Miquel Vicens hat eine Antwort aus Mainz erhalten. Kürzlich berichtete MM darüber, dass der Mallorquiner Kritik an einer seiner Ansicht nach pro-separatistischen ZDF-Berichterstattung im Katalonien-Konflikt übt und einen Brief an Marietta Slomka, Moderatorin des "Heute Journals", geschrieben hat. Anlass war eine Formulierung Slomkas, der zufolge Ministerpräsident Rajoy die katalanischen Ex-Minister ins Gefängnis geschickt habe. Das könne aber, so Vicens, nur ein Richter anordnen. Auch in Deutschland stehe es nicht in der Macht der Bundeskanzlerin, jemanden verhaften zu lassen.
Man habe in der letzten Zeit regelmäßig über die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien berichtet, so das ZDF. "Dabei haben wir beide Seiten, die der Befürworter und die der Gegner einer Unabhängigkeit Kataloniens, dargestellt und, wie wir meinen, ein differenziertes Bild der Lage gezeichnet", heißt es im Schreiben der ZDF-Zuschauerredaktion. Damit, dass er noch eine Antwort von Marietta Slomka persönlich bekommt, rechnet der 71-Jährige nicht.
"Wir freuen uns, wenn Sie auch weiterhin zu unseren interessierten Zuschauern gehören", heißt es am Schluss des ZDF-Briefs. Davon zumindest kann man in Mainz ausgehen. Trotz allem wird Miquel Vicens weiterhin "Heute" und "Heute Journal" gucken. Denn das ZDF ist der Lieblingssender des früheren Hoteliers und seiner aus Wiesbaden stammenden Frau Christa. "Wir schauen tatsächlich mehr deutsches Fernsehen als spanisches. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender und am liebsten ZDF." Auch wenn Vicens liest, dann meistens deutsche Bücher. Er selbst spricht die Sprache fast akzentfrei, hat schon Ende der 60er Jahre begonnen, sie zu lernen.
Seine Frau hat Vicens 1973 kennengelernt. 1975 wurde geheiratet, seitdem wohnt das Paar in der Urbanisation Bellavista bei Cala Blava. "Meine drei Kinder haben einen deutsche Pass", meint der Mallorquiner über seine zwei Söhne und die Tochter.
Geboren wurde Vicens 1946 in Santanyí. Er besuchte ein Jesuiten-Internat in Barcelona, studierte später in Madrid und machte dort sein Diplom als Hoch- und Tiefbauingenieur. Im Rahmen des Studiums absolvierte er auch ein Praktikum in Deutschland. "Das war in München beim Bau der U-Bahn-Station Münchener Freiheit." Das Studium endete 1971. "Als Ingenieur gearbeitet habe ich aber eigentlich nie." Denn der Mallorquiner erkannte frühzeitig, dass er wohl im Tourismus mehr Geld verdienen könnte. Er war Reiseleiter, Direktor eines Hotels in Cala Figuera, ging dann zur Barceló-Hotelkette, blieb dort elf Jahre und war zuletzt Geschäftsführer. Später hatten Vicens und seine Familie Hotels, vor allem auf den Kanaren. Auch mit einer Pleite machte er Schlagzeilen. "Ja, ich hatte einen Konkurs", räumt er ein. "Aber mit so viel Masse, dass das kein Problem war. Anderthalb Jahre später ist das bereinigt gewesen. 21 Millionen Schulden standen 50 Millionen Masse gegenüber. Trotzdem war das eine Erfahrung, die ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen würde."
