Familie Wienströer freut sich über die bessere Schulförderung für Sohn Jonas. | privat

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Man sollte meinen, dass die Corona-Pandemie viele Auswanderungspläne auf Eis gelegt hat. Doch überraschenderweise ist die Zahl der Deutschen, die auf Mallorca eine neue Heimat suchen, nicht gesunken. Ein paar deutliche Unterschiede zur Prä-Covid-Ära gibt es allerdings. MM hat mit einer Expertin und einigen Neu-Mallorquinern gesprochen.

Doris Kirch berät seit Jahren Auswanderungswillige aus Deutschland und hat trotz Pandemie viel zu tun.
Doris Kirch, Auswandererberaterin

Wenn jemand über Auswanderungen nach Mallorca Bescheid weiß, dann ist es Doris Kirch. Die 57-Jährige berät und betreut seit Jahren Auswanderer in spe und betreibt dazu eine eigene Website und Facebook-Gruppe. „Die Zahl der Auswanderungswilligen hat nicht nachgelassen, doch der Beratungsbedarf ist zurzeit höher”, berichtet sie. „Und es kommen mehr finanziell gut gestellte Auswanderer auf die Insel, das Gros ist gut vorbereitet. Viele sehen gerade jetzt eine Chance für einen Neuanfang. Ladenlokale und Mieten sind günstiger, Abschlagszahlungen entfallen teilweise”, erklärt Kirch.

Koch und Restaurantfachmann Björn Westkämper will die Insel mit seinen Grill-Events erobern.
Björn Westkämper

So beschreibt sich Björn Westkämper, der Anfang August von Stuttgart nach Llucmajor übersiedelte. Der gelernte Koch und Restaurantfachmann arbeitete in Deutschland in einer Metzgerei sowie im Catering für die Tennis-Bundesliga und war dabei sehr erfolgreich. „Doch Geld allein macht nicht glücklich”, resümiert der 40-Jährige. Seine Auswanderung plante er schon seit Jahren, die Insel kennt er aus dem Effeff. „Ich war in zwei Jahren 40 Mal auf Mallorca und habe dort an den Grill & Barbecue-Meisterschaften teilgenommen”, erzählt er. Ihm gefielen die Mentalität und das Klima auf der Insel. Und er erhoffte sich langfristig mehr Freiheit und eine bessere Work-Life-Balance. Nun lebt er mit seinen Katzen entspannt in einem Landhaus in Campos und baut mit viel Energie seine Existenz als Privatkoch und Event-Griller auf. „Ich biete für Finca-Urlauber und Residenten komplette Menüs vom Grill an, aber auch BBQ-Seminare und Kurse zur Wurstherstellung”, sagt Westkämper. Zusätzlich betreut er die Kunden des BBQ-Hauses in Llucmajor, einem Anbieter von Outdoor-Küchen und Grills. Bislang laufen seine Projekte gut. Es gibt bereits Buchungen für das kommende Jahr, auch Prominente wie Bastian Schweinsteiger beauftragten ihn schon mit Grill-Events. „Ich habe Vollgas gegeben und mir mit Seriosität und Ehrlichkeit einen guten Ruf erarbeitet”, sagt er. „Für mich war die Auswanderung die richtige Entscheidung”, lautet sein erstes Fazit.

Ausgerechnet die Pandemie bewog Angelika Curcuru zum Umzug nach Mallorca.
Angelika Curcuru

Eigentlich hatte Angelika Curcuru schon immer ein Faible für Frankreich. Die gebürtige Hannoveranerin arbeitete 40 Jahre als Bankfilialleiterin in Luxemburg, den Winter verbrachte sie wegen des mediterranen Klimas oft in Nizza. Im Alter wollte sie ganz dorthin übersiedeln. „Spanien war eigentlich nicht so mein Ding”, sagt die 69-Jährige. Aber Corona warf ihre Pläne über den Haufen. „Die Pandemie ließ mich stärker über meine Gesundheit nachdenken”, erzählt die Rentnerin, deren Sohn seit neun Jahren in Santa Ponça lebt. Plötzlich erschien es ihr beruhigend, im Fall der Fälle jemand Vertrautes in der Nähe zu wissen. „Die Vernunft sprach also für Mallorca”, sagt sie. Eigentlich wollte sie schon im April mit der Wohnungssuche starten, doch wegen der Reiseeinschränkungen hing sie noch bis Juni in Nizza fest. Seit November lebt die Kosmopolitin, der Deutschland zu eng geworden ist, nun auf der Insel. Ihre Entscheidung bereut sie nicht. „Ich fühle mich wohl. Die Menschen sind offen, das Leben spielt sich draußen ab. Und hier sind viele Leute, die schon einmal ihre alte Heimat verlassen haben”, sagt sie. Sie will sich nun ganz entspannt in ihrem neuen Dasein einrichten. „Ich habe nur zwei Vorsätze: Kontakte zu knüpfen und jeden Tag schwimmen zu gehen.“

