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Stierkampfgegner motivieren ihn nur, das drohende Stierkampfverbot auf Mallorca interessiert ihn nicht. Im Gegenteil: Mit 59 Jahren plant Mallorcas Stierkampflegende José Barceló, Spitzname "Campanilla", eine Corrida in Muro, mit ihm als einen von sechs Toreros. Am 2. April soll der Event steigen, zu einem Großteil finanziert das der Unternehmer selbst.

Mallorca Magazin: Wie lange haben Sie schon den Plan, wieder in die Arena zurückzukehren?

José Barceló "Campanilla": Seit mehr als zwei Jahren. Motiviert haben mich vor allem diese kleinen Anti-Stierkampf-Parteien.

MM: Wieso das?

Campanilla: Es kann nicht sein, dass man ein Mörder ist, wenn man zur Jagd oder zum Stierkampf geht. Ich sage: Wenn es dir nicht gefällt, brauchst du nicht hinzugehen. Und dann diese Gegner von Pferdekutschen oder diejenigen, die sagen, man darf kein Fleisch mehr essen. Das kann doch nicht sein. Ich hab gedacht, dass etwas geschehen muss. Das war meine Motivation.

MM: Sie organisieren die Corrida auch selbst. Was kostet Sie dieses Engagement?

Campanilla: Ich werde nach bisherigem Stand 50.000 Euro investieren. Ich setze mich mit der Veranstaltung zwei Gefahren aus: Dem Stier und meinem leeren Geldbeutel (lacht). Wenn ich nicht daran glauben würde, würde ich es aber nicht machen.

MM: Tragen Sie das Risiko alleine?

Campanilla: Ich kenne viele Leute. Bevor sich die Tore der Arena öffnen, müssen mindestens 2000 Karten verkauft sein. Einige Unternehmer haben Kontingente gekauft. Die Preise sind volksnah: 20 bis 25 Euro.

MM: Was genau wird dort stattfinden?

Campanilla: Wir werden vom Rathausplatz in Muro zur Stierkampfarena fahren, begleitet von 60 Musikern, die Paso Doble spielen. Die Toreros werden mit traditioneller Kleidung der Bauern kämpfen, in kurzen Hosen. Jeder Matador tötet einen Stier. Victor Mendez kommt, Dámaso González, El Soro, Campanilla und Juan José Padilla. Wir sind fünf und dann gehört es sich, einen jungen Torero aufzubieten.

MM: Auf Mallorca sollen Stierkämpfe ab dem Frühjahr verboten werden. Könnte Ihr Projekt in Muro scheitern?

Campanilla: Angekündigt wird viel, es gibt ja auch noch eine Regierung und Gesetze. Ich habe eine Zusage von der Gemeinde Muro, alle Papiere sind in Ordnung. Ich will noch mehrere Stierkämpfe auf Mallorca machen, das ist meine Idee. Wenn es gut in Muro läuft, werde ich als Nächstes eine Corrida in Inca machen.

MM: Sie sind Organisator und Torero. Wie lange ist Ihr letzter Kampf her?

Campanilla: 1995 in Palma. Danach wurde ich am Knie operiert und musste aufhören. Ich werde jetzt aber optimal vorbereitet sein. Ich habe sechs Kilo abgenommen, siebeneinhalb muss ich noch.

MM: Wie trainieren Sie?

Campanilla: Jeden Tag Liebe machen (lacht). Nein, Spaß. Man muss sich einfach gesund ernähren. Ich schlafe wenig, von Mitternacht bis fünf Uhr morgens, dann lese ich die Zeitung und gehe danach laufen, bis zu fünf Kilometer. Dann gehe ich ins Fitnesscenter. Bis jetzt habe ich noch nicht die muleta angefasst (das scharlachrote Tuch, das im letzten Drittel des Stierkampfs zum Einsatz kommt), weil ich mich noch nicht als Torero fühle. Das wird aber bald so weit sein. Dann muss ich noch mindestens zwei Stiere trainieren und das kostet Geld.

MM: Sie töten auch im Training?

Campanilla: Klar, du kannst nicht zum Spaß mit Stieren kämpfen und sie dann wieder auf die Weide lassen. Einen Stier kannst du nicht zweimal zum Kämpfen nehmen.

MM: Glauben Sie, dass es auf Mallorca immer noch genügend Anhänger des Stierkampfes gibt?

Campanilla: Ja, die sind nur eingeschlafen. Du musst die wieder aufwecken. Auf der Insel ist Folgendes passiert, vielleicht begünstigt durch den Tourismus. Hier wurde der Chip gewechselt, die Leute haben nicht mehr die alte Kultur. In Valencia, Castellón ist das stärker verwurzelt. Was ist San Isidro in Madrid ohne Stierkampf? Die Feria de Abril in Sevilla, San Fermin in Pamplona? Dann bleibt nichts mehr übrig. Früher gab es auf Mallorca mobile Stierkampfarenen, die konnten dann in jedem Dorf aufgebaut werden. Das war schon, wurde aber von den Politik wieder einkassiert. Ich glaube, der Kampf gegen den Stierkampf ist politisch geworden, gegen die spanischen Traditionen. Wir machen technologische Fortschritte, aber verlieren die Menschlichkeit.

MM: Was entgegnen Sie denjenigen, die fordern, den Stierkampf abzuschaffen?

Campanilla: Der Kampfstier ist für die Corrida gemacht. Von der Geburt bis zur Arena vergehen sechs Jahre. Jeder Stierkampfgegner, der die Aufzucht eines Stieres miterleben würde, jedes Jahr für einen Monat, würde zu einem Freund des Stierkampfes.

MM: Sie selbst haben mehr als 230 Stierkämpfe gemacht. Wie steht Ihre Familie dazu?

Campanilla: Als ich Torero war, habe ich immer einen Tag vorher das Haus verlassen. Wissen Sie warum? Damit ich meine Familie nicht sehen musste. Du leidest für dich selbst und für sie. Sie lachen dich an, um dich zu motivieren, aber es ist ein falsches Lachen. Denn sie leiden in Wirklichkeit. Man hat viel Angst.

MM: Warum wird man dann Torero?

Campanilla: Adrenalin. Wenn du etwas beherrschst, das gefährlich ist, dann ist das etwas Besonderes. Wenn du eine Ziege dominierst, lachen dich die Leute aus. Aber wenn dieser Stier rauskommt, erschrecken sich sogar die Zuschauer. Dann kommst du, kontrollierst ihn auf eine Weise, dass er sich dir hingibt, dann werden die Leute verrückt vor Begeisterung. Wenn du das geschafft hast, erfüllt dich das mit Euphorie. Einmal in Olot hat mich ein Stier mit der Stirn gegen die Brust an die Wand gedrückt. Ich hörte ein Knacken und wurde ohnmächtig. Am Ende hatte ich vier gebrochene Rippen. Damals vor 23 Jahren bin ich noch einmal geboren worden.

MM: Ist das wie eine Sucht, das Spiel mit dem Tod?

Campanilla: Ja. Du musst ein Freund des Todes sein.

Die Fragen stellte MM-Redakteur Thomas Zapp.

(aus MM 50/2015)