Regisseur Martin Busker (M.) mit den Hauptdarstellern von „Zoros Solo“, Andrea Sawatzki und Mert Dincer. | Ruven Breuer

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Am Anfang stand eine wahre Geschichte. Im „SZ-Magazin“ hatten der Regisseur und Drehbuchautor Martin Busker und sein Ko-Autor Fabian Hebestreit von einem kurdischen Flüchtlingsjungen gelesen, der in Wien ein Liedchen vor sich hin trällerte, dabei zufällig dem Chorleiter der Wiener Sängerknaben über den Weg lief – und zum neuen Star des Chors wurde.

Doch wie strickt man daraus einen Plot? „Die Geschichte war zu schön, um wahr zu sein, da gab es überhaupt keinen Konflikt“, schildert Busker die Schwierigkeit. Doch dann kam 2015 die Flüchtlingskrise, ein Riss zog sich durch die Gesellschaft, und auf einmal passte die Geschichte perfekt zu den aktuellen Ereignissen.

Im Film lässt er den 13-jährigen Flüchtlingsjungen Zoro und die Chorleiterin Frau Lehmann aufeinanderprallen. Zoro ist mit Mutter und Schwester in der Schule einer schwäbischen Kleinstadt untergebracht, wo Frau Lehmann mit ihrem Knabenchor proben will. Zoro versteckt seine Überforderung in der neuen Welt hinter einem Macho-Gehabe und einer frechen Schnauze. In Wirklichkeit vermisst er seinen Vater, der es nur bis Ungarn geschafft hat. Frau Lehmann dagegen ist eine alleinstehende Frau, die andere ständig vor den Kopf stößt und keine Ausländer mag. Busker bezeichnet sie als „Abziehbild einer frustrierten Wutbürgerin, die möchte, dass alles so bleibt, wie es war – obwohl an ihrem bisherigen Leben gar nichts gut ist“.

Beide Protagonisten geraten mehrfach aneinander und ähneln sich doch mehr, als sie denken: Frau Lehmann hat in ihrem Heimatort genauso wenig Wurzeln geschlagen wie Zoro, der 6500 Kilometer von seinem Zuhause entfernt ist.

Gespielt wird Zoro von Mert Dincer. Der gebürtige Hamburger, der bei den Dreharbeiten 16 Jahre alt war, nahm bereits mit acht Jahren Schauspielunterricht. „Wir haben über 500 Jungen gecastet, bis wir ihn fanden“, erzählt Busker. „Ich brauchte einen Jungen mit Migrationshintergrund, der die schwierige Bandbreite zwischen Humor und großer Tragik darstellen kann. Das ist ein seltenes Talent.“

Dieses Talent war auch wegen des knappen Budgets wichtig. „Wir hatten nur 25 Drehtage und nicht 45, wie wir kalkuliert hatten“, beschreibt Busker die finanziellen Umstände. „Deswegen brauchte ich Hauptdarsteller, die tierisch gut sind und konsequent machten, was ich wollte.“

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Für die Rolle der Frau Lehmann konnte Busker mit Andrea Sawatzki eine prominente Schauspielerin gewinnen. „Wir hatten sie schon sehr früh im Kopf“, sagt Busker. Abends schickte er ihrer Agentin das Drehbuch, schon am nächsten Morgen kam der Anruf, Sawatzki sei total begeistert. „Innerhalb von 24 Stunden trafen wir uns in einem Café in Prenzlauer Berg, stellten fest, dass wir uns ausgesprochen gut verstehen und schon war die Sache eingetütet.“

Sawatzki war ein Glücksgriff. „Sie nahm sich sehr stark zurück, was auch mein Wunsch war. Ich wollte sie möglichst zugeknöpft, verkrampft und hart zeigen. Und da hieß es, möglichst klein und zurückhaltend zu spielen. Das hat sie super mitgemacht und Mert Dincer den Raum gelassen, verbal mitunter die Hosen anzuhaben.“

Da man mit Kindern nicht länger als drei Stunden am Tag drehen dar, mussten die Darsteller des Knabenchors über 16 Jahre alt sein – und waren mithin im Stimmbruch, weshalb sie beim Singen der eigens komponierten Stücke von den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben gedoubelt wurden. „Aber die meisten merken überhaupt nicht, dass die Darsteller eigentlich einen Tick zu alt für den Gesang sind“, sagt Busker.

Das Gleiche gilt für den Drehort. Liebigheim heißt er im Film, Besigheim in der Wirklichkeit. Wegen des knappen Budgets wurde der ganze Film im Umkreis von 300 Metern um die Grundschule der 13.000-Seelen-Gemeinde gedreht – auch die vermeintlichen Szenen in Ungarn und an der österreichischen Grenze. Gemerkt habe es niemand, dem er es nicht vorher gesagt habe, so Busker.

Weil „Zoros Solo“ von der Filmförderung Baden-Württemberg unterstützt wurde, musste ein Großteil des Films ohnehin im deutschen Südwesten gedreht werden. Dass der Regisseur, der 1980 in Emden geboren wurde und heute in Berlin lebt, dabei ausgerechnet auf dieses Weinörtchen mit seinen idyllischen Fachwerkhäusern kam, geht auch auf sein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg zurück. „Wenn man da studiert und einen die Eltern aus Ostfriesland besuchen, geht man halt in Besigheim essen, weil es da sehr schön ist“, erklärt er. Ein weiterer Grund: Produzentin Kathrin Tabler stammt von dort.

Tatsächlich spielte es eine große Rolle, dass „Zoros Solo“ in einem herausgeputzten Kleinstädtchen gedreht wurde und nicht, wie ursprünglich angedacht, in Berlin. „Berlin ist absolut multikulti. Da wäre so eine Geschichte nicht mal aufgefallen.”

"Zoros Solo", Sonntag, 25. Oktober, 17 Uhr, Cineciutat Palma (Escorxador); Eintritt: 6 Euro, Tickets: cineciutat.org