Ein Haus mit Swimmingpool in der beliebten Gegend von Arenal und vom Dach ein Ausblick aufs Meer ... Nein, das ist nicht etwa ein begehrtes Feriendomizil aus einem Reisekatalog, sondern das Pfarrhaus der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde auf den Balearen. Hier, im Carrer Bellavista H, wohnt seit September 2020 das Pfarrersehepaar Martje Mechels und Holmfried Braun. Und auch ihr Hund Rudi, ein reinrassiger Labrador, ist mit dabei auf der Insel. „Ich wollte immer schon mal einen Garten, in dem eine Palme wächst”, lacht der 53-jährige Pfarrer.
Der Charakter der Menschen hier im Ortsteil Ses Cadenes erinnern das Paar an seine Heimat, die Stadt Moers im Ruhrgebiet. „Das sind einfache und ehrliche Menschen, die aus diesem Steinbruch-Stadtteil kommen”, so Holmfried Braun. Und ab und an kommt es vor, dass Mechels und Braun auf ein Straßenfest eingeladen werden.
In dem Gemeindezentrum in Arenal finden nur einige der zahlreichen Aktivitäten der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde statt. Zu vielen müssen die Geistlichen selbst fahren – und das bewältigen sie mit dem Auto, dem E-Bike, via Boot oder per Flugzeug. Was auch verständlich ist bei einer Gemeinde mit vier Inseln. Neben Mallorca betreut das Ehepaar noch Formentera, Menorca und Ibiza. „An einem Wochenende fahre ich gut 300 Kilometer”, resümiert Pfarrer Braun.
In einer festen kalendarischen Ordnung teilen sich die beiden Geistlichen die Gottesdienste in Santa Ponça, Cala Rajada, Peguera, Cala Murada auf Mallorca und in Sant Rafel auf Ibiza auf. Und predigen dabei jeweils in ihrem eigenen Stil.
Auf Menorca sind sie selten, denn da gibt es höchstens eine Trauanfrage von Touristen im Jahr. Und auf Formentera hingegen sind sie so gut wie nie.
Unterstützung bekommt das Ehepaar vom pensionierten Pfarrer Rolf Fröhlich.
Diese Rolle als „Wander-Pfarrer” sagt Mechels und Braun zu. „Wir haben hier nicht eine Kirche und sagen: Leute, kommt zu uns! Das Spannende ist, dass wir zu den Menschen gehen”, kommentiert Braun begeistert. Dieses Modell, das auf den Balearen bereits seit 50 Jahren Tradition hat, ist für sie auch in Deutschland vorstellbar. Holmfried Braun beobachtet: „Auf den Balearen ist die Arbeit viel näher am Menschen.”
Auch die Struktur ihrer Stellen ist unüblich. Denn das Ehepaar teilt sich einen Posten. Die Position zur Begleitung der Touristen auf den Balearen wird finanziell von der Kirche in Deutschland getragen. Den Rest und die Gemeindestelle müssen sie selber stemmen. Martje Mechels beschreibt das wie folgt: „Wir sind keine Gemeinde wie in Deutschland, bei der man eine Kirchensteuer zahlt. Unsere Mitglieder treten bewusst und freiwillig in die Kirche ein. Wir leben sozusagen von den Mitgliedsbeiträgen und Spenden.” Davon muss auch die Sekretärin, Cati, bezahlt werden. Eine weitere Hilfe für die Gemeindearbeit ist Hanna, die ein Diakonisches Jahr im Ausland absolviert.
Um alle Generationen anzusprechen, sind Braun und Mechels um keine Idee verlegen. 2021 war das Highlight der Autogottesdienst in Port Adriano. Dieses Jahr bieten sie zu Ostern 2022 einen Open-Air-Gottesdienst für Familien bei Esporles an, inklusive Wanderung.
Genauso viel Zeit und Herzblut stecken Martje Mechels und Holmfried Braun in soziale Aktivitäten. So können Gemeindemitglieder neben dem Boulen an einer Männer-Kochgruppe und einem Gesprächskreis, dem „Kirchenklatsch”, teilnehmen. Die Tanzgruppe pausiert momentan aufgrund der Pandemie. Eine monatlich aktive Wandergruppe steht ebenfalls auf dem Programm.
