Der Fotograf vom Mallorca Magazin lichtet einen Mann mit Gitarre vor der Hoteltür ab. Sofort zücken auch einige Touristen ihre Kameras und knipsen mit. Wahrscheinlich handelt es sich um Urlauber aus dem Osten Deutschlands. Denn der Mann vor der Kamera, der einige Akkorde vor sich hinspielt, wurde vor allem zu Zeiten der DDR zu einer deutschen Musik-Legende.
Dieter Birr, der auf den Spitznamen "Maschine" hört, ist der Frontmann der Puhdys. Bis heute. Aber nicht mehr lange. Im Oktober beginnt die Abschiedstournee der legendären Rockband. Ende kommenden Jahres soll dann endgültig Schluss sein. Allerdings nicht für Birr. Maschine hat die Weichen für die Zukunft schon gestellt. Das wurde auch deutlich bei einer Talkshow im Hotel Allsun Orient Beach in Sa Coma, wo der Musiker zusammen mit seiner Frau Sylvia sowie dem früheren "Bravo"-Fotografen Wolfgang "Bubi" Heilemann und dessen Frau Renate gerade ein paar Urlaubstage verbrachte. "Von diesen Talkshows haben wir in Deutschland schon etwa 30 gemacht. Das kommt gut an", verrät Maschine im MM-Gespräch.
1969 ist das offizielle Geburtsdatum der Puhdys. Birr hat die meisten Lieder geschrieben und auch gesungen. Hits hatte die Gruppe zu DDR-Zeiten viele: "Alt wie ein Baum", "Rockerrente", "Lebenszeit", "Wenn ein Mensch lebt", "Das Buch" und so weiter. Nach der Wende war der größte Erfolg wohl die Eishockey-Hymne "Hey, wir woll'n die Eisbär'n seh'n". "Das Lied wird inzwischen in vielen Sprachen gecovert", weiß Maschine, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag feierte. Aus diesem Anlass erschienen eine Solo-CD und eine Buch von Dieter Birr. Das Buch heißt zwar "Maschine", ist aber keine echte Biografie, wie dieser betont. Es sind Geschichten aus seinem Leben, die der Musiker mit dem Journalisten Wolfgang Martin aufschrieb. "Ich stehe überhaupt nicht auf Chronologie."
Auf der CD (wie sollte die wohl anders heißen als "Maschine"?) sind alte Stücke der Puhdys in neuem Gewand zu hören, aber auch neue Lieder. Birr singt Duette mit Julia Neigel, mit seiner Enkeltochter Annabell und mit Wolfgang Niedecken. Mit dem Frontmann von BAP arbeitet Maschine eine Episode deutsch-deutscher Vergangenheit auf. 1984, vor 30 Jahren, wollte BAP eine Tournee durch die DDR machen. Doch vor dem ersten Konzert beim Festival "Rock für den Frieden" sagte die Band alles ab und verschwand. Sie sollte ihren eigens für die Tournee geschriebenen Titel "Deshalv spill' mer he" nicht aufführen dürfen, in dem BAP sinngemäß deutlich machen wollte, dass die DDR-Konzerte nicht für die Funktionäre seien, man sich vor keinen Karren spannen lassen wollte, sondern für die friedensbewegten Fans in die DDR gekommen war. Die Puhdys übernahmen damals das Konzert von Bap und konnten den Abend retten. Maschine und Niedecken haben die Erinnerungen in dem Song "Was wussten wir denn schon" verarbeitet, den sie auch bei der Gala zur Verleihung des Medienpreises "Goldene Henne" am 10. Oktober präsentieren (live im MDR-Fernsehen).
"Man hatte als Ostdeutscher die Vorstellung gehabt, im Westen sei alles besser. Das war ja auch in vielen Fällen so, aber es war eben nicht wirklich alles besser. Es gab auch viele gleichwertige Sachen", meint Dieter Birr und erinnert sich an die schweren Zeiten, die Ost-Musiker nach der Wende hatten. Keiner wollte sie mehr hören, die Konkurrenz kam plötzlich aus aller Welt. "Das war eine Zeit, in der die Leute überlegt haben: Gebe ich mein frisches Westgeld aus für eine Band, die ich sowieso schon kenne?" Die Puhdys hatten vielleicht im Nachhinein das Glück, dass sie schon 1988 bekannt gegeben hatten, sich Ende 1989 trennen zu wollen. Als die Gruppe dann 1992 wieder zusammenkam, wollten viele Menschen in der DDR wieder die alten Lieder hören. ",Die Mumien sind auferstanden' stand nach unserem ersten Konzert in Dresden in der Zeitung. Ostbands waren damals nicht angesagt", erinnert sich Maschine und muss schmunzeln.
Im Moment sind es "nur" Talkshows in kleinem Rahmen, auf denen Dieter Birr auch einige Lieder auf der Gitarre spielt. Sein Hauptjob heißt weiterhin Puhdys. Doch nach dem Abschied der Band will er wieder richtig starten, große Konzerte geben. Kein Gedanke an die "Rockerrente"? "Nein. Ich habe Spaß daran. Ich kann doch nicht nur zu Hause rumsitzen. Das hat etwas mit Lebensinhalt zu tun. Spaß, Leidenschaft, Berufung von mir aus." Kann er selbst sagen, warum ihn die Leute nach 45 Jahren auf der Bühne heute noch sehen und hören wollen? Nein, kann er nicht. Maschine kann es nur vermuten: "Ich muss hinter dem stehen, was ich singe. Ich will immer das Beste, und ich will die Leute erreichen. Das spüren die Menschen. Es ist wirklich so: Ich mache das, was mir gefällt und ich habe das Glück, dass das auch vielen anderen gefällt."
Der Mallorca-Urlaub in Sa Coma war der zweite Insel-Besuch von Dieter Birr. Einmal war er schon hier, kurz nach der Wende. Wo? "Das kann ich nicht mehr sagen. Ich merke mir so etwas nicht."
Nach der Auslands-Talkshow vor Urlaubern stehen in den kommenden Wochen weitere Auftritte der Musik-Legende in Deutschland an. Allein und mit den Puhdys. Und auch im TV. So kann man Maschine beispielsweise an diesem Freitag, 26. September, in der MDR-Talkshow "Riverboat" sehen.
(Aus MM 40/2014)
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