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"Es ist familiärer, es ist mallorquinischer, nicht so versnobt wie der Südwesten Mallorcas. Jeder Stress hier ist selbst gemacht. Wir hatten gerade ein tolles Straßenfest bei uns, wo einiges an Ausländern da war. Kanadier, Neuseeländer, Deutsche, man ist da mitten drin und herzlich aufgenommen worden“, sagt Ralph König. Der Hamburger ist mit seiner Familie erst vor wenigen Monaten nach Santa Eugènia gezogen und ist sich sicher, den richtigen Ort gewählt zu haben. „Die lassen einen in Ruhe. Leben und leben lassen, das ist eine Maxime, die den ganzen Ort prägt“, findet er.

Dabei tummeln sich mittlerweile 15 verschiedene Nationalitäten in der 1600-Einwohner-Gemeinde, was manchmal auch die Dorfpolitiker staunen lässt. „Wir schicken unseren Neuankömmlingen normalerweise eine Karte in ihrer Muttersprache zur Begrüßung und dafür brauchten wir in der Vergangenheit immer mehr Übersetzer“, sagt Kulturgemeinderätin und Vizebürgermeisterin Eliana Benitez, die selbst aus Madrid stammt und damit zu den Zugezogenen gehört.

Während man vielerorts auf Mallorca über Obergrenzen für Touristen diskutiert, freut man sich in der kleinen Gemeinde mitten in der Pla-Ebene zwischen Santa Maria und Algaida noch über jede Initiative für mehr Besucher. „Wir wollen keine Grenzen setzen. Wer ein Haus hat, soll es vermieten können, wir finden das phänomenal“, sagt Benitez. „Wir haben hier einen Qualitätstourismus, Familien, die respektvoll handeln. Dann haben wir die Radfahrer im Herbst. Die stören nicht, sondern geben Geld aus, wovon alle profitieren“, sagt sie. So wollen zwei Italiener gerade das erste Hotel des Ortes eröffnen – mit sechs Zimmern. Die Bauarbeiten im Can Soler vis-à-vis vom Rathaus sind in vollem Gange. „Das ist großartig“, sagt Eliana Benitez.

Der deutsche Anwohner Klaas Reuss (51) kann noch eine schöne Anekdote zu dem künftigen Hotel beitragen. „Die haben da einen Pornofilm gedreht“, sagt er zur Erheiterung der von MM einberufenen Runde deutscher Residenten des Ortes. „Kennengelernt hat sich das Filmpaar im Can Prim“, fügt Silke Lebelt (53) hinzu. Die beiden gehören zu den Alteingesessenen im Dorf. Lebelt ist vor 16 Jahren gekommen und hat sich im zu Santa Eugènia gehörenden Weiler Ses Olleries niedergelassen, Reuss lebt seit 15 Jahren in Santa Eugènia. Die beiden gehören zu einer Gruppe Deutscher, die sich im Dorf engagieren. „Die Deutschen bringen sich am meisten ein“, sagt Gemeinderätin Benitez anerkennend.

Im Jahr 2007 war es zunächst der Weihnachtsmarkt, den Silke Lebelt als Ausländerbeauftragte ins Leben rief und der ganz traditionell im Ort mit Glühwein, Würstchen und Gebäck gefeiert wurde. Nachdem er 2016 aus organisatorischen Gründen abgesagt wurde, gab es in diesem Jahr Premiere für das Osterfeuer. „Da kamen wir alle zusammen, die Mallorquiner und die Ausländer. Unsere Kinder lernen so auch die anderen Traditionen kennen. Das war wirklich sehr schön“, schwärmt Gemeinderätin Benitez. „Da haben wir 3000 Euro eingenommen und das Geld gespendet, einmal für Sile, die Aids-Hilfe in Santa Eugènia. Das ist ein Sterbehospiz für Aids-Kranke. Die andere Hälfte stellen wir der Taujart, der Kunstmesse des Ortes zur Verfügung“, erklärt Klaas Reuss. „Die Mallorquiner stehen ja auf ihre Foguerones, da passte das ganz gut“, sagt er.

