"Meine Heimat ist zu 100 Prozent hier auf Mallorca": Lucas Froese kam mit acht Jahren zusammen mit seinen Eltern auf die Insel. | P. Lozano

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Erkundigt man sich unter Deutschen auf Mallorca nach den Eigenschaften der Einheimischen, bekommt man vor allem einen Satz immer wieder zu hören: „Die Mallorquiner sind verschlossen.” Lucas Froese schüttelt den Kopf: „Das ist eine absolute Falschaussage. Es mag sein, dass jemand diese Erfahrung gemacht hat, aber dies lässt sich nicht verallgemeinern.”

Um Vorurteilen wie diesem ein Ende zu setzen, sitzt der 33-jährige seit Wochen an seinem Herzensprojekt: einem Buch über interkulturelle Verständigung. Es soll ein Auswanderer-Guide der besonderen Art werden, um Menschen den Start auf Mallorca zu vereinfachen. „Damit man sein Gegenüber versteht und sich selbst verstanden fühlt”, erklärt er.

Wer könnte das besser verstehen als er selbst? Mit acht Jahren kam Lucas Froese als Kind deutscher Einwanderer von Bielefeld nach Felanitx. Er ging auf die öffentliche Schule des Ortes, nach nur einem Jahr sprach er fließend Spanisch. Auch sein Deutsch ist perfekt, darüber hinaus beherrscht er Katalanisch, dessen Unterform "Mallorquín", und Englisch.

Lucas froese
Kurz vor der Einschulung in Felanitx: Froese als Achtjähriger. Foto: P. Lozano

Wie unterschiedlich Deutsche und Insulaner ticken, erlebt er in seiner Arbeit als Immobilienmakler tagtäglich. „In meinem Job geht es sehr viel um Psychologie und Empathie”, sagt der 33-Jährige. Deutschen sei es bei dem Kauf oder Verkauf eines Objekts vor allem wichtig, dass das Prozedere schnell, korrekt und pünktlich vonstattengeht. Wohingegen die Einheimischen gemächlicher machen und mehr auf Sympathie achten würden, berichtet der Deutsche. Zwischen beiden Parteien zu vermitteln und kulturelle Unterschiede zu erklären, gehört zu seinem täglich Brot.

So wurde die Idee geboren, aus seinen Erfahrungen eine Stütze für andere zu bauen. Denn im Gegensatz zu anderen Auswanderer-Guides soll es in Lucas Froeses Werk nicht um Praktisches, wie etwa das Beantragen der NIE-Nummer oder Residencia, gehen. „Sondern viel mehr darum, wie man sich richtig in der Gesellschaft auf Mallorca einleben kann.” Dafür arbeitet er auch mit anderen Einheimischen zusammen. „Beispielsweise mit dem Vater meiner Freundin. Er ist Mallorquiner und ich lasse seine Sicht einfließen.”

Auch sein eigener Werdegang wird sich mit Anekdoten in dem Buch widerspiegeln. Vor allem die ersten Monate auf der Insel seien für ihn schwierig gewesen, erzählt er. „Ich hatte Heimweh nach Deutschland, meinen Freunden und unserer Verwandtschaft. Ich und mein Bruder waren die ersten deutschen Jungs im Dorf”, erinnert er sich zurück. Damals war Lucas Froese eines der wenigen blonden Kinder an der Schule und wurde von den Mallorquinern oft „chico rubio” genannt.

Heute verhält sich das anders, denn der Immobilienmakler sagt: „Meine Heimat ist zu 100 Prozent hier auf Mallorca.” Dennoch ist er nach wie vor mit der Bundesrepublik eng verbunden. Zweimal im Jahr verbringt er seine freien Tage in seiner Geburtsstadt Bielefeld, dort geht er manchmal an seiner ehemaligen Grundschule vorbei oder trinkt einen Kaffee in der Bäckerei, wo er mit seiner Familie zusammen seine Einschulung gefeiert hatte. „Deutschland ist für mich Nostalgie pur.”

Spanier, Mallorquiner, Deutscher, Polyglotter – man muss viele Worte benutzen, um Lucas Froese zu beschreiben. Sein Pass ist deutsch, sein Herz schlägt für die Insel. Er denkt und träumt auf Spanisch, mit seinen Eltern redet er zu Hause meistens Deutsch. Auch kulinarisch kann er sich nicht entscheiden: Er liebt Mamas Rouladen, aber auch Frito mallorquín. „Zu wem hältst du?”, fragen Freunde und Bekannte, wenn die EM läuft. „Ich kann mich für beide Teams freuen.”

Sieht er sich vor diesem Hintergrund in der Rolle eines „Vermittlers zwischen den Kulturen”? Der Immobilienmakler lacht. „Nein, das würde ich mir nicht anmaßen.” Manchmal sei er das aber schon ein wenig, erzählt er. Wenn beispielsweise Branchenkollegen Rat bei ihm suchen, weil die Eigenheiten ihrer Kunden Fragen aufwerfen. Dann muss er erklären, warum Mallorquiner nicht sofort auf Nachrichten antworten, direkte Fragen in Spanien als unhöflich gelten, wohingegen Deutsche eher eine direkte Kommunikation wählen und Fristen setzen, die eingehalten werden sollen. „Wenn es Probleme zwischen Menschen gibt, liegt der Ursprung dafür zu 90 Prozent in der Kommunikation. Und manchmal ist der gleichzeitige Umgang mit mehreren Kulturen auch ein Balanceakt.”

Damit Integration auf Mallorca noch besser gelingen kann, soll bald sein Buch erscheinen. Einen Titel hat Froese noch nicht gefunden, der Arbeitstitel lautet „Wirklich auf Mallorca leben”. 90 Seiten hat er schon niedergeschrieben, Ende des Jahres könnte es auf den Markt kommen, verrät er. Zuerst plant er eine Veröffentlichung in deutscher Sprache, danach auch in anderen. So sollen nicht nur Deutsche, sondern zum Beispiel auch Spanier vom Festland sich angesprochen fühlen. „Und selbst wenn nur zehn Menschen mein Buch lesen – dann habe ich zehn Menschen geholfen.”