Familie Wienströer freut sich über die bessere Schulförderung für Sohn Jonas.
Familie Wienströer

Fast-Rentner Jürgen Wienströer lernte Mallorca schon in den 1970er Jahren bei einer Studentenexkursion kennen. Seitdem ist es seine Lieblingsinsel. „Hier ist es besser als auf Hawaii. Ich mag die Lebensart und war bestimmt schon 20 mal hier”, sagt der 63-Jährige aus dem Münsterland, der eine Consultingfirma betrieb und für Pharmaunternehmen tätig war. Aber auch Sohn Jonas (15) war eine wichtige Motivation für die Auswanderung. „Er ist hochbegabt und wird von der Deutschen Schule mit ihren kleinen Klassen besser gefördert”, sagt er. Bevor er mit Ehefrau Dörte (55) und dem Nachwuchs Ende August den endgültigen Schritt auf die Insel wagte, verbrachte die Familie noch probeweise einen Winter auf Mallorca. „Wir wollten dann eigentlich an die Cala Blava ziehen, wegen der Nähe zur Deutschen Schule”, berichtet Wienströer, doch letztendlich landeten sie in einem Stadthaus in Llucmajor. „Wir fühlen uns dort wahnsinnig wohl, haben nette Kontakte zu den Nachbarn”, ergänzt er. Zwei Jahre Probezeit geben sie sich nun, in der Ehefrau Dörte ein Consulting-Unternehmen aufbauen will. Die Coronakrise bedeutet für das Paar ein überschaubares Risiko. Vor der Auswanderung verkaufte die Familie ihre Immobilien in Deutschland, bis auf eine – sie steht als Notreserve bereit.

Die Auswanderung von Ralf und Alexandra Kany begann zunächst chaotisch.
Ralf und Alexandra Kany

Vor drei Monaten wagten Alexandra (43) und Ralf Kany (55) den Schritt aus der Schweiz nach Mallorca. Seine Traumfinca hatte das Paar im Dezember vergangenen Jahres in Llucmajor entdeckt, im Februar wurde eine Kaufvereinbarung unterzeichnet, doch wegen der Pandemie verzögerte sich der Notartermin bis zum Juli. Ende August machte sich Ralf Kany im Lkw mit dem Hausrat auf den holprigen Weg zum neuen Domizil. „Es gab Zollprobleme an jeder Grenze und auch bei der Einreise nach Mallorca”, berichtet seine Ehefrau Alexandra. Nach einem mehrtägigen Hindernislauf durch die Behörden hielt er schließlich die geforderte Residencia und Wohnbescheinigung in den Händen, der Lkw musste dennoch ausgeräumt werden, bevor er nach einer Blitzkontrolle den Hafen von Palma verlassen durfte. „Unser Start war wie in einem schlechten Krimi”, erinnert sich die 43-Jährige. Mittlerweile geht es ruhiger zu. Das Paar richtet sich in der Finca ein, finanzielle Reserven sind vorhanden. Während Ehemann Ralf künftig im Bereich Finca-Betreuung und Reparaturen arbeiten will, träumt Alexandra von der Gründung einer Hundepension. Anders als ihr Ehemann fühlt sie sich noch nicht ganz heimisch auf der Insel. „Ich habe mit 39 Jahren meinen ersten Urlaub im Ausland verbracht, denn ich war immer sehr mit meinen Großeltern und Tieren verbunden”, erzählt sie. Davon will sie sich aber nicht beeinflussen lassen. „Wir wollen uns hier eine eigene Welt erschaffen und den Neustart wagen”, sagt sie entschlossen.