Kia Ochun vor der Iglesia San Nicolás, ihrem Lieblingsplatz in Palma.

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Am Treffpunkt im Café sitzt Kia in ihre Kladde versunken. "Ich schreibe meine Träume auf", sagt sie lachend und meint die im Schlaf geträumten Träume, nicht ihre Lebensträume. Denn die lebt die 23-Jährige bereits. Ihr Banjo lehnt neben ihr an einer Säule. Das Saiteninstrument ist ihr ein und alles, damit verdient sie ihren Lebensunterhalt, damit lernt sie Leute kennen, es ist ihr treuester Reisebegleiter.

Derzeit trifft man Kia Ochun aus Port Townsend (US-Bundesstaat Washington) meistens in Palmas Altstadt vor der Kirche San Nicolás, wo sie am liebsten auftritt. Ihre Musik ist eigen, manchmal Country, manchmal Weltmusik, dazu ihr sphärischer Gesang, der ein bisschen nach Björk klingt. Das Ganze begleitet sie auf ihre eigene Weise mit Step-Schuhen, die mal mehr, mal weniger rhythmisch auf dem Straßenpflaster klappern. Die Frage nach ihrem Musikstil sollte man ihr besser nicht stellen. "Ich hasse das." Ob ihre Musik vielen Menschen gefällt oder nicht, hat für sie keine Priorität. "Ich will kein Geld mit Musik machen, das ist nicht der Antrieb. Ich will das spielen, was ich fühle. Das ist der beste Teil dieses Lebens."

Seit ihrem 17. Lebensjahr verbringt Kia Ochun ihre Zeit auf Reisen. Zunächst ging es von der Ökofarm ihrer Mutter in Washington Richtung New Orleans, dann nach Mexiko, Guatemala und schließlich stand auch Europa auf der Route. Über London, Paris und Korsika landete sie schließlich auf Mallorca. Via Internet hatte sie einen Skipper aus ihrem Heimatort gefunden, der von Korsika nach Mallorca segelte. Kia bot sich als Matrosin an und wurde mitgenommen. "Ich bin mit Booten aufgewachsen", sagt sie.

Außer nach ihrer Musik ist die meist gestellte Frage an die junge Frau, was denn ihre Mutter zur Reiselust der Tochter sage. "Sie ist ein Hippie, ist mit mir schon um die Welt gereist. Sie ist glücklich, dass ich das mache, was mir mein Herz sagt." Ein klassisches Familienleben habe es bei ihr nie gegeben, Vater, Mutter, Kinder. Kia ist in einer Art Hippie-Kommune aufgewachsen, wurde von verschiedenen Menschen in ihrem Umfeld erzogen.

Ebenso leicht wie die Entscheidung zu reisen fiel ihr die Wahl des Instruments, das sie zum Großteil selbst gebaut hat: Das Instrument habe sie gefunden. "Ich habe einen starken Willen, wenn ich meine, dass etwas geschehen soll. Und ich habe Freunde und alle möglichen Leute in meinem Umfeld gefragt, wie so etwas geht." Im Übrigen sei das Banjo einfacher als eine Geige oder Gitarre zu bauen. Die Tatsache, dass sie gar kein Banjo spielen konnte, störte Kia auch nicht. Gelernt hat sie es auf ihrer Reise.

Helfen kann ihr das Banjo freilich nicht, wenn es mal brenzlig wird oder ihr jemand Schlechtes will. Da vertraut Kia auf ihren Instinkt. "Ich war an vielen Orten, wo mir Leute geraten haben, dort nicht hinzugehen. Es ist nie etwas passiert. Aber ich lehne auch einen Übernachtungsplatz ab, wenn ich es nicht fühle", sagt sie. Gläubig sei sie aber nicht, eher spirituell. Es könnte ein Engel sein, der sie beschützt.

Die Frage nach der Zukunft treibt sie momentan noch nicht um. "Ich lebe meinen Traum, ich lebe in der Gegenwart. Ich glaube, ein festes Ziel im Leben zu haben, hilft nicht wirklich weiter. Ich glaube, einfach immer sein Bestes im Jetzt zu geben, das ist der beste Weg." Auf Mallorca wird sie noch etwa einige Wochen bleiben, aber vor ihrem Geburtstag im Oktober wieder zurückfliegen. Dennoch steht fest, dass sie wiederkommen wird. "Ich fühle mediterran, das kristallklare Wasser, die Berge, die wüstenartige Landschaft, ich liebe es." Das mag auch an den italienischen Wurzeln ihrer Mutter liegen.

Allerdings sei das Leben als Straßenmusikerin in Europa schwieriger. In New Orleans sei es normal, dass einem Leute Geld geben, sagt sie. Doch in den fünf Minuten, die sie vor der Kamera spielt, gibt ihr eine Frau einen Euro, ein anderer kauft ihre CD. Sie wolle durch ihre Lieder mit den Leuten in Kontakt treten, sagt sie. Es scheint zu funktionieren.

Wie lange sie so ein Leben noch führen wird, weiß Kia natürlich noch nicht. Warum auch, sie ist glücklich, auch ohne festen Freund und dauerhafte Beziehungen. Das sei der Preis, den sie für ihr Leben zahlen müsse. "Ich weiß, dass ich mich ändern werde, aber wann, darüber mache ich mir keine Gedanken."