"'S'Endavallament' bedeutet das Absteigen, in Anlehnung an Christis Abstieg vom Kreuz. Das Abendmahl am Gründonnerstag inszenieren wir seit 1980, die Kreuzigung am Karfreitag seit 1971", berichtet Pedro Font Garau nicht ohne Stolz. Seit mehr als 20 Jahren ist er der Vorsitzende der 1970 gegründeten Bruderschaft und hat mit angesehen, wie Jahr für Jahr mehr Menschen das Schauspiel verfolgen. "Am Gründonnerstag kommen vor allem Leute aus dem Dorf, aber am Karfreitag sind 90 Prozent der Zuschauer Touristen. Schon anderthalb Stunden bevor es losgeht, strömen sie zum Kloster Sant Salvador", berichtet Font.
"Das Schauspiel hat sich kaum verändert, die Technik dagegen von null auf zehn", sagt er und lächelt. "Früher sind wir regelmäßig über die vielen Kabel gestolpert, heute geht vieles ferngesteuert per Knopfdruck." Dennoch sei es nicht leicht, junge Menschen zu finden, die mitmachen wollen. "Es interessiert viele nicht sonderlich. Vor allem die Mitte-Zwanzig-Jährigen wollen damit nichts zu tun haben, wenn sie nicht schon früh angefangen haben", sagt Font bedauernd. Dennoch schafft er es jedes Jahr, rund 35 Darsteller zusammenzubringen.
Immer wieder aufs Neue kümmert sich Font darum, dass die Kostüme aus dem Lager auf die Darsteller abgestimmt werden, dass die Techniker Bescheid wissen, dass alle Genehmigungen eingeholt sind. Der 52-Jährige ist aus religiöser Überzeugung der "S'Endavallament"-Bruderschaft beigetreten. Genau deshalb marschiert er auch in den Prozessionen mit, die jeweils an Gründonnerstag und Karfreitag direkt im Anschluss an das Schauspiel losgehen. Mit der Organisation der Prozessionen hat Font nichts zu tun. "Das macht die Kirche." Trotzdem kann er sich nicht vorstellen, einmal nicht mit dabei zu sein. Der Bußgang wirke befreiend, versucht er zu beschreiben. "Es tut irgendwie gut."
Rund anderthalb Stunden ziehen die Mitglieder der S'Endavallament-Bruderschaft, die Kirchenvertreter und Mitglieder zweier anderer Bruderschaften nach dem 30-minütigen Schauspiel gemeinsam durch Artà und tragen dabei vier Heiligenfiguren mit sich herum. "Insgesamt sind das locker 200 Personen. Wir sind die mit den schwarzen Mänteln, die ganz am Ende mitlaufen", erzählt Font. "Einige von uns laufen barfuß, aber das schreiben wir natürlich nicht vor. Das muss jeder für sich selbst entscheiden." Viele verzichteten aus privaten Versprechen auf die Schuhe. "Beispielsweise, wenn sie ein krankes Kind hatten und sich zuvor geschworen haben, die Prozession barfuß zu laufen, falls es wieder gesund wird."
Für viele Menschen der älteren Generationen sei es eine Selbstverständlichkeit, an der Prozession teilzunehmen, quasi eine Gewohnheit, die in Fleisch und Blut übergegangen ist. "Unter Franco war es ja praktisch obligatorisch, und der Glaube ist bei den Älteren stark verankert." Die Jüngeren dagegen liefen eher aus der Tradition heraus mit, weil sie es bei ihren Eltern gesehen haben. "Sie haben oft keine religiösen Motive, aber das ist auch vollkommen in Ordnung", berichtet Font. Auch er selbst nimmt seit Jahren am Passionsspiel teil. "Ich bin der Hauptmann der römischen Soldaten", sagt er augenzwinkernd.
(aus MM 14/2017)
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