Mallorca zum täglichen Leben: Unsere tägliche Misswahl gib uns heute! Mallorca ohne Misswahlen? Undenkbar." Das schrieb MM 1993. Die Zeiten haben sich geändert.
In früheren Jahrzehnten waren Misswahlen, und oftmals auch Misterwahlen, fester Bestandteil des Eventprogramms der Insel. Es wurde zum Beispiel eine "Miss Playa de Palma" gekürt, auch die anderen Urlaubsorte krönten regelmäßig ihre Schönheitsköniginnen. In den Hotels gehörten die Wahlen unverzichtbar zum Animationsprogramm. Und auch in den Diskotheken war das so. Dort wurde es oft etwas schlüpfriger, zum Beispiel bei den Wahlen zur "Miss Wet T-Shirt".
Heutzutage ist die Wahrnehmung der Frau in der Öffentlichkeit eine andere geworden. "Fleischbeschau", und als eine solche sehen viele Kritiker Misswahlen, gelten als verpönt.
"Vielleicht gibt es Misswahlen noch in dem einen oder anderen preisgünstigen Hotel mit einem sehr erlebnisorientierten Publikum", meint Hans Müller, bei Reiseveranstalter Thomas Cook verantwortlich für den Hoteleinkauf in Spanien und Portugal. "Ich habe das aber schon seit fünf oder zehn Jahren nicht mehr wahrgenommen. Ich glaube, die Zeit ist vorbei."
Eine Ära, die auf Mallorca Anfang der 60er Jahre begann. Trotz allgemeiner Prüderie in der Franco-Zeit erging im Jahr 1962 von der Regierung die Empfehlung, Misses wählen zu lassen und viele Urlauberinnen nahmen die Chance dankend an, um als Schönheitsköniginnen in die nordische Heimat zurückzukehren.
Besonders berühmt-berüchtigt wurden in den 80er und vor allem 90er Jahren die Wettbewerbe in der Diskothek Oberbayern an der Playa de Palma. "Du musstest irgendwie eine Attraktion schaffen, damit die Leute kommen", erinnert sich Beatrice Ciccardini, die seinerzeit zusammen mit ihrem damaligen Mann Miguel Pascual den Tanztempel betrieb und auch fürs Programm zuständig war. Bei den Misswahlen im Oberbayern gab es zunehmend mehr nackte Tatsachen. So musste zum Beispiel im Publikum Unterwäsche vom anderen Geschlecht gesammelt werden. Wenn Kandidatinnen die Hüllen fallen ließen, gab es Punkte, das galt auch für Herren, die ihre Favoritin durch Blankziehen unterstützen wollten. Bei den Misterwahlen war es dann umgekehrt. Am Ende standen meistens Dutzende Urlauber nackt auf und vor der Bühne. "Diese Misswahlen haben irgendwann mehr Leute angelockt als die Schlagersänger, die damals bei uns auftraten", so Ciccardini. "Das Ganze war aber überhaupt nicht obszön, sondern einfach nur lustig."
Während die kleinen, vor allem für Urlauber gedachten Misswahlen heute von der Bildfläche verschwunden sind, gibt es weiterhin die großen Wettbewerbe wie zu früheren Zeiten die Wahl der Miss España. Doch auch hier ist ziemlich der Lack ab. "Die beste Zeit war so zwischen 1990 und 2000", meint Julián Aguirre, Gesellschaftsreporter der Zeitung "Ultima Hora".
Schon 1962 begann die große Zeit der Mallorquinerin Maruja García.
Sie war nicht nur die schönste in Spanien, sondern wurde sogar zur Miss Europa gekürt. Und hatte auf ihrer Heimatinsel praktisch den Status eines Popstars. García blieb die einzige Mallorquinerin, die es zur Miss España brachte.
Julián Aguirre hat 1989 zum ersten Mal über eine Misswahl berichtet und war seitdem Jahr für Jahr ganz nah dran an den Events. "Die Galas wurden von Tele 5 übertragen, es gab viel Glanz und Glamour. Die Gewinnerinnen bekamen attraktive Preise. Das ist heute nicht mehr so."
Veranstaltet werden heute noch die lokalen Vorausscheidungen der Miss Turismo España (auch das Finale findet seit einigen Jahren auf Mallorca statt) und der Miss World España. "Früher haben die Eltern oder die Freunde den jungen Frauen gesagt ,Du bist schön, bewirb dich ." Im Laufe der Jahre habe sich aber das Image der Events verändert, demzufolge sei das Interesse der Sponsoren geringer geworden und auch in den Medien spielen sie nicht mehr so eine tragende Rolle wie einst.
Dass sich daran etwas ändert, damit ist kaum zu rechnen. Männer, die auf "Fleischbeschau" stehen, haben heutzutage dank Internet ganz andere Möglichkeiten, sexy Girls in knappen Bikinis anzuschauen.
Und ob sie leichtbekleidete Mädels in Zukunft überhaupt weiterhin bei Schönheitskonkurrenzen zu sehen bekommen, steht in den Sternen. Nicht zuletzt angesichts der "Me too"-Debatte haben gerade die Organisatoren der "Miss Amerika"-Wahl angekündigt, auf den Bikini-Durchgang zu verzichten. Auf Mallorca gibt es ihn noch bei der Miss-Turismo-Wahl. Bei der "Miss World"-Wahl dagegen nicht.
Misswahl-Experte Aguirre gefällt diese Entwicklung überhaupt nicht. "Zu einer Misswahl gehört ein Durchgang in eleganter Kleidung, einer in lässigem Look und einer im Bikini. Das ist einfach so." Das Argument, Frauen würden durch die Bikini-Schau zum reinen Objekt degradiert, lässt der Journalist nicht gelten: "Das ist überhaupt nicht der Fall. Einige Frauen verhindern durch ihre Beschwerden, dass andere das machen können, was sie wollen. Man darf nicht vergessen, dass die Teilnehmerinnen ihren Körper freiwillig präsentieren und stolz auf ihn sind, vielleicht weil sie daran lange im Fitnessstudio gearbeitet haben. Und das ist natürlich bei den Misterwahlen ganz genauso."
2 Kommentare
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