Manchmal sind es winzige Zufälle, die über ein ganzes Leben entscheiden. "Ich flog oft mit Ramón Franco, aber an jenem Tag hatte ich einfach Glück, dass ich nicht zum Dienst eingeteilt war", sagt Matías Barceló, 96, Kriegsveteran und Rentner in Palma.
Die Rede ist von jenem Oktobertag im Jahre 1938. Damals startete Ramón Franco von Port de Pollença aus mit einem Wasserflugzeug zu einem Einsatz. Der spanische Flugpionier, der 1926 mit dem Dornier-Wasserflugzeug "Plus Ultra" die erste Überquerung des Atlantik von Spanien nach Lateinamerika absolviert hatte, war seit knapp zwei Jahren Kommandeur der Luftwaffe auf Mallorca. Auf diesen Posten war er - widerstrebend - von seinem Bruder gehievt worden: Jenem "Generalísimo" Franco, der 1936 mit seinem Militärputsch den Spanischen Bürgerkrieg ausgelöst hatte.
Für Ramón Franco war es ein Flug in den Tod. Die Maschine stürzte zwischen Mallorca und Menorca ins Meer, neben dem Bruder des "Generalísimo" Franco kamen zwei weitere Besatzungsmitglieder ums Leben.
Der Tod der Fliegerlegende ist eines der Mysterien der spanischen Zeitgeschichte. War es ein Unfall oder Sabotage? Ein Racheakt von Anhängern der Republik? Oder gar eine Verschwörung rechter Militärs? Das ist Romanstoff, wie er etwa vom mallorquinischen Schriftsteller Miquel Ferrá verarbeitet worden ist.
Matías Barceló ist das hohe Alter von fast einem Jahrhundert kaum anzumerken, wenn er ins Erzählen kommt. Er sitzt in einem cordgelben Fernsehsessel, auf dem Sofa neben sich hat er eingerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien platziert, mit der Hand verweist er auf die Aufnahmen, die er vor 70 Jahren aus dem Flugzeug aufgenommen hatte.
Acht Jahre - von 1936 bis 1944 - war der Mallorquiner beim Militär, inklusive der drei Jahre Bürgerkrieg. "Ich hatte Glück. Ich habe in all diesen Jahren weder einen Schuss abgeben müssen, noch bin ich je beschossen worden."
Geboren 1915 im Palmas Fischerviertel Santa Catalina, begann Barceló mit 16 eine Lehre in einem Fotogeschäft. Als der Krieg ausbrach, war der junge Mann 17, bald schon wurde er zum Militär eingezogen. Das Losverfahren wies ihn der Luftwaffe zu, als er dort eintraf, wurde ein Fotograf benötigt, der Luftaufnahmen anfertigen sollte. "Ich wurde nach Port de Pollença abkommandiert. Dort gab es kaum etwas. Ich musste aus dem Nichts ein Fotolabor aufbauen."
Die Militärbasis in Port de Pollença war bereits zu Zeiten der Spanischen Republik mit einer winzigen Einheit gegründet worden. Doch der offizielle Beginn des Standortes wird mit dem Beginn der Bauarbeiten auf den 20. Februar 1937 datiert. Ramón Franco hatte zuvor die Insel in Augenschein genommen und sich dann für die Bucht von Pollença entschieden. Die hohen Berge halten Sturmwinde ab und sorgen für ruhige See, ganz so, wie es die Wasserflugzeuge für Starts und Landungen benötigen.
Juan Antonio Sánchez ist gegenwärtig einer der Presseoffiziere der Militärbasis in Port de Pollença. Nach mehreren Monaten Dienst in Afghanistan erscheint ihm das friedliche Mallorca wie eine Traum-idylle. Auf dem Militärgelände führt er durch stattliche Kieferalleen an Militärgebäuden vorbei, die zum Teil im Stile mallorquinischer Sommervillen errichtet worden waren.
Weiter geht es zu den Hangars und einer gigantischen Betonplattform, die über eine abfallende Rampe im Meer endet. Hier werden noch heute Wasserflugzeuge an Land gebracht, um sie zu überholen. Eine moderne Auffangvorrichtung, die immer wieder Fachbesucher aus anderen Teilen der Welt anlockt, verhindert, dass Öle und Treibstoffe ins Meer gelangen.
Es ist kaum bekannt, dass die Militärbasis im Norden der Insel das Ausbildungs- und Trainingszentrum für die Brandbekämpfer in ganz Spanien ist. Vor allem in den Wintermonaten kommen Löschflugzeuge samt ihren Mannschaften nach Pollença, um hier das Betanken mit Meerwasser sowie dessen Anwurf auf Waldbrände und Buschfeuer zu üben. Neben den "Fire-Fightern" sind in der Basis mit ihren 70 Soldaten auch Einheiten des Seenotrettungsdienstes und der Guardia Civil stationiert.
Von hier aus startete Ramón Franco zu seinem letzten Flug. "Er war nicht unsympathisch, ganz im Gegenteil", erinnert sich Matías Barceló an seinen einstigen Kommandanten. Von den Verschwörungstheorien hält er nichts. "Es gab einen Sturm, den ich in der Basis miterlebte..." Tatsächlich soll die Witterung zum Zeitpunkt des Absturzes ungünstig gewesen sein.
Auch seine eigenen Einsätze hat Barceló noch lebhaft in Erinnerung. Der Aufklärungsfotograf musste sich im Flug, mit einem Riemen gesichert, aus der Kanzel herauswinden. "Die Kamera allein wog 15 Kilo, und so ein Flugwind setzt einem bei Tempo 200 ganz schön zu..."
Später konnten die Kameras von innen bedient werden. Matías Barcelós Fotos zeigen die Bucht von Pollença mit zahlreichen Wasserflugzeugen, die ähnlich wie Boote an Ankerbojen festgemacht hatten und auf ihren Schwimmern trieben. Auch Flugzeuge der Legion Condor befanden sich darunter. Allerdings waren die Deutschen abseits stationiert. Zu ihnen habe es so gut wie keine Kontakte gegeben.
Matías Barceló hatte das Glück, im Krieg seinem zivilen Beruf nachgehen zu können. Nach dem Militärdienst arbeitete er Jahrzehnte als Porträtfotograf in Palma. Jetzt wurde er noch einmal in die Kaserne gerufen. Als ältesten lebenden Ex-Angehörigen ehrte ihn die Basis mit einer Porzellanplakette.
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