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So machen kleine Aufmerksamkeiten nicht nur die Empfänger glücklich

Letzte Woche hatte ich mal wieder eine Supervisions-Stunde. Das ist für Therapeuten eine wichtige Angelegenheit. Es geht darum, dass ein speziell ausgebildeter Kollege zusammen mit dem Therapeuten die eigene Arbeit betrachtet, bewertet, manchmal auch neue Ideen einbringt, wenn der Prozess mit dem Klienten dies erforderlich macht. Ich finde Supervision absolut wichtig, um professionell arbeiten zu können. Nach einer mehr als bereichernden Stunde teilte mir meine Supervisorin mit, dass sie keine Rechnung stellen würde. Sie hätte heute einen Tag der Freundlichkeiten, was bedeute, dass sie, was immer ihr spontan einfällt tut, um anderen Menschen eine Freude zu machen. Ich war erstens überrascht, zweitens dankbar, drittens von der Idee begeistert.

In einer idealen Welt bräuchten wir solche Tage natürlich gar nicht, da wir immer spontan freundlich zueinander wären. Die Realität sieht (zumindest bei mir) leider oftmals anders aus. Im Alltag entgeht mir manchmal die Gelegenheit, einem anderen Menschen eine Freude zu machen. Ab und zu bemerken ich zumindest die verpasste Chance und nehme mir vor, beim nächsten Mal daran zu denken. Und wenn ich es tue, freue ich mich immer so sehr mit, dass ich mit all den verpassten Möglichkeiten nicht nur anderen die Freude vorenthalte, sondern auch mir selbst.

In Neuseeland und den USA singt man immer am 17. Februar ein Loblied der Höflichkeit. Denn dieses Datum begeht man in beiden Ländern als den sogenannten Tag der spontanen Nettigkeiten (dt. Tag der zufälligen Taten der Freundlichkeit). Dieser Tag ist bei näherer Betrachtung keine Einzel-Aktion, sondern fester Bestandteil einer ganzen Aktionswoche, der sogenannten Random Acts of Kindness Week, die von den Neuseeländern Josh de Jong, Marshall Gray, Megan Singleton und Reuben Gwyn im Jahre 2005 ins Leben gerufen wurde. Die Macher verweisen in diesem Zusammenhang gerne auch auf eine Reihe von psychologischen Studien, die gezeigt haben, dass solch nette Gesten sowohl für den Gebenden als auch den Empfangenden einen positiven Effekt haben.

Die Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky aus den USA zum Beispiel bat Teilnehmer an ihren Studien, sechs Wochen lang jeweils fünfmal pro Woche etwas Gutes für andere zu tun. Was das war, konnten sich die Teilnehmer selbst ausdenken. Sie spendeten zum Beispiel Blut oder Geld, erfreuten jemanden mit einem Besuch oder trugen einer Passantin eine schwere Tasche nach Hause. Ergebnis: Noch Wochen später waren diese Teilnehmer glücklicher als die Vergleichsgruppe, die nichts dergleichen tat. Am besten fühlten sich übrigens diejenigen, die alle fünf guten Taten der Woche an einem Tag konzentrierten. Und diejenigen, die sich immer wieder etwas Neues einfallen ließen.

Wenn Sie jetzt auch Ihre Freundlichkeit entdecken möchten, probieren Sie es doch einfach einmal aus und machen Ihr eigenes Experiment. Überlegen Sie sich, was Sie in den nächsten Tagen tun könnten, um jemand anderen glücklich zu machen oder ihm zu helfen. Nehmen Sie sich morgens vor, was Sie an diesem Tag tun wollen - und tun Sie es. Ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Tun Sie, was Ihnen liegt. Je besser Ihre gute Tat zu Ihnen passt, desto mehr werden Sie Ihre innere Freundlichkeit entdecken und die Befriedigung, die sie Ihnen verschafft. Oder zählen Sie einfach erst einmal eine Woche lang, wie häufig Sie am Tag spontan freundlich zu anderen sind. Schon das kann, so zeigen Studien, zu mehr Wohlbefinden führen. Glückliche Menschen sind auch dabei im Vorteil: Sie profitieren am meisten davon. Also vielleicht einfach einmal anfangen.

Wieso macht es glücklich, anderen eine Freude zu machen? Das wissen die Glücksforscher auch noch nicht genau. Als Gründe ziehen sie zum Beispiel in Betracht, dass man sich dadurch kompetenter fühlt. Oder dass sich dadurch die sozialen Beziehungen verbessern. Vielleicht entwickelt man auch generell eine positivere Haltung zu anderen, was wiederum freundlichere Gegenreaktionen fördert. Denn Großzügigkeit ist ansteckend. Wo Menschen beginnen, freundlicher zueinander zu sein, werden mehr und mehr auch andere Menschen sich freundlicher verhalten.

Offenbar wollen sogar schon Kleinkinder helfen. Darum sind viele Forschende heute überzeugt: Helfen ist uns in die Wiege gelegt. Ein Team des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig fand zum Beispiel heraus: Schon 18 Monate alte Kinder unterbrechen spontan ihr Spiel, um zu helfen. Sie heben heruntergefallene Stifte auf, zeigen auf einen gesuchten Gegenstand oder schieben Hindernisse aus dem Weg. Auch bei manchen Tierarten lässt sich Hilfsbereitschaft finden. Asiatische Elefanten trösten verängstigte Mitglieder der Herde. Schimpansen adoptieren Waisenkinder, und Ratten versuchen, gefangene Artgenossen zu befreien.

Schon Darwin hatte erkannt, dass kooperative Gemeinschaften besser florierten und mehr Nachkommen hatten als Gruppen, bei denen jeder sich selbst der Nächste ist. Das haben auch viele Experimente und Computersimulationen in den letzten Jahrzehnten überzeugend gezeigt. In solchen Gemeinschaften teilen Menschen ihre Ressourcen miteinander, sie handeln verantwortlich und sorgen dafür, dass keiner übervorteilt wird.

Was evolutionär so von Vorteil ist, muss in körperlichen Phänomenen verankert sein. Und das ist es. Denn Menschen sind auf Mitgefühl angelegt. Wir haben die angeborene Fähigkeit, die Gefühle anderer zu erkennen - spontan und automatisch. Gefühle können anstecken. Darüber hinaus sind wir mit unserer Fähigkeit zur Empathie in der Lage, die Gefühle anderer Menschen im eigenen Körper nachzuempfinden. Dazu hat uns die Natur mit sogenannten Spiegelneuronen ausgestattet. Wenn wir wahrnehmen, dass ein anderes Lebewesen leidet, werden in unserem Gefühl die gleichen Nervenzellen aktiv wie im Gehirn des Leidenden. Sehen wir jemanden, der sich freut, feuern auch in unserem Gehirn die Neuronen, die bei Freude aktiv sind. Deshalb macht Schenken so viel Spaß. Die Freude, die wir bereiten, spüren wir selbst. Ich muss jetzt aufhören zu schreiben, ich habe ein paar Ideen, um anderen (und mir selbst) eine Freude zu bereiten, die nicht warten können. Die geht's.