Wichtig ist dem geistlichen Ehepaar auch die Seelsorge. Dazu gehören Besuche im Krankenhaus und notleidenden Menschen zu helfen. „Da sieht man, dass Mallorca eben nicht nur die Sonneninsel, sondern für einige in sozialer Not ein Ort mit extremen Gegensätzen ist.”
Einmal im Monat besuchen die Pfarrerin und der Pfarrer Deutsche, die auf Mallorca im Gefängnis gelandet sind. So auch an Weihnachten, zusammen mit dem deutschen Konsul. „Ein Insasse hatte dann seine Gitarre dabei und wir haben alle zusammen ‚Stille Nacht’ gesungen”, erinnert sich Holmfried Braun.
Oftmals scheitert die Verständigung dieser in Not geratenen Deutschen an der Sprachbarriere mit den spanischen Ämtern. „Da bricht eine Rente weg, und plötzlich steht man alleine da und kann die Miete nicht bezahlen. Letztens haben wir einem schwerbehinderten Rollstuhlfahrer geholfen, der mit seiner Frau vor die Tür gesetzt worden war”, erzählt Braun. In solchen Fällen kümmern sich die Pfarrer darum, dass die Personen einen Reisepass bekommen, geimpft werden und einen Rückflug nach Deutschland antreten können. Ein großer Kraftakt, der an die Substanz gehen kann. Auch bei der Essensausgabe für Obdachlose mit der Partnerorganisation ‚Tardor’ in Palma packen Braun und Mechels mit an.
Für das Ehepaar ist klar: Die zahlreichen Tätigkeiten und der ständige Wandel, das Kommen und Gehen von Touristen und Halbresidenten auf den Inseln sorgt für viel Abwechslung. Obwohl es noch ein paar Jahre sind, wird es auch für Mechels und Braun irgendwann von der Insel Abschied nehmen heißen. Denn ihre Stelle ist von der Evangelischen Kirche in Deutschland auf sechs Jahre befristet. Und verlängern können sie maximal drei Jahre.Doch ob sie länger bleiben, ist derzeit noch offen. Das werde dann im „Familienrat” entschieden, scherzen die beiden. Denn alle Familienmitglieder haben bei der Zukunftsgestaltung ein Wörtchen mitzureden. Und dazu gehören mittlerweile fünf Kinder und zwei Enkel. Eine Tochter absolviert derzeit in Palma das Abitur.
Momentan genießt das Ehepaar Mechels und Braun ihre Zeit auf Mallorca und sehen es als Privileg an, hier sein zu dürfen. Die Pfarrerin erklärt dazu: „Ich bin immer wieder überrascht von der Natur auf dieser wunderschönen Insel – die Sonne, die Mandelbäume, die jetzt blühen, die Berge.” Gibt es da eigentlich noch offene Wünsche?
Holmfried Braun sehnt sich vor allem nach Normalität, wie in der Zeit vor Corona: „Toll wäre es, wenn wir Ende des Jahres an Heiligabend in der Kathedrale wieder einen ökumenischen Gottesdienst feiern könnten!”
Doch bis dahin ist noch einiges zu tun. Momentan ist der Konfirmandenunterricht in einer heißen Phase. Hierfür treffen sich der Pfarrer und seine Frau einmal im Monat mit sechs Mädchen und Jungen von der ganzen Insel. Und 2022 sind insgesamt 40 Trauungen geplant. Das ist auch ein Schritt in Richtung Normalität, denn in den beiden vergangenen Jahren sind viele Vermählungen ausgefallen. Mechels fügt dem mit einem Augenzwinkern hinzu: „Für manche ist es schon der dritte Versuch, sich zu trauen. Die kommen dann schon mit dem Kind und sagen: Ach, dann lassen wir auch gleich das Kind taufen.”
(Telefonnummer der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde:
971-743267; Homepage: www.kirche-balearen.net)
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