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Auch Heiligenfiguren müssen mal ins Krankenhaus. Zumindest, wenn der Zahn der Zeit und diverses Getier zu sehr an ihnen genagt haben. Bevor sie dann operiert werden, bringen Antonia Reig und ihre Mitarbeiterinnen der Restaurierungswerkstatt des Bistums Mallorca sie tatsächlich in ein Hospital. Dort werden sie geröntgt und in die Röhre eines Computertomografen geschoben. So lässt sich in ihrem Inneren all das entdecken, was mit bloßem Auge nicht sichtbar ist.

Eine aufwendige Operation haben gerade die Heiligen des Oratoriums Roser Vell in Pollença hinter sich. Nun wird das Ensemble von acht Altarfiguren aus dem 16. Jahrhundert in das Kirchlein zurückkehren, um seinen Platz am Altar wieder einzunehmen. Der Altar steht in der Seitenkapelle der Schmerzen - nicht der postoperativen, sondern der sieben Schmerzen Mariens.

Wären sie nicht aus Pappmaschee und Holz, sondern aus Fleisch und Blut, hätten diese Heiligenfiguren tatsächlich starke Schmerzen erlitten. Die Luftfeuchtigkeit hatte ihnen stark zugesetzt, Mikroorganismen und Insekten hatten sie befallen, Mäuse ihre Nester in ihnen gebaut. Und auf den Röntgenaufnahmen und einer Computertomografie von Maria Magdalena erschien unter ihrem Gesicht nicht nur ihr ursprünglich modelliertes Antlitz, sondern auch das Skelett einer enormen Ratte.

Die Figuren werden dem Priester und Bildhauer Gabriel Mòger zugeschrieben. Schon in einem Inventar aus dem Jahr 1525 sind sie erwähnt. Sie stellen eine biblische Szene dar, was für das 16. Jahrhundert durchaus üblich war. Als Reaktion auf die Reformation, versuchten verschiedene katholische Orden, biblische Inhalte durch szenische Darstellungen zu beleben und der Bevölkerung, die des Lesens und Schreibens oft unkundig war, nahezubringen. Besonders betraf dies die Weihnachtsgeschichte und die Passion zu Ostern.

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Entsprechend glanzvolle Zeiten erlebten auch die Figuren der Kirche Roser Vell, vor allem an Karfreitag, der in Pollença traditionellerweise mit eine Prozession begangen wird. Doch irgendwann kamen die Figuren außer Mode und wurden in die Ecke gestellt.

Ihr Anblick ist naiv und von einer folkloristischen Machart. Innen hohl, besteht ihre Stützstruktur aus Holz und verleimten Papiermanuskripten, die Hände sind aus Holz geschnitzt, die Köpfe aus Pappmaschee geformt, bemalt sind sie mit Ölfarbe. Für diese Materialien waren die klimatischen Verhältnisse in der feuchten, unbelüfteten Kirche pures Gift. Entsprechend dringlich war die Rettung der Figuren.

Ein Jahr lang dauerte es, bis sie wiederhergestellt waren. Eine minutiöse Arbeit. "Grundsätzlich versucht man heute, jedes Werk so gut wie möglich zu erhalten, dabei aber so wenig wie möglich von seinem Zustand zu verändern", erklärt Werkstattleiterin Antonia Reig die zeitgemäße Vorgehensweise. Eine weitere Regel lautet: Jeder Prozess muss umkehrbar, jede neue Farbe wieder entfernbar sein. "Vor allem muss das, was wir als Restauratoren machen, erkennbar sein. Sonst würde unsere Arbeit als Fälschung gelten."

Alle Ausbesserungen kann man mit dem bloßen Auge erkennen - allerdings nur aus nächster Nähe. Denn so lautet das oberste Gebot: "Man muss die Hand des Künstler sehen. Unsere Arbeit bleibt anonym und im Hintergrund."

(aus MM 50/2016)