite zum Königspalast Almudaina hin sieben Meter dick und die Fassade dort nicht gotisch, sondern neogotisch ist. Oder warum "La Seu", wie sie im Volksmund heißt, nicht die größte und höchste, aber eine der geräumigsten Kathedralen Europas ist. Sie verrät auch, dass die ersten Pfeiler des Kirchenschiffs ab dem dritten Säulenpaar ein wenig dicker sind, und nennt den Grund dafür.
Ebenso erzählt Sureda den Besuchern vom "Lichtwunder", das zweimal im Jahr, um den 2. Februar und den 11. November, bewundert werden kann. Auch davon, dass das Gebäude lange ein dunkles Loch war und seinen Spitznamen "Kathedrale des Lichts" noch nicht allzu lange verdient.
Bei der Führung erfahren die Besucher, wie der Großmeister des katalanischen Jugendstils, Antoni Gaudí, das heutige Aussehen der Kathedrale geprägt hat. Auf einem alten Foto können sie aber auch sehen, wie der Tempel davor aussah, mit einem Chor mitten im Kirchenschiff. "In dem Chor saßen die Domherren. Das war nicht wie heute", erzählt Sureda. "Damals gab es noch keine Sitzbänke. Das Volk kam und musste stehen, und die Reichen setzten sich auf Klappstühle, die ihre Bediensteten gebracht hatten, und lehnten sich an den Pfeilern an."
Unterstützt vom damaligen Bischof Pere Joan Campins (1859-1915) räumte Gaudí gehörig auf, wobei er das alte Mobiliar weiter verwendete. Doch nicht allen gefiel dies. "Gaudí war zu modern für seine Zeit. Der Hochklerus und der Hochadel wollte keinen Wandel, und was sich der Bischof und Gaudí hier geleistet hatten, wurde laut kritisiert", so Sureda. Davon zeugen auch despektierliche Spitznamen. So wurden die schmiedeeisernen Leuchter um die Säulen als "Strumpfhalter", die Kanzel als "Geburtstagskuchen" und der Baldachin als "Gerümpel" bezeichnet.
Eine Stunde lang dauern die Führungen, die in deutscher Sprache jeweils montags und freitags um 11 Uhr angeboten werden. Im Preis von 25 Euro sind die 9 Euro Eintritt (7 Euro für Personen ab 65 Jahren) enthalten. Interessierte können sich online für die limitierten Plätze anmelden. Der Treffpunkt ist am Eingang auf der Aussichtsplattform, die zum Meer zeigt.
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