Axel Thorer: Mein Großvater hat um 1890 entdeckt, dass das Klima in Südwestafrika ideal ist zur Aufzucht von Karakulschafen für Persianerfelle, hat Lämmer aus Afghanistan geschmuggelt, eine Farm gekauft und im großen Stil gezüchtet. Mein Vater hat sich mit 22 Jahren eine Farm im heutigen Tansania gebaut. Dort wurde ich geboren, wir mussten das Land aber bald nach meiner Geburt verlassen, weil der Krieg ausgebrochen war. Ich bin schnell zurückgekehrt und habe seitdem Afrika sozusagen nie mehr verlassen, es ist der Kontinent meiner Seele …
MM: Wie sehen Sie vor Ihrem Erfahrungshintergrund die heutige Flüchtlingsbewegungen aus Afrika? Wie beurteilen Sie die politische Reaktion in Deutschland darauf?
Thorer: Selbstverständlich müssen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und intoleranten Schweinestaaten Asyl bekommen. Wer das bestreitet, hat den deutschen Pass nicht verdient. Aber: Für die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ bringe ich keinerlei Verständnis auf.
MM:Sie sind in Ihrem Leben viel gereist, haben an Expeditionen, unter anderem mit Heinrich Harrer, teilgenommen, sogar einen See in Ostafrika entdeckt. Welche Region der Welt hat Sie am meisten beeindruckt? Welche Ecken würden Sie noch gerne entdecken?
Thorer:Mich hat am meisten beeindruckt, dass es keine wirklich hässliche Weltgegend gibt, und dass man sich an den angeblich scheußlichsten Plätzen hinsetzen und die tollsten Beobachtungen machen kann. Geärgert hat mich immer, dass ich aufgrund meiner frühen Geburt den größten und unfassbar interessanten Teil der Erde nicht ausgiebig genug bereisen konnte: Russland beziehungsweise die Ex-Sowjetunion.
MM:Woher kommt Ihre Reise- und Abenteuerlust? Wie haben Sie sich durch Ihre Reisen verändert?
Thorer: Ein Ur-Ur-Ur-Großonkel emigriert und gründet eine der ersten deutschsprachigen Zeitungen der USA, Opa schmuggelt Schafe von Asien nach Afrika, Papa baut eine Farm in Afrika, Mama lebt 21 Jahre in Asien, ich bin in Tanga in Ostafrika geboren, die Familie besaß mal die arktische Hudson Bay Company, wir hatten Fracht auf der „Titanic“ – da konnte ich nicht anders! Und meine Erkenntnis: Im Ausland sind alle Deutschen Ausländer …
MM: Sie waren bis 2008 stellvertretender Chefredakteur der „Bunte”. Wie haben Sie den Weg in den Journalismus gefunden? War es für Sie ein Job oder eine Berufung?
Thorer: Durch Zufall! Ich war Wildhüter, Möbelpacker und Ausgräber am Rheinischen Landesmuseum, erzählte in einem Münchner Café einem alten Herrn meine Geschichten – und hatte am nächsten Tag einen Volontärsvertrag.
MM: Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Journalismus in den vergangenen Jahren?
Thorer: Ich bin heilfroh, mit Journalismus nichts mehr zu tun zu haben. Denn leider sind meine Kollegen nur noch Knechte der Anzeigenabteilung – oder Sklaven des primitiven Massengeschmacks per Klick. Die geplante Scheidung eines dümmlichen TV-Darstellers interessiert in den meisten Medien mehr als das Thema Altersarmut.
MM:Von der großen weiten Welt nach Mallorca – wann und wie haben Sie den Weg auf die Insel gefunden? Ist das Lieblingseiland der Deutschen auch für Sie zu einer zweiten Heimat geworden?
Thorer: Mallorca ist meine 50-Prozent-Heimat, und das seit 1958, als meine Großmutter auf die Insel auswanderte. Wir wohnen heute noch in ihrem Haus.
MM: Was schätzen Sie an den Mallorquinern, was nicht? Wie erklären Sie sich die große Anziehungskraft der Insel auf die Deutschen?
Thorer: Ich schätze viel an den Mallorquinern, und was ich nicht an ihnen mag, dafür habe ich Verständnis, zum Beispiel die Habgier beziehungsweise Korruption. Dagegen stelle ich ihre Eigenschaften Treue und Humor. Was die Anziehungskraft der Insel betrifft, wären Korfu oder die Azoren genauso attraktiv, wenn man genauso schnell dort wäre – da soll sich keiner einer Illusion hingeben!
MM: Sie kennen auch die geheimen Seiten der Mallorquiner. Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Thorer: Geheime Seiten? Die soll ich kennen? Ich weiß von nix … – aber von der Erotik der Mallorquinerinnen erzählt man sich Wunderdinge!
MM: In dieser Woche werden Sie 80. Wenn sie auf Ihr Leben zurückblicken – wie fällt Ihr Fazit aus? Würden Sie manches heute anders machen?
Thorer: Ich würde 99 Prozent anders machen, nur nicht meine Frau auswechseln. Aber ich bereue nichts, die Fehler waren, im Nachhinein betrachtet, gute Prüfungen!
MM:Welche Wünsche und Pläne haben Sie für die Zukunft?
Thorer: Ich sortiere jetzt meine Erinnerungen und reise dorthin, wo es entweder am schönsten war, oder ich leider nur wie ein D-Zug durchgerast bin, zum Beispiel durch dieses bezaubernde Land Indonesien, das soviel bietet wie der Rest der Welt – Russland ausgenommen. Außerdem hat mir meine Frau ein Didgeridoo geschenkt, das lerne ich jetzt spielen.
MM:Welche Rolle spielt der Gedanke an den Tod?
Thorer: Der Tod? War immer mein Begleiter, ich habe ihn mehrmals umarmt, beispielsweise durch den Absturz am Teleki-Vulkan in Kenia und einen Schiffbruch im Tanganjikasee. Er ist ein ganz angenehmer Reisekamerad, wenn er einem die Chance zum Überleben lässt, weil man mit jedem Mal klüger wird.
(Die Fragen stellte MM- Redakteurin Maike Schulte)
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