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Wie (gebetene) Gäste Abwechslung in unser Leben bringen

In Lindau, dem schönen Bodenseestädtchen, sagt man, es gibt zwei Arten von Wetter: Entweder es regnet oder man hat Besuch. Es ist interessant zu erleben, wie sich die Verwandtschaft oder der Freundeskreis vergrößern, sobald man bekannt gibt, dass man in ein Urlaubsgebiet umzieht. Wohl dem, der dann kein Gästezimmer sein eigen nennt. Dieser Umstand hilft ungemein dabei, die Zahl der interessierten Besucher auf ein Minimum zu reducuzieren. Die unerwartete Aussicht auf ein Lager im Wohnzimmer oder Büro, ein Klappbett oder eine Luftmatratze können schon einmal dazu beitragen, dass plötzlich die Flugpreise unerschwinglich werden, der Chef den bereits genehmigten Urlaub wieder zurückzieht oder ein anderer wichtiger Grund, der ach so große Sehnsucht nach einem Wiedersehen deutlich schmälert. Man könnte sagen, die Menschen, die mit Blick auf diese widrigen Umstände dennoch kommen wollen, sind die, denen es wirklich um den Kontakt zu ihren Gastgebern geht. Niemand kann ja etwas dafür, wenn diese eben in einem Haus oder einer Wohnung leben, mit Dachterrasse mit Blick auf den See oder gar auf Mallorca residieren.

Ja, wir kennen diese Situation natürlich auch und freuen uns mehr oder weniger das ganze Jahr über auf Anfragen von alten und neuen Freunden oder der Familie. Im Unterschied zum Leben in deutschen Urlaubsgebieten, kommen hier noch die Sprachbarriere der Gäste dazu und der Umstand, dass das Alltagsleben teilweise ganz anders oder zumindest erklärungsbedürftig ist. Seien es die Parkregeln (weiße, blaue und gelbe Markierungen auf der Straße), vor allem die sehr kostspielige Einfahrt in die sogenannten Acire-Zonen oder die allgemein übliche Handhabung, dass in Restaurants nur eine Rechnung pro Tisch erstellt wird, um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen, die bei Gästen gerne mal zu Ärger oder Verwirrung führen. So ist man nicht nur Gastgeber, sondern mutiert schnell noch zum Übersetzer für Sprache und Kultur.

Dass einige Gäste in ihrer Rolle plötzlich jegliches gutes Benehmen und die einfachsten Regeln des Zusammenlebens vergessen, wie beispielsweise die benutzte Kaffeetasse in die Spülmaschine zu räumen oder nasse Handtücher nach dem Duschen aufzuhängen, wollen wir mal als Einzelfälle verbuchen und hier nicht weiter erwähnen. Richtig schwierig wird es dann, wenn der Besuch seinen Urlaub plant und in der Saison kommt, der Gastgeber selbst aber arbeiten muss. Dann prallen gerne mal zwei Welten aufeinander. Der urlaubende Gast, der womöglich noch bespaßt und herumgefahren werden möchte und der von der Sommer-Hitze und den vielen Touristen auf der Insel (vielleicht sogar seinen eigenen) genervte Resident. Nicht selten zerbrechen in solchen Zeiten Familienbande, werden Freunde, wenn auch nicht zu Feinden, doch zu entfernteren Bekannten, die sich zukünftig gerne weiträumig aus dem Weg gehen.

Dabei kann der Besuch von Freunden und Familie ein wunderbares Erlebnis für alle Beteiligten werden, wenn ein paar einfache Regeln beachtet werden. Dazu schreibt die Welt auf ihrer Internetseite, wie man zum beliebtesten Gast aller Zeiten wird. Hier ein Auszug: Klären Sie vor der Planung Ihrer Reise, ob und wann es den Gastgebern wirklich passt. Nur weil die Flüge gerade günstig sind, muss das nicht heißen, dass es ein schöner Urlaub wird. Denken Sie an ein Gastgeschenk. Einfach kalkulieren, was ein vergleichbarer Urlaub kosten würde. Und sich nicht scheuen, mindestens den Wert einer Übernachtung in die gute Atmosphäre zu investieren. Oder gleich am ersten Abend auf ein pittoreskes, nicht allzu teures Restaurant zusteuern und die Rechnung an sich ziehen. Sollten die Freunde kein Personal beschäftigen (was zumindest in meinen Kreisen üblich ist), sollte man bei der üblichen Hausarbeit mit ran. Hier gilt es, sich möglichst schnell um etwas zu reißen, das man wenigstens halbwegs gerne tut. Einkaufen, Holzhacken für den Kamin, Pool säubern, was auch immer. Hauptsache, man leistet seinen Beitrag dezent und klaglos.

Rücksicht nehmen auf seine Gastgeber ist immer eine gute Idee. Und mit dem Smartphone zu daddeln gehört sich auch im Urlaub beim Abendessen einfach nicht. Gerade in den ersten ein, zwei Tagen ist es außerdem unhöflich, sich für einen Ausflug zu absentieren. Danach wiederum ist es durchaus taktvoll, den Gastgebern ihr Eigenheim mal für ein paar einsame Stunden zu überlassen. Das empfiehlt sich ohnehin spätestens dann, wenn sie andeuten, der Handyempfang sei unten im Dorf deutlich besser als im Haus. Der Gastgeber sollte niemals als Chauffeur missbraucht werden. Auch wenn bei den Freunden noch drei Extraautos in der Garage stehen (schöne Vorstellung, wie ich finde): Den Mietwagen sollte man sich nie sparen, ist er doch ein entscheidendes Symbol für die eigene Autonomie. Quasi eine Unabhängigkeitserklärung mit Pferdestärke.

Die Aufforderung: "Fühlt Euch wie zuhause", nicht allzu wörtlich nehmen. Man sollte versuchen, den Wohlfühlstandard seiner Gastgeber zu erkennen, und eine gewisse Anpassungsleistung erbringen. Das bedeutet leider auch, mit Frühaufstehern zu frühstücken. Und bei Veganern vegan zu speisen. Umgekehrt gilt für Vegetarier, die bei Fleischessern zu Gast sind, diesen nicht mit der Braterei von Sojageschnetzeltem und dem Pressen von Green Smoothies auf den Geist zu gehen. Generell ist es nett, die Dusche nicht als Sandkasten zu hinterlassen. Wenn der Gastgeber wiederholt gähnt, ist das ein dringliches Zeichen, das Wohnzimmer zu räumen – auch wenn man selbst gerade erst so richtig in Trinklaune ist. Für diesen Fall lohnt es sich, im Gästezimmer Vorräte anzulegen und einen Korkenzieher mitzubringen. Wenn man dann abends noch nicht genug hat, kann man es sich mit seiner Flasche im Garten gemütlich machen. Und vielleicht mal über sein Alkoholproblem nachdenken. Überhaupt gilt: Wer viel Wein trinkt, sollte ruhig eine Kiste nachkaufen.

Schließen möchte ich heute mit Benjamin Franklin, der gesagt haben soll: Besuch sei wie Fisch, nach drei Tagen fange er an zu stinken. Ich hoffe, dass meine geneigten Leser (Gastgeber wie Gäste) die heutige Kolumne mit einem Augenzwinkern lesen und wünsche Ihnen allen einen schönen Urlaub und eine gute Zeit.