Das Wichtigste bei einem Konzert sei, den Komponisten nicht zu enttäuschen, sagte Alexandra Dovgan in einem Interview, das sie Martin Breuninger eine Woche vor ihrem Auftritt im Teatre Principal gab. (MM 13 vom 24.03.2022). Und weiter: „Du musst dir deines Tuns sicher sein, … wenn du nichts zu sagen hast, spielst du besser nicht.“ Das sind hohe Ansprüche, die da eine 14-Jährige an sich stellt, vielleicht um der Prophezeihung des großen Grigorij Sokolov gerecht zu werden („I predict a great future for her.“). Um sie einzulösen, ist sie bereits in der Berliner Philharmonie, im Concertgebouw Amsterdam und bei den Salzburger Festspielen aufgetreten. Gemeinhin sind die Aufzählungen der Auftrittsorte, mit der die Programmhefte die internationale Reputation der Künstler untermauern wollen, eher uninteressant; bei einem 14-Jährigen Teenager horcht man allerdings auf.
Am Donnerstagabend nun also Teatre Principal, mit dem zweiten Klavierkonzert ihres Lieblingskomponisten Frédéric Chopin im Handgepäck. Beide Klavierkonzerte des polnischen Romantikers haben fast nur das Soloinstrument im Fokus, das Orchester ist lediglich der Hintergrund, vor dem der Pianist glänzen und „die Hoffnung und Liebe“ (O-Ton Dovgan) dem Publikum vermitteln darf.
Was wir erleben durften, war das uneitle, technisch perfekte Spiel einer jungen Künstlerpersönlichkeit, frei von manieristischer Effekthascherei, ohne selbstverliebtes Showgebaren, mit dem sich Leute vom Schlag eines Lang Lang (beispielsweise) gern in Szene setzen. Dieses Spiel hatte die Ehrlichkeit, die man – um eine andere noch junge Klaviergröße anzusprechen – von Lise de la Salle kennt. Oder von Jan Lisiecki. Dargeboten mit größter Ernsthaftigkeit von einer Teenagerin, die sich ganz in den Dienst der Sache, des Werkes stellt und jeden Anflug von Selbstinszenierung als Popstar (nach eigener Aussage hört sie auch privat „niemals“ Popmusik) meidet. Die ihre überragende Technik ausschließlich dazu nutzt, die Message des Komponisten rüberzubringen. Diese bescheidene Redlichkeit – bei aller Bravour, mit der sie ihren Part meisterte – trug ihr denn auch die Sympathie des Publikums ein, die sich in langanhaltendem und mit einer Zugabe belohnten Beifall manifestierte.
Das zweite Hauptwerk des Abends war die zweite Sinfonie von Alexander Borodin, zwischen 1869 und 1876 in h-moll komponiert und ein Highlight im schmalen Werkkatalog des Russen, der hauptberuflich Chemieprofessor und Mediziner war und sich selbst als „Sonntagskomponist“ bezeichnete. Was allerdings seine Bedeutung für die russische Musik nicht schmälert: gehörte er doch, zusammen mit Mussorgsky und Rimski-Korsakow, zum sogenannten „mächtigen Häuflein“, zur „Gruppe der Fünf“, die sich 1862 in Sankt Petersburg zusammengefunden hatte und vor allem die nationalrussische Musik fördern wollte. Dabei traten sie in offensive Gegnerschaft zu Tschaikowsky, dessen Musik sie als „zu westlich“ und zu wenig russisch ablehnten. So ist denn auch Borodins Zweite von Elementen der russischen Folklore geprägt. Das Hauptthema des Kopfsatzes erfährt, vergleichbar mit dem berühmten Schicksalsmotiv in Beethovens Fünfter, zahlreiche Transformationen. Zusammen mit einem (gegensätzlichen) zweiten Thema, entwickelt es enorme sinfonische Treibkraft. Diese Dynamik rückte Pablo Mielgo ins Zentrum seiner Interpretation, das Balearensinfonieorchester (offenbar froh, nach der eher bescheidenen Begleitfunktion im Chopin-Konzert wieder in die Vollen gehen zu dürfen) folgte seinen Impulsen mit großer Präzision. Das Scherzo – ungewöhnlicherweise an zweiter Stelle – geriet zur klanglichen Delikatesse, die fast lyrische Melodik des 3. Satzes wurde berückend schön artikuliert. Höhepunkt, vor allem, was die Brillanz der Orchestrierung betrifft, war das Finale. So feurig, wie es erklang, war der tosende Applaus geradezu vorprogrammiert.
Der Abend hatte mit einem kurzfristig aufs Programm (des ebenso kurzfristig zum Benefizkonzert zugunsten von Ukraine-Flüchtlingen umgewidmeten Events) gesetzten Werk eines jungen ukrainischen Komponisten begonnen, einem überaus tonschönen, etwa fünfminütigen Streicherstück, das stark an das „Adagio for Strings“ von Samuel Barber erinnerte.
Dem folgte die Uraufführung von „Simlicity“, einem ebenfalls für Streicher gesetzten Werk des mallorquinischen Filmkomponisten Joan Valent. Zu erleben war eine minimalistische (Philipp Glass ließ grüßen!) Realisation des „Prinzips Bolero“: wie bei der berühmten Ravel-Vorlage erklang das kurze Hauptmotiv (es folgte später noch ein zweites, rhythmisch zum ersten kontrastierend) in einem fortwährenden Crescendo, das natürlich in bloßer Streicherbesetzung nicht den orgiastischen Höhepunkt wie bei Ravel erreichen konnte. Beeindruckend war’s trotzdem.
Das nächste Abokonzert findet am 7. April im Trui Teatre statt. Eine Uraufführung (Gran mar für Klavier zu sechs Händen von M. Far), eine spanische Erstaufführung (Towards a pure Land von J. Harvey) und ein Werk von Peter Eötvös werden von Zsolt Nagy dirigiert.
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