Vor kurzem ist Sander Galiana Smeby vier Jahre alt geworden. Zur Feier in einem Park in Palmas Stadtteil Coll d'en Rabassa sind seine besten Freunde zum Spielen gekommen, es gibt Kuchen, Spiele und Ballons. Dass Sander eine seltene Erbkrankheit hat, fällt niemandem auf, der es nicht weiß. Sander ist seit seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr gewachsen. Bislang ist es noch nicht augenfällig geworden, weil er ein großes Kind war.
Nachdem die Ärzte bei einer Routineuntersuchung feststellten, dass seine Fingerknochen sich nicht normal entwickelt hatten, begann für seine Eltern eine Zeit des Bangens. Im September 2014 fiel erstmals der Name Mukopolysaccharidose, kurz: MPS. Nur wenn beide Elternteile diesen Fehler haben, besteht die Möglichkeit, dass die Krankheit bei dem Kind zum Ausbruch kommt. "Die Wahrscheinlichkeit ist eins zu 300.000, eher gewinnt man im Lotto", sagt sein Vater Sebastian Galiana, dessen Mutter die deutsche Komponistin Gisela Schütten ist.
Die Symptome dieser Erbkrankheit variieren je nach Typ, gemeinsam ist allen Varianten, dass die Kinder bei der Geburt zunächst unauffällig sind. Bei MPS bilden sich Verformungen der Knochen aus, die Sehnen und Bänder sind verkürzt. Es kann zu Trübungen der Hornhaut und Taubheit kommen, die Betroffenen bleiben unter der Normalgröße.
Die Ursache der Krankheit liegt in den Körperzellen. "Manchen fehlt ein Enzym, sie können keine Schadstoffe ausscheiden, sondern sammeln sie an. Sie können sich nicht reinigen und werden beschädigt", sagt Sanders Mutter Inger Smeby, die alle "Titti" nennen.
"Der Körper funktioniert mit der Zeit immer schlechter", fügt sie hinzu. Bei den gefährlichsten Varianten liegt die Lebenserwartung der Betroffenen bei 15 Jahren, so wie bei dem Typ 7, der bei Sander ursprünglich diagnostiziert wurde. "Damals war es, als hätte ich eine Kugel im Magen", erinnert sich seine Mutter an den Schock. Inger Smeby hält ihre Freunde und Follower in ihrem Internet-Blog "mamatittiwordpress.com" auf dem Laufenden.
Vor wenigen Wochen haben sie erfahren, dass Sander höchstwahrscheinlich an Typ 4 der MPS erkrankt ist, dem Morquio-Syndrom. Die Lebenserwartung von Morquio-Patienten liegt im Schnitt zwischen 20 und 40 Jahren, es gibt aber Menschen, die 60 Jahre alt geworden sind, der Krankheitsverlauf kann sehr unterschiedlich sein.
"Es gibt Hoffnung. Das gibt uns die Kraft, weiterzumachen", sagt Inger Smeby. Vor allem gibt es gegen den Typ 4 eine erprobte Medizin. Das Medikament kann das kranke Enzym gegen ein neues austauschen. Die Behandlung wird allerdings hart für Sander: "Sechs Stunden pro Woche wird ihm die Medizin eingeflößt wie eine Dialyse oder Chemotherapie", sagt Sebastian Galiana.
Noch spürt Sander keine starken Einschränkungen, auch wenn er nicht so wild wie andere Kinder tobt, weil er häufiger hinfällt. Seine siebenjährige Schwester Selin weiß über die Krankheit ihres Bruders Bescheid, wenn auch nicht im Detail. "Anfangs war sie eifersüchtig, heute beschützt sie ihn, wo es geht", sagt Inger. So frage sie in der Schulmensa immer, ob Milchprodukte zum Einsatz kommen. Sander muss sich laktosefrei ernähren.
Inger Smeby hat in den vergangenen Wochen festgestellt, dass sich der Körper ihres Sohnes verändert. "Er wird reifer, aber er wächst nicht", sagt die 37-Jährige. Auch hat sie bei ihm eine Hornhauttrü-bung auf dem linken Auge bemerkt. Sander hustet viel, seine Atemwege sind sehr eng. In Kürze soll er die Wucherungen entfernt bekommen. Dafür muss der Anästhesist grünes Licht geben, der Vierjährige gilt als Risikopatient.
Inger und Sebastian gehen offensiv mit Sanders Krankheit um und versuchen jetzt, Geld zu sammeln, falls das balearische Krankensystem die Behandlungskosten von monatlich 25.000 Euro nicht übernimmt. Sander ist der einzige Patient mit diesem Krankheitsbild auf den Balearen, es gibt keinen Präzedenzfall. Die Entscheidung kann noch bis zu einem halben Jahr dauern, so lange will Titti nicht warten.
Aktuell arbeitet sie daran, eine gemeinnützige Organisation ins Leben zu rufen, um Spenden zu sammeln. "Ich will Sanders Leiden sichtbar machen", sagt sie, "vielleicht nerve ich die Ärzte, aber ich kann nicht untätig bleiben." Ihr Mann pflichtet ihr bei: "Du musst etwas tun, wenn du auf dem Sofa sitzt, änderst du nichts."
(aus MM 14/2015)
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