Aber ein Dorf wäre kein Dorf, wenn es nicht auch mal Ärger gäbe. Just gegen das Osterfeuer wurde eine Gegenkampagne gestartet. „Denen gefiel es nicht, dass wir das auf dem Feld gegenüber dem Friedhof gemacht haben“, sagt Reuss. Die Älteren hätten gedacht, dass es einen satanischen Hintergrund für das Feuer gebe, eine Witwe beklagte sich, dass ihr Mann auf dem Friedhof liege und das ja wohl nicht ginge. „Wir mussten Aufklärungsarbeit leisten, dass das Osterfeuer auch einen christlichen Hintergrund hat“, sagt Reuss.

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Für Silke Lebelt ist Santa Eugènia ein kleines Paradies, mit den drei kleinen Weilern Ses Olleries, Ses Alqueries und Ses Coves sowie den Schafherden und dem jüngsten Schäfer Mallorcas. Im Dorf ist sie zwar nicht mehr als offizielle Ausländerbeauftragte tätig, hilft den Neuankömmlingen aber in ihrer Pizzeria Benibazari, dem arabischen Namen für Santa Eugènia, die eine Art Treffpunkt ist. „Meistens geht es um sprachliche Geschichten, organisatorisch, Kinder anmelden an der Schule, Müllgeschichten, oder auch Nachbarschaftsstreitigkeiten“, sagt sie.

Der Ort mit der zentralen Lage, einigen wunderschönen Höhlen, wie der Lourdes-Grotte am Ortseingang, und dem gewissen Flair eines gewachsenen Dorfes, durch das man nicht mal so eben durchfährt – er wird immer beliebter. „In den letzten zehn Jahren hat Santa Eugènia seine Einwohnerzahl quasi verdoppelt“, sagt Eliana Benitez. „Da gibt es auch manche Einheimische, die fürchten, dass ihre Traditionen verloren gehen.“ Dennoch ist Santa Eugènia für sie so besonders, weil es eine Gemeinschaft sei. „Hier kennt wirklich jeder jeden und wenn man Hilfe braucht, ist einer da“, sagt die Mutter eines Sohnes. Für nächstes Jahr wolle die Gemeinde einen internationalen Tag veranstalten, mit traditionellen Speisen aus aller Welt, eine Art Gastronomiemesse, an der alle Nationalitäten des Ortes teilhaben sollen.

Aber auch hier gilt: Keine Sonne ohne Schatten. „Die Mallorquiner merken auch hier, dass Wohnen immer teurer wird. Viele wollen gar nicht mehr langfristig vermieten. Mein Geschäftspartner hat hier auch nichts gefunden“, sagt Klaas Reuss. „Klar, weil die Vermieter auch viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Und die wissen, dass die Touristen aus Nordeuropa gute Gäste sind“, fügt Silke Lebelt hinzu. Und Reuss ergänzt: „Das sind erstklassige Touristen, die gehen jeden Tag essen, die mieten Fahrzeuge und Fahrräder. Wenn ich das vergleiche mit dem Tourismus, den die Hoteliers anbieten, dann ist der hundertmal kreativer und Geld bringender.“ Da ist es wieder, das zweischneidige Schwert des Individualtourismus, von dem Orte wie Santa Eugènia stark profitieren. Der Kaffee für maximal 1,20 Euro ist noch obligatorisch im Ort.

Auch wenn Reuss‘ Kinder den Ort verlassen haben, um woanders zu studieren, will er auf der Insel und wahrscheinlich auch in Santa Eugènia alt werden. „Ich möchte hierbleiben“, sagt er. Wenn er sich am Morgen an die Cueva de Lourdes hinsetzt, um die aufgehende Sonne zu bewundern, dann ist das für ihn das Größte. Und auch Silke Lebelt hegt Heimatgefühle für ihr Santa Eugènia: „Wenn du im Flieger auf der rechten Seite sitzt und bist im Landeanflug. Dann schaue ich auf Ses Olleries und dann geht mir das Herz auf.“

DAS DORF IN ZAHLEN

Santa Eugènia hat nach Angaben der Gemeindeverwaltung rund 1630 Einwohner. Im Ort leben 15 Nationalitäten, davon stellen die Deutschen die größte Fraktion mit rund 40 Haushalten. Man geht von 200 bis 250 Nicht-Spaniern im Ort aus. Santa Eugènia liegt zwischen Santa Maria und Algaida, rund 21 Autokilometer von Palma entfernt mitten in der Pla-Ebene.

(aus MM 31/2017)