Jochen Hempel ist Galerist in Leipzig und Berlin. | Patricia Lozano

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"Hände hoch, das ist ein Überfall!" Unter diesem Titel präsentiert der Galerist Jochen Hempel vier seiner Künstler im CCA. Im MM-Interview erzählt er, was ihn nach Andratx brachte.

Mallorca Magazin: Herr Hempel, was bringt einen Galeristen aus Leipzig und Berlin ins CCA Andratx?

Jochen Hempel: Eine lange Verbundenheit mit Patricia Asbæk. Patricia hat 1998 die ersten Arbeiten bei mir in der Galerie gekauft. Wir freundeten uns an und ich hatte zu der Zeit in Leipzig neben der Galerie einen Laden mit Kunstbüchern. 2000 schloss ich den Buchladen, weil ich mich mit der Galerie vergrößern wollte. Ich sprach darüber mit Patricia auf einer Messe, und sie erzählte, dass sie nun das CCA eröffnen würde. Ich schenkte ihr meinen Buchladen mit den gesamten Möbeln und dem Inventar. Ich war bereits vor der Eröffnung hier, und die ersten Jahre bin ich sehr oft hier gewesen, und einige meiner Künstler hatten hier Studio-Aufenthalte oder waren in Ausstellungen vertreten.

MM: Wie kam es zur jetzigen Ausstellung?

Hempel: Vor zwei Jahren präsentierte ich auf der Messe in Basel drei Künstler. Da kam Patricia vorbei und schlug vor, diese drei Künstler auf Mallorca auszustellen. Wegen der Dimensionen des Raumes nahmen wir noch einen vierten Künstler meiner Galerie hinzu, der hervorragend in die Gruppe passt. Und jetzt sind wir da!

MM: Warum lautet der Titel der Schau "Hände hoch, das ist ein Überfall!"?

Hempel: Es ist ja jetzt, wie wenn die Galerie den Raum übernimmt. Ich hatte hier Carte blanche, konnte machen, was ich wollte.

MM: Werden Sie die Kooperation mit dem CCA wiederholen?

Hempel: Ich denke auch, dass wir das in Zukunft weiter verfestigen werden. Ich lade immer auch mal international eine Galerie dazu ein, gegenseitig die Räume zu besetzen. Das ist hier auch vorstellbar. Ich trete ja jetzt nicht als Galerie, sondern als Galerist auf.

MM: Ihre Galerien ist in Leipzig und Berlin. Warum zwei Standorte?

Hempel: Die Künstler wollen in Berlin ausstellen, wohl wissend, dass das nicht der Ort ist, wo sie ihren Lebensunterhalt verdienen können. Tatsächlich haben wir in Leipzig deutlich mehr Galeriebesucher. Das ist natürlich auch unserem Standort in der Baumwollspinnerei geschuldet, weil die Leute wissen, dass sie dort gleich zehn Ausstellungen auf einen Schlag sehen. Aber Berlin ist ein internationales Schaufenster. Man muss dabei sein, und deswegen behalten wir das.

MM: Es gab ja mal einen richtigen Leipzig-Hype. Gibt es den immer noch?

Hempel: Den wirklichen Hype um Leipzig und die Leipziger Schule gab es zwischen 2003 und 2008. Die Amerikaner, die im Privatflieger nach Leipzig einflogen und zur Baumwollspinnerei kamen, gab es wirklich. Sie sind natürlich damals gekommen, um ihren Porsche im Werk in Leipzig zu bestellen, und dann gab es die Baumwollspinnerei außerdem. Diesen Hype gibt es nicht mehr. Aber es lief durchgehend gut und in den letzten drei bis vier Jahren ist Leipzig wieder erstarkt und hat sich auf der Kunstlandkarte etabliert.

MM: Woher kommt so ein Hype?

Hempel: Dieser Hype kam durch die Leipziger Schule, mit dem Wiedererstarken einer gegenständlichen Malerei, wofür Leipzig einfach stand. Gehen tut er wieder, weil die Karawane des Kunstpublikums immer weiterziehen muss.

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MM: Muss man da als Galerist Nomade sein?

