Man fühlt sich auch im Winter pudelwohl in dem Lokal. | Ingo Thor

TW
0

Wenn Zustände oder Dinge, die so gar nicht zusammenpassen, als großes Ganzes daherkommen, dann ist das ein surrealistischer Vorgang. So und nicht anders geht es in diesen weihnachtlichen milden Mallorca-Tagen im Abhott-Tempel schlechthin, dem Bierkönig, zu. Wo im Sommer Hunderte wie wild tanzen, trinken und flirten, steht jetzt ein großer, auffallend prächtig geschmückter Baum.

Angesichts dieser Kulisse würde woanders „Stille Nacht” oder „Oh du Fröhliche” gespielt, und an den Tischen würden adrett gekleidete Menschen steif an Gläsern nippen. Doch der Bierkönig ist nun einmal der Bierkönig und nicht der Nürnberger Christkindlsmarkt. Beim MM-Besuch am frühen Freitagabend, 13. Dezember, erklingt Altbewährtes aus den Lautsprechern: Ein nicht zuzuordnender Sänger stößt abgehackt einige Sätze, die wiederholt das Wort „Alkohol” enthalten, hervor. An einigen wenigen hohen Tischen sitzen wie auch im Sommer junge deutsche Männer und Frauen, die Bier aus großen Gläsern trinken.

Doch sie wirken deutlich stiller als im Sommer. Keiner steigt auf Stühle und wackelt ausgelassen mit dem Po, keiner grölt. Besinnlich sind sie zwar nicht drauf, die weihnachtlichen Besucher aus dem momentan grauen und dunklen Gebiet nördlich der Alpen, aber zurückhaltender. „Es geht nischt so viel ab wie im Sommer, waaa?”, äußert mit tiefer gutturaler Stimme der kahlköpfige und bebrillte Harro aus Berlin-Tempelhof. „Aber egal, det wusste ick, als ick die Reise buchte, dann iss die Party halt ein bisschen ruhiger.” Der redselige Gast hebt sein Glas und prostet imaginären Personen zu. Er blickt auch auf die jüngst ausgewechselten Stufen, die zum ersten Stockwerk führen. Im hinteren Teil des Etablissements werden – auf einem Weihnachtsmarkt ist man hier schließlich nicht – T-Shirts und andere Bierkönig-Fan-Accessoires in rauen Mengen verkauft.

Draußen ist es derweil weitgehend menschenleer, von dem üblichen, von trinkfreudigen Urlaubern verursachten Grundrauschen der Schinkenstraße fehlt jede Spur. Das gegenüber vom Bierkönig befindliche Bamboleo wurde so sorgfältig zugenagelt, dass eine einsam auf einem Bordstein sitzende Deutsche mit halblangen braunen Haaren schnarrt: „Dat iss aber schaaade!”· Nur zwei afrikanische Straßenhändler schieben hier heute Dienst, sie schauen etwas hilflos drein.

Drinnen wird jetzt „Ich bin ein Döner” gespielt. Die Weihnachtskugeln blitzen. Surrealismus ist halt, wenn schwer Vereinbares zu einem großen Ganzen verschwimmt und ein ungewohntes Wahrnehmungsgefühl erzeugt.