Ausgetretene Wege zu gehen, war noch nie die Sache von La Fura dels Baus. Die katalanische Theatergruppe erforscht seit mehr als 40 Jahren neues szenisches und musikalisches Terrain. Dabei verschmelzt sie Atavismus und Ritual mit Hypertechnologie, stellt Imagination, Morbidität, Performance, Mechatronik und spektakuläre Installationen in einen dramatischen Kontext. Ihr Aktionsradius reicht von Aufführungen in Räumen, die sie mit dem Publikum teilt, über die Eröffnungsshow der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona und Werbeaktionen für Pepsi und Mercedes-Benz bis hin zur Inszenierung von Musikdramen Richard Wagners.
Nach einer Zwangspause wegen der Covid-19-Pandemie ist die Compagnie wieder auf Tournee und gastiert am Sonntag, 30. August, im ehemaligen Aquapark bei Magaluf. Im Rahmen der Summer Edition des Mallorca Live Festivals führt sie das Stück „Free Bach 212“ auf.
Der Titel enthält, worum es geht. „Bach“ steht für den großen Barockkomponisten Johann Sebastian Bach, „212“ für die Nummer der „Bauern-Kantate“ im Bach-Werke-Verzeichnis, die eigentlich den sächsischen Titel „Mer han en neue Obrigkeet“ trägt. „Frei“ schließlich besagt, dass La Fura dels Baus das Werk in einer ziemlich freien, eben Fura-typischen Version aufführt.
Entstanden ist die Kantate 1742, und wer Bach als Komponist tief geistlicher Werke vor Augen hat, lernt ihn bei diesem Stück von einer ganz anderen Seite kennen. Er selbst bezeichnete seine – wahrscheinlich letzte – Kantate als „Cantate en burlesque“. In Auftrag gab sie der kurfürstlich-sächsische Kammerherr Carl Heinrich von Dieskau, um seinen 36. Geburtstag und seinen Antritt als neuer Herrscher des damals noch außerhalb Leipzigs gelegenen Ritterguts Klein-Zschocher zu feiern.
Der zum Teil in sächsisch gehaltene Text der Kantate stammt aus der Feder von Christian Friedrich Henrici. Er trägt volkstümlich-derbe Züge und enthält Anspielungen auf eine Reihe örtlicher Personen und Ereignisse der damaligen Zeit. Vorgetragen wird er als Duett eines bäurischen Liebespaars bei Feierlichkeiten, bei denen der Kammerherr reichlich Bier ausschenken lässt. Musikalisch stellt Bach das ländliche Leben durch damals bekannte Tänze und volksliedartige Melodien dar.
Bei La Fura dels Baus klingt das so: „Mit volkstümlichen Liedern und Tänzen, gemischt mit edlen Strukturen und verführerischen Andeutungen fleischlicher und alkoholischer Genüsse, streckt Bach eine Hand aus, die über 273 Jahre reicht, um uns zu Tisch einzuladen, mit einer Kantate, die in einer Taverne endet, in der Bier das einende Gebräu ist. Die Einladung wird zugestellt.“ Und zwar in Form einer Konzert-Performance mit Musik und Tanz, inszeniert von Miki Espuma und David Cid. Um das Werk ins Heute zu transportieren, haben sie das Barockwerk mit elektronischer Musik und Flamenco aufgemischt: Neben dem Barockensemble Divina Mysteria, das mit Violine, Viola, Violone und Cembalo besetzt ist, sowie der Mezzosopranistin Eulalia Fantova und dem Bariton Joan García Gomà treten die Flamenco-Sängerin Mariola Membrives und Miki Espuma am Synthesizer auf. Bei der Performance wirkt außerdem der Tänzer Miguel Ángel Serrano mit. Das multimediale Bühnenbild wird durch eine Videoproduktion von David Cid und Skulpturen von Fernando Bravo geprägt.
Die Vorstellung beginnt um 22 Uhr, Einlass ist ab 20 Uhr. Karten für Dreiertische sind noch zu haben. Pro Tisch kostet der Eintritt 112,20 Euro. Tickets sind bei bei mallorcalivefestival.com erhältlich. Auf dieser Website sind auch die weiteren Konzerte der Summer Edition 2020 aufgeführt.
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