Von 1996 bis 2005 war Miquel Vicens Präsident des Tourismusverbandes Foment del Turisme. Vielen blieb vor allem sein Eintreten gegen die erste Ökosteuer für Urlauber im Gedächtnis. "An sich ging es gar nicht nur gegen die Ökosteuer. Die sogenannten Sondersteuern sind eine Ausgeburt des Teufels. Die Politiker können nicht mit dem Geld, das sie einnehmen, haushalten. Im Extremfall haben wir irgendwann eine Atmungssteuer." Ist er auch gegen die aktuelle Urlaubersteuer? "Ja, heute würde ich alles genauso machen, aber ich bin nicht mehr im öffentlichen Leben. Dieses Jahr ist es mit der neuen Steuer gut gegangen. Also lasst sie uns verdoppeln. Und in fünf Jahren vielleicht verzehnfachen. Mallorca ist wie Spanien touristisch im Aufwind. Die Gründe kennen wir. Aber zu sagen, die Ökosteuer habe keine Auswirkungen auf die Ausgabefreudigkeit der Touristen, das stimmt nicht. Jeder Mensch hat für den Urlaub ein Budget. Wenn der Staat etwas abzweigt, dann wird das an anderer Stelle nicht ausgegeben."
Seit er das Amt des Fomento-Präsidenten abgab, hört die Öffentlichkeit nicht mehr viel von Miquel Vicens. "Was soll ich in der Öffentlichkeit? Das war eine Etappe meines Lebens, die beendet ist. Ich habe meine Pflicht erfüllt und eine Zeit lang für das Gemeinwohl gearbeitet, so gut wie ich konnte."
Auch wenn er nicht mehr an vorderster Front agiert, ist Vicens ein politischer Mensch geblieben und verfolgt unter anderem das touristische Geschehen genau. Ist Mallorca überfüllt, wie in den vergangenen Monaten immer wieder beklagt wurde? "Ich glaube, dass viele der aktuellen Probleme nichts mit dem Tourismus zu tun haben, obwohl das immer so dargestellt wird. So zum Beispiel der Straßenverkehr. Dass der nicht läuft, dafür sind nicht die 40.000 oder 50.000 Mietwagen verantwortlich, sondern vor allem die 800.000 Autos, die die Mallorquiner selbst haben." Für überfüllte kleine Buchten schlägt Vicens ein System vor, wie es bereits auf Menorca praktiziert werde. "Schon bei der Anfahrt wird darüber informiert, ob die Cala voll ist, oder ob es freie Plätze gibt. Wenn jemand keinen Platz mehr abbekommt, dann muss er eben an die Playa de Palma oder an die Playa von Pollença gehen. Da gibt es keine Probleme." Und die Kreuzfahrer, die zu bestimmten Zeiten Palmas Innenstadt überfluten? "Wir fragen uns alle, ob es Sinn macht, 20.000 Kreuzfahrttouristen gleichzeitig in den Hafen zu lassen."
Der Katalonien-Konflikt bewegt Miquel Vicens emotional. Das ist im Gespräch deutlich zu spüren. Er betont, dass er trotz seines Protestbriefs an das ZDF nicht gegen Katalonien sei. "Ich bin schon sehr katalanistisch eingestellt. Anders als die meisten Mallorquiner in meinem Alter kann ich perfekt Katalanisch schreiben. Und die Castellanos waren jahrzehntelang oder jahrhundertelang sehr überheblich den Minderheiten gegenüber."
Vicens stört sich vor allem daran, wie sich der Konflikt entwickelt hat. "Man muss der Separatistenbewegung attestieren, dass sie fantastische Public Relations gemacht hat. Aber es wurde viel Blödsinn erzählt." Vom Prinzip her habe der 71-Jährige nichts gegen ein selbstständiges Katalonien. "Ich bin aber dagegen, dass knapp 40 Prozent das der Mehrheit aufdrücken wollen. Auch eine 51-Prozent-Mehrheit wäre kritisch. Wenn aber tatsächlich 90 Prozent dafür wären, dann müsste man eine Lösung suchen."
Dass auf Mallorca einmal Unabhängigkeitsbestrebungen zu einem ernsthaften Thema werden, damit rechnet Miquel Vicens nicht. "Dazu gibt es zu wenige Mallorquiner. Hier leben zu viele Menschen, die aus anderen Gegenden stammen. Aber wenn es eine Region gibt, die von einem Tag auf den anderen in die Unabhängigkeit gehen könnte, dann sind es die Balearen. Wir leben vom Tourismus. Wir exportieren nichts, haben keine Industrie und keine bedeutende Landwirtschaft."
(aus MM 47/2017)
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