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Wer kann schon von sich sagen: "Okay, wir treffen uns auf dem Platz, der nach mir benannt ist"?! Tomeu Penya kann das. Der Gitarrenbarde von Mallorca ist seit Jahrzehnten der berühmteste Einwohner des kleinen Dorfes Vilafranca de Bonany (ausgesprochen: "Bonn-Ain"), gelegen an der Landverbindung Palma-Manacor im Inselosten. Mindestens einmal im Jahr, meist im Sommer, gibt der singende Ehrenbürger auf dem Dorfplatz ein Konzert. Dann strömen seine Fans aus ganz Mallorca nach Vilafranca, um zu den Weisen "ihres" "Cantautors" (Liedermachers) zu feiern, tanzen und singen.

In diesem Jahr dürfte der Festreigen noch hitziger ausfallen als sonst, denn Vilafranca begeht sein 200-jähriges Bestehen.

Wer durch das Dorf spaziert, muss aufpassen, nicht allzu schnell an den Ortsrand zu gelangen. Vilafranca scheint aus nicht mehr als einigen Straßenzügen, zwei Plätzen und einer Kirche zu bestehen. Umgeben von Feldern, auf denen die dicksten Melonen der Insel wachsen, ist Vilafranca "Country" pur: eine Agrargemeinde von einzigartig ruraler Prägung.

Ist auch Tomeu Penya von Vilafranca geprägt? Wäre er ebenfalls zum Urgestein der eiländischen "Country-Musik" geworden, wenn er etwa aus Alcúdia oder Sóller stammen würde? "Auf gar keinen Fall", wehrt Mallorcas Johnny Cash ab. "Mir wurde zuteil, in Vilafranca auf die Welt zu kommen, und so bin ich zu dem geworden, was ich bin." Seine Lieder und Platten - die Aufnahmekosten für die Debüt-LP 1980 wurde vom Dorfpfarrer gesponsert - wären ohne den Ort gar nicht möglich gewesen. "In den Songs geht es um reale Menschen und Straßen und wahre Begebenheiten aus dem Dorf." Vilafranca eben.

Penyas Elternhaus, in dem er 1949 geboren wurde, liegt direkt an der Nahtstelle von Asphalt und Acker. "Hier gab es früher nur Felder", sagt Tomeu und zeigt auf die Neubauten. In seiner Kindheit lag das Haus einsam da, mit den Jungs aus dem Dorf spielte er Cowboy und Indianer.

An seinen ersten Kuss kann er sich nicht erinnern, wohl aber an den ersten Sex: Eine ältere Frau verführte den 15-Jährigen, stil-echt in einem Heuhaufen auf dem Feld. Auch das ist Country.

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"Vilafranca war arm und reich zugleich. Hier gab es nur die Lebensmittel, die jeder auf seinem Acker zog. Gutes gesundes Essen. Aber in den Taschen hatten die Leute keine fünf Pesetas."

In den 1950er Jahren wurde Tomeu der ersten Touristen ansichtig. Sie fuhren mit Überlandbussen durch den Ort an die Küste und wurden von den Einheimischen nur "die Franzosen" genannt, egal von woher sie auch angereist sein mochten. "Sie waren eigenartig: hochgewachsen, modern, hellhäutig, mit Fotoapparaten am Hals", erinnert sich Tomeu. Die Begegnung mit der unbekannten Art faszinierte ihn: "Ich spürte, dass es jenseits von Vilafranca eine große Welt zu entdecken gibt."

Ein Stückchen davon sah Tomeu bereits im Alter von neun bis 13 Jahren. Da besuchte er die La-Porciùncula-Schule in Palma, lernte dort auch Noten lesen, Singen und klassische Gitarre. Das erste Saiteninstrument hatte ihm ein Barbetreiber geschenkt, "die Gitarre, das war Liebe auf den ersten Blick".

Schon mit zwölf trat Tomeu im alten Kino in Vilafranca auf, dem heutigen Theater, und sang die Bauernschnulze Soy un hombre del campo. "I'm a countryman", übersetzt der polyglotte Musiker flott.

Mit 15 spielte Tomeu, beeinflusst von den Beatles, in einer lokalen Band. Die brachte in den Hotels in Cala Millor die Urlauber zum Tanzen. Später folgte er den vielen weiblichen Lieb- und Bekanntschaften nach Deutschland, England, Holland, Dänemark, tingelte als Musiker quer durch Europa. "In Essen spielte ich klassische Gitarre und verdiente an einem Abend 1000 Mark. Das war viel Geld für mich."

Der Rest ist Geschichte: Der Tod seiner Eltern ließ Tomeu nach Vilafranca zurückkehren. Er sang und spielte in Bars und auf Dorffesten, bis der Pfarrer und Freunde Geld zusammenkratzen, um eine Plattenaufnahme zu finanzieren. Das brachte ihm den Durchbruch, erst inselweit, dann auf dem Festland.

Tomeu Penya ist Legende, fest verwoben mit Vilafranca, das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Doch auf Lorbeeren auszuruhen, das ist nichts für den Profimusiker. Erst vor wenigen Wochen erschien seine jüngste Platte, die 21. Und der 64-Jährige arbeitet an neuen Projekten, setzt sich in seinen Liedern ein für Landschafts- und Naturschutz. "Wir dürfen Mallorca nicht weiter verschandeln. Damit nehmen wir der Insel ihre Essenz, und uns die Lebensgrundlage."