Für eine Mallorquinerin, die mit dem Meer aufgewachsen ist, war das Meer dann doch die größte Überraschung. "Wir kamen abends an und ich stieg auf den Deich und sah die weite Wasserfläche. Aber am nächsten Morgen war das Meer fort, verschwunden, einfach weg ..."
Auch Wochen nach dem Erlebnis ist Apolonia Ferrer der Überraschungseffekt anzumerken, den ihr die Nordsee Ende Juli bereitet hatte. Natürlich weiß die Polizistin, dass es im Atlantik und den angeschlossenen Gewässern Ebbe und Flut gibt. Aber den Tidenkontrast erstmals mit eigenen Augen zu sehen, das ist dann doch ein besonderes Erlebnis. "Das Meer - das war das Erstaunlichste!"
Dementsprechend war eine Kutschfahrt im Wattenmeer von Duhnen zur Insel Neuwerk der Höhepunkt der Reise. "Unglaublich! Wie wenn man von Colònia de Sant Jordi mit dem Pferd nach Cabrera übersetzen würde!"
Für Ferrer und ihre Tochter im Teenageralter war Deutschland absolutes Neuland. Die beiden waren dort mit 19 Mallorquinern unterwegs. Die hatten sich mindestens schon einmal über den Rhein in teutonisches Siedlungsgebiet vorgewagt. Wenn auch nicht gänzlich ungewappnet: Mit immerhin neun Wohnmobilen waren die Insulaner aufgebrochen, die friesischen Deiche zu erstürmen.
Die Anfahrt hatten die meisten Teilnehmer indes individuell organisiert und sich unterschiedliche Routen durch Frankreich, Benelux und Deutschland gesucht. Fest stand nur: Treffpunkt ist am 23. Juli in Norddeich bei Norden. Von dort tourten die weißen Wohnmobile als Karawane über Jever, Bremerhaven, Cuxhaven und Stade bis nach Hamburg.
"Als wird bei Leer nach Ostfriesland gelangten, da war ich begeistert von den schnuckeligen Häusern, die alle eine andere Farbe hatten", schildert Ferrer. Die Landschaft war flach, die Orte sauber und gepflegt. Sie habe gespürt, dass die Deutschen ein viel ausgeprägteres Umweltbewusstsein haben. "Obwohl dort die Sonne viel weniger scheint als bei uns, findet man auf den Dächern der Häuser viel mehr Solaranlagen." Und immer wieder die hohen Bäume, etwa im Schwarzwald. "So viel Wald, so viel Grün, das ist wunderschön!"
Auch sprachlich erlebte Ferrer, die mit ihrer Tochter im Wohnmobil einer Freundin und deren Tochter mitfuhr, Überraschungen. Beim Bäcker, im Gasthof, an der Tankstelle, in den Tante-Emma-Läden - wo immer sie ihr rudimentäres Englisch hervorkramte; die Deutschen beherrschten es letztendlich noch weniger als sie, stellte Ferrer fest. "Eine wirkliche Unterhaltung war kaum möglich." Doch wo auch immer sie sich als Mallorquinerin outete, war das wie ein Türöffner: "Ah, Mallorca?!, hieß es staunend. Wer selbst nicht auf der Insel gewesen war, kannte mindestens einen, der schon einmal dort geurlaubt hatte."
Reisen im Wohnmobil ist Zusammenleben auf engstem Raum. Man kommt sich sehr nah, wie in einer Familie, sagt Ferrer. 4700 Kilometer in vier Wochen habe sie auf diese Weise mit ihrer Freundin und den Kindern verbracht. Und würde es wieder tun. "Diese Art zu verreisen hat mir sehr gut gefallen."
Wobei das Zusammensein im Wohnwagen nicht jedermanns Sache sein muss, weiß Luis Catalán, langjähriger Vorsitzender des Wohnmobilvereins auf Mallorca. Verreisen im Haus auf vier Rädern mache deutlich, welche Partner zusammen passten. So sei es vorgekommen, dass Eheleute sich nach einem Urlaub im Wohnmobil trennten oder langjährige Freunde nach der Rückkehr kein Wort mehr miteinander wechselten.
Doch für ihn und seine deutsche Frau, Diana Glock, sind die Vorteile des Wohnmobil unerreicht. Man führe seinen Hausstand unkompliziert mit, sei flexibel und unabhängig, ohne Terminzwänge, wie sie bei Flügen, Hotel- und Mietwagenbuchungen anfielen. Man sei frei in der Wahl der Route, der Zeit, der Landschaft. "Du lebst den Moment."
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