Zahorí - einen Hauch von Magie umgibt das Wort. Zahorís heißen auf Mallorca die Rutengänger, die mit einer Wünschelrute nach Wasser in der Erde suchen. In vielen Inselorten gibt es sie noch. Zahorí stammt vom arabischen "Zuharí" ab und bedeutet "Wahrsager der Erde". Die Araber sollen diese Wahrsagekunst im 10. Jahrhundert auf Mallorca eingeführt haben.
Tomeu Ramis ist ein Zahorí aus Sineu. Mit 52 Jahren gehört er zu den Jüngsten seines Standes. Heute soll er auf einer Finca in Santa Maria del Camí "einen Brunnen markieren", wie er es nennt. Der Zweig eines wilden Olivenbaums dient ihm als Rute. Er fasst ihn an den Enden und biegt ihn etwas zusammen. "Du musst Spannung in die Rute bringen. Das ist ganz wichtig", erklärt er dem Fincabesitzer Tomeu Serra.
Mit festem Schritt geht Ramis über das Grundstück. Plötzlich krümmt sich der Zweig und knackt. "Hier ist eine Wasserader", meint er. Das Holz knacke, weil sich der Zweig in sich verbogen habe. "Sieh her, die Enden in meinen Fäusten haben sich nicht bewegt. Jetzt suche ich nach dem Kreuzungspunkt mit einer weiteren Wasserader." Kreuzungen seien am besten für Brunnen geeignet. Dabei könnten die Adern unterschiedlich tief liegen.
Bald schlägt die Rute wieder ruckartig aus. "Hier ist der Punkt. Jetzt ermittle ich mit dem Pendel die Tiefe." Das Pendel besteht aus einer Kette, an dem ein Messingstück hängt. Kaum hält er es über die Stelle, dreht sich das Messingstück im Kreis. Jede Umdrehung bedeute einen Meter, sagt Ramis und zählt laut mit. "53 Meter plus minus eins oder zwei", meint er, als das Pendel stehen bleibt.
Nun schlägt es nach vorne und hinten aus. Das zeige die Wassermenge an. Sie sei nicht schlecht. Dann kreist das Pendel wieder. "Jetzt zeigt es die zweite Ader." Ramis beteuert, seine Finger nicht zu bewegen. Er halte das Pendel nur. Bei 90 Meter liege die zweite Ader. Sie sei stärker als die erste. "Hier kannst du markieren", sagt er zu Tomeu Serra. Der holt einen Holzpfosten und rammt ihn in den Boden.
Zahorís werden auf Mallorca immer noch gerne zu Rate gezogen. Zur Zeit haben sie Großeinsatz. Wie Tomeu Serra entscheiden sich wegen der Trockenheit und des hohen Wasserpreises viele Fincabesitzer, einen Brunnen zu bauen. Selbst Bohrfirmen holen Zahorís zur Hilfe. Einige haben sogar ihre eigenen, "Aigües de Mallorca" zum Beispiel. Dort ist der Seniorchef Llorenç Cladera der Wassersucher - seit über 40 Jahren. Es sei eine besondere Gabe, meint der Sohn Toni Cladera. "Ich habe sie nicht, aber bei meiner 14-jährigen Tochter beginnt sich die Rute zu bewegen."
Andere halten das für Spinnerei. Pep Lluis Povardo von der Bohrfirma Perforaciones y Sondeos 2000 etwa. "Das sind Komiker. Sie führen ein Spektakel auf, das den Leuten gefällt. Man glaubt daran, wie man an Gott glaubt. Jeder, der geologische Kenntnisse hat, weiß, dass es ein Märchen ist."
Auf Mallorca sei es leicht, Wasser zu finden. "80 Prozent der Insel hat Wasser." Er finde es nicht durch Gefühl, sondern durch Intuition, aufbauend auf Kenntnis und Erfahrung. "Ich werte Daten aus, die Beschaffenheit des Geländes, die Höhe, die wasserdichten und die durchlässigen Tonschichten in der Erde, ich schaue, ob Felsen da sind und wo sich der Regen sammelt." Wasseradern existierten nicht. In der Tramuntana gebe es einige Wasserwege. Sonst bestünden Grundwasserschichten.
Geologen geben Povardo recht. "Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis für die Effektivität der Wünschelrute", sagt Pedro Robledo, der Leiter des Spanischen Instituts für Geologie und Bergbau auf den Balearen. Nur mit wissenschaftlichen Methoden könne man Wasser finden. Alles andere sei Volksglauben. Wasseradern im Sinne unterirdischer Flüsse existierten bis auf wenige Ausnahmen nicht. Wasser sei flächig anzutreffen. "Die meisten Grundwasserleiter Mallorcas sind ,Karstaquifers'. Sie bestehen aus durchflusswirksamen verkarsteten Karbongesteinen."
"Ich bin doch nicht dumm", entgegnet der Zahorí Ramis. "Ich weiß, dass es Grundwasserschichten und Tonschichten gibt." Adern bezeichneten die Stellen mit der stärksten Strömung. Klar finde man fast überall auf Mallorca Wasser, man müsse nur tief genug bohren. Die Zahorís suchten aber den höchsten Punkt, um die Bohrkosten für die Kunden am niedrigsten zu halten. "Ich bezweifle die Studien der Geologen nicht, aber sie sind für die großen Institutionen, die sie bezahlen können." Sein Entgelt sei eine gute Vesper.
Zahorís können sich auch irren, gibt Ramis zu. Undurchlässige Tonschichten in der Erde stellten ein Problem dar, aber seine Trefferquote liege bei über 90 Prozent. Die Firma Aigües de Mallorca ist sich der Kunst ihres Rutengängers sogar so sicher, dass sie ihren Kunden garantiert, Wasser zu finden. Selbst Pep Lluis Povardo gibt zu, den einen oder anderen guten Rutengänger kennengelernt zu haben.
Was den Ausschlag der Rute bewirkt, können die Zahorís jedoch nicht sagen. Für Tomeu Ramis ist es eine besondere Energie, die man hat oder nicht hat. "Was für eine Energie das ist, weiß ich nicht. Ich denke auch nicht drüber nach." Aber den Clown spiele er nicht, protestiert er. Er habe große Verantwortung. "Es gehört Mut dazu, zu jemandem zu sagen: ,Gib hier mal 8000 Euro für einen Brunnen aus.'"
Mut braucht jetzt auch Tomeu Serra. In wenigen Wochen soll sein Brunnen gebohrt werden. Während er den markierten Punkt anschaut, murmelt er: "Bis ich sicher weiß, dass hier Wasser ist, werde ich einige schlaflose Nächte haben."
MM wird seine Leser darüber informieren, wie die Sache ausgegangen ist.
(aus MM 26/2016)
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