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Eher nach innen gekehrt, ruhig und bescheiden: So beschrieb Joan Punyet in einem MM-Interview seinen Großvater Joan Miró. Der Künstler selbst sagte über sich aber auch: „Ich weiß sehr wohl, dass die Wildheit eine andere Seite meiner Persönlichkeit ist. Natürlich kann ich in Gesellschaft nicht brutal sprechen und setze mir sozusagen eine Art Maske auf.“

In seiner Kunst konnte er auch anders. Deshalb nimmt ihm die Ausstellung „Miró, esperit salvatge“ (Miró, wilder Geist) diese Maske ab. Nach Seoul, Bologna und Turin ist sie nun in der Stiftung Miró Mallorca Fundació in Cala Major zu sehen, bevor sie in Quebec gezeigt wird.

„Wild“ oder auch primitiv, so die Kuratorin Patricia Juncosa, sei im Sinne von aggressiv zu verstehen, aber auch im Sinne von zurückgezogen und sehr persönlich: „Dieser Widerspruch findet sich ständig in all den Jahren seines Schaffens auf Mallorca.“

Präsentiert werden in der Schau 108 Werke aus der Sammlung der Stiftung: Malerei, Zeichnungen, Drucke, Illustrationen, Skulpturen. Bis auf fünf Arbeiten aus der Zeit von 1908 bis 1917 entstanden die Exponate zwischen 1960 und 1981 in den Ateliers Sert und Son Boter.

Als diese Ateliers 1981 schlossen, fanden sich dort neben bereits signierten Bildern auch viele Gemälde, die noch nicht fertiggestellt waren. „Miró arbeitete gewöhnlich sehr langsam und umgab sich gern mit Werken, die noch in Arbeit waren“, erzählt Juncosa. Die einen wie die anderen seien ein Schlüsselelement im Schaffen des Künstlers. Er habe stets nach vorn geblickt und sei immer freier geworden, auch in der Wahl der Techniken und Materialien, erklärt die Kuratorin und sagt: „Das ist ein Miró, der alle Besucher überrascht, die ein bestimmtes Bild von dem Künstler erwarten und dann den Miró von Mallorca vorfinden.“

Miró ließ sich 1956 auf Mallorca nieder. Dort erfüllte ihm der Architekt Josep Lluís Sert den Traum von einem großen Atelier. Diesen neuen Raum musste sich der Künstler erst zu eigen machen. Dieser Prozess ging mit dem Hinterfragen seines bisherigen Werkes und einer Erneuerung seiner künstlerischen Sprache einher. „Dies ist eine seiner vitalsten und künstlerischsten, zugleich auch eine seiner unbekanntesten und wildesten Etappen“, sagt der Leiter der Miró-Stiftung, Francisco Copado.

Um diese Etappe und diese wilde Seite im Spätwerk Mirós dem Publikum nahezubringen, ist die Ausstellung in vier thematische Bereiche gegliedert: „Wurzeln”, „Inspiration”, „Vokabular” und „Metamorphose”.

Man muss mit der Erde verhaftet sein und ihren Ruf hören, schrieb Miró, der sich Mallorca eng verbunden fühlte. Diese Verwurzelung entsprach seiner Überzeugung, dass nur aus der Verbindung mit dem Land heraus der universelle Wurf gelinge.

Dieses Land ist nicht nur die Landschaft Mallorcas. Auch die Handabdrücke der prähistorischen Höhlenmaler von Altamira, ebenso die romanischen Fresken, die Miró während seiner Kindheit in Barcelona sah, sind die Erde für seine künstlerischen Wurzeln. Ein weiterer bedeutender Bezugspunkt ist das Werk von Antoni Gaudí, das sich in den geometrischen Formen und kaleidoskopischen Farben der „Serie Gaudí” widerspiegelt.

Zu den Wurzeln gesellt sich die Inspiration. In der Poesie fand Miró ein Mittel, um die etablierten Grenzen des künstlerischen Ausdrucks zu überwinden. „Ich bin gegen jedes vorgefasste und tote intellektuelle Erforschen”, bekannte er. „Der Maler arbeitet wie der Dichter: Zuerst kommt das Wort, dann das Denken.”

Auch der amerikanische Expressionismus beeinflusste die neuen Ausdrucksformen Mirós: Andere Formate, das Malen auf dem Boden mit Gips, Tropfen, Explosionen und verdünnte Farben, die Macht der Grafik und eine erschütternde Brutalität und Primitivität führten einen Prozess der Entäußerung bis zum Äußersten.

In seiner letzten Schaffensphase ließ sich Miró schließlich von Reisen nach Japan inspirieren. Die formale Beziehung zwischen dem Vollen und seiner Abwesenheit sowie den Linien und Massen von Schwarz dominierten nun seine Kompositionen.

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Zudem reduzierte Miró seine Bildsprache auf die vier stets anders in Erscheinung tretenden Motive „Frau”, „Vogel”, „Stern” und „Figur”. Sie offenbaren eine hochkomplexe innere Landschaft.

All die neuen Ausdrucksformen entfesselten den wilden Geist des Künstlers, der von sich sagte: „Ich versuche, immer mehr das Maximum an Klarheit, Kraft und bildnerischer Aggressivität zu erreichen, das heißt zuerst eine körperliche Empfindung zu provozieren und dann die Seele zu erreichen.“ Dieser wilde und elementare Geist übertrug sich in eine Art Bereinigung und eine Rückkehr an den Ursprung. An diesem Ursprung schließt sich der Kreis der Ausstellung.

INFOS ZUR AUSSTELLUNG

Ausstellung:

„Miró, esperit salvatge” (Miró, wilder Geist)

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Samstag 10 bis 18 Uhr, Sonntag und Feiertage 10 bis 15 Uhr. Die Ausstellung läuft mindestens bis Ende 2018.

Eintritt:

7,50 Euro, ermäßigt 4 Euro. Eintritt frei: Samstag 15 bis 18 Uhr; erster Sonntag im Monat; unter 16 Jahren

Ort:

Miró Mallorca Fundació, Saridakis 29, Palma (Cala Major)

(aus MM 08/2018)