Wer kennt sie nicht, die China-Läden um die Ecke, die einfach alles verkaufen. Ob Schrauben oder Schüsseln, Luftmatratzen oder Lampen, Handtücher oder Hosen. Masse statt Klasse, das hat bislang funktioniert, auf der Insel genau wie im Rest der Welt.
So umfangreich das Warensortiment, so abwesend ist meist auch ein Ladenkonzept. Das Prinzip heißt Dschungel: Kunden kämpfen sich durch ein undurchdringliches Labyrinth aus schmalen Gängen, vorbei an vollbepackten Regalen, von denen die Ware quillt. Ob sie das Gewünschte finden, ohne vorher eine Reihe Gläser oder was immer in den Gang hineinragt, herunterzureißen, hängt allein von Geschicklichkeit und Durchhaltevermögen ab.
Bislang hat dieses Ich-stopfe-meine-Waren-einfach-irgendwie-in-einen-Raum-Konzept funktioniert, günstiger Preise sei dank. Doch bei den China-Shops der Stadt sollten die Alarmglocken schrillen. In Palmas Stadtviertel El Terreno ist ein Mann aus dem Reich der Mitte angetreten, das Shopping-Kuddelmuddel zu revolutionieren.
Seit einigen Wochen sagt Herr Xia mit seinem Geschäft, einem China-Laden ganz unchinesischer Prägung, dem Chaos den Kampf an. Und das scheint prächtig zu funktionieren. Die Kunden sind begeistert angesichts frei begehbarer Gänge und des übersichtlich angeordneten Warensortiments, und günstig ist es hier wie dort.
Am unchinesischsten aber ist der Service. Es gibt ihn nämlich. Anders als in China, wo ein Einkauf im kleinen Rumpelladen von nebenan schon mal wortlos abläuft, weil der Verkäufer versucht, das oberste Level von Candy Crush oder was sonst als Videospiel gerade angesagt ist, zu erreichen oder die neueste
Soap über den chinesisch-japanischen Krieg auf seinem Smartphone schaut –oder manchmal einfach schläft.
Im alteingesessenen China-Laden bei Herrn Xia gegenüber ist das nicht viel anders. Kunden werden meist nicht oder mit einem Grummeln begrüßt und dann gepflegt sich selbst überlassen, während die Inhaber –ganz wie im Reich der Mitte – schweigend mit ihren Smartphones hinter der Kasse hocken. Hat der Käufer eine Frage, muss der Sohn ran, weil er, so scheint’s, am besten Spanisch spricht.
Möglicherweise hat Herr Xia ja die Konkurrenz in aller Ruhe ausgespäht und ganz nach chinesischer Tradition einen Reformplan entworfen, dessen Vorgaben er jetzt entschlossen erfüllt. Vielleicht hat er sich auch nur schnell und clever an hiesige Verhältnisse angepasst. Tatsache ist jedenfalls, dass Kunden bei ihm nicht nur mit dem in Spanien üblichen Small Talk begrüßt, sondern auch beraten werden, sobald sie ein paar Minuten ratlos herumstehen. Und das in freundlichem Ton und perfektem Spanisch. Wenn das keine Revolution ist.
(aus MM 52/2018)
2 Kommentare
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Wie sensibel die Gesellschaft geworden ist ! Keiner darf mehr was sagen ! In was für einer Zeit leben wir 2019 ! Ich finde es wirklich beängstigend was Redefreiheit anbelangt ! Wir haben selber schuld , das dieses so gewordek ist. Mehr sag ich hier lieber nicht , sonst wird man hier nur angefeindet u die Wahrheit will keiner hören o lesen,weil dann hört man sich selber nur zu.
Da Ausnahmen die Regel bestätigen, bestätigt dieser Artikel dann genau was? Die "Revolution" bestimmt nicht. Aber der Artikel bestätigt viele Vorurteile gegenüber Menschen eine Volksgruppe, die man so haben kann. Was kommt als nächstes? Die "Revolution" beim illegalen Straßenhandel? Motto "Neger sind auch Menschen"?