Hempel: Nomade ist man schon deshalb, weil man mindestens dreimal im Jahr auf eine Messe zieht. Es ist wichtig, neue Kundenkreise zu finden. Als Galerien vertreten wir ja einen bestimmten Stamm an Künstlern, und irgendwann ist der lokale oder auch nationale Markt mit ihnen gesättigt. Jetzt könnte man immer neue Künstler dazuholen. Aber besser ist es, den Kreis für die Künstler, mit denen man arbeitet, zu erweitern. Deswegen kam ich jetzt auch mit vier Künstlern hierher. Erstens weil es ein toller Ort ist, aber auch, um den Kreis für meine Galerie durch eine andere zu erweitern.

MM: Wie wird man eigentlich Galerist?

Hempel: Indem man Freunde hat, die Künstler sind und die keine Galerie haben. Und einer muss den Job einfach machen.

MM: Und dieser eine muss wissen, was geht ...

Hempel: Man muss natürlich ein offenes Auge haben - nicht für das, was geht, sondern für das, was gehen kann. Ich würde aber keinen Künstler zeigen, dessen Kunst ich nicht mag. Man muss vor allem das machen, wo man sagt: Das kann ich deshalb so gut vermitteln, weil ich es selbst haben will.

MM: Woher bekommt man diesen Blick, was gehen kann?

Hempel: Den bekommt man, indem man selbst viel sieht. Und ich betreue meine Sammler recht gut. Wenn sie etwas gekauft haben, bringe ich die Arbeiten oft hin und gucke mir an, wie sie leben, wie sie die Sachen präsentieren. Ich kenne viele meiner Kunden und weiß, was bei ihnen Sinn macht. Wenn jemand sehr minimalistisch ist, muss ich da nicht einen pastosen Farbauftrag als Kontrast hinsetzen. Und dann ist das ähnlich wie bei einem Auto. Was der eine hat, will der andere auch haben. Über die Jahre kann man dann schon ganz gut einschätzen, was funktionieren könnte. Mein Programm ist auch relativ einfach gestrickt. Es sind unterschiedliche Positionen, wie bei einer Fußballmannschaft. Ich brauche nicht elf Angreifer und auch nicht elf Verteidiger.

MM: Wie viel Raum nimmt die Kunst in Ihrem Leben ein?

Hempel: Sie ist meine Arbeit, und diese Arbeit ist mein Leben. Sie nimmt sehr viel Raum ein. Ich gehe aber auch sehr oft und sehr gern zum Fußball.

MM: Zu RB Leipzig?

Hempel: Seit fünf Jahren sehe ich mit meinen Kindern jedes Spiel an, wenn ich in Leipzig bin. Aber die Kunst ist am präsentesten, auch in meinem Familienleben

Zur Ausstellung

"Hände hoch, das ist ein Überfall!" Unter diesem Titel nähern sich in der Kunsthalle des CCA vier Künstler auf unterschiedliche Weise der räumlichen Wahrnehmung und Darstellung an. Mit einer Bodenzeichnung fordert Bastian Muhr, der seinen Fokus auf Überschneidungen richtet, die Betrachter zu einer analytischen Perspektive heraus. Im Gegensatz dazu verleiht Tilo Schulz seinen Rundbildern einen skulpturalen Wert, wobei sich die Arbeiten um die Idee von Aufbrechen, Fragmentieren und Überdecken drehen. In einer weiteren Werkgruppe setzt er sich mit politischen Ereignissen in einer ästhetisch-historischen Lesart auseinander.

Carsten Fock und Peter Krauskopf richten ihr Augenmerk auf den Prozess de Malens. Während Fock seine Bilder mit Pinselstrichen komponiert, legt Krauskopf durch Abkratzen von Farboberflächen den irisierenden Grund frei. Die Ausstellung läuft bis Sonntag, 17. Dezember. Das CCA Andratx im Carrer Estanyera 2 ist Dienstag bis Freitag von 10.30 bis 19 Uhr, ab November bis 16 Uhr geöffnet, außerdem samstags, sonntags und an Feiertagen von 10.30 bis 16 Uhr. Eintritt: 8 Euro.

(aus MM 40/2017)