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So verändern facebook, Instagram und Co. unsere Wahrnehmung und unser Verhalten

Ich glaube, ich bin süchtig. Süchtig nach der Beschäftigung mit den sozialen Medien, süchtig danach, jede Frage immer und sofort zu beantworten. Google wird's schon wissen. Süchtig danach, auf dem Laufenden zu sein. Das ist keine schöne Erkenntnis, scheint aber wahr zu sein. Es ist mir bewusst geworden, seitdem ich seit ein paar Tagen meinen Instagram-Account fast täglich mit Content (sprich: Inhalten) füttere.

Dabei geht es gar nicht darum, diese Kanäle nicht zu nutzen. Die sozialen Medien sind heutzutage eine wunderbare Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die mich vorher noch nicht kannten, sie auf meine Arbeit und meine therapeutischen Angebote aufmerksam zu machen. Und gerade hier auf Mallorca werde ich über facebook immer auf die neuesten Konzert-Ankündigungen oder lokalen Fiestas aufmerksam gemacht. Ich nutze diese Informationen als digitalen Veranstaltungskalender. So weit so gut.

Ganz und gar nicht gut ist die Tatsache, dass ich viel zu viel Zeit damit verbringe, die aktuellen Besucher-Zahlen, Likes und Kommentare zu prüfen, und zwar in sehr kurzen Abständen. Das ist weder effektiv, noch sinnvoll, da nach dem Absetzen eines Posts der Rest, sprich die Verbreitung, von selbst geschieht und die Resonanz sich naturgemäß auch nicht minütlich verändert. Auch erlebe ich mich manchmal dabei, wie ich relativ sinnbefreit durch die vielen, bunten Insta-Bilder und -Videos scrolle, ohne echtes Interesse zu haben an den Inhalten, geschweige denn, wirklich zu erfassen, um was es da geht. So geschieht es beispielsweise, dass ich zum dritten Mal das Filmchen einer jungen Dame anschaue, die sich mit nur einem Handgriff und in weniger als drei Sekunden eine Abendgarderobe-taugliche Frisur zaubert oder ein junger Mann mit einem Glas wahlweise gekochte Brokkoli-Röschen oder Kartoffelviertel zerdrückt, um sie dann weiterzuverarbeiten und damit am Ende einen zugegebenermaßen appetitlich aussehenden Snack herzustellen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich trage die Haare nicht so, wie die junge Dame und habe auch nicht vor, mein Gemüse zu zermatschen. Trotzdem schaue ich mir diese Filme an und scrolle weiter durch die bunte Welt.

Heute habe ich mich wieder daran erinnert, dass es vor geraumer Zeit einen Film zu diesem Thema "Das Dilemma mit den sozialen Medien" auf netflix gab (siehe auch MM 30/2022) und habe ihn mir noch einmal angesehen. Ich denke, dass ich nach Erklärungen für mein seltsames Verhalten im Umgang mit Social Media gesucht habe und ich bin fündig geworden. Der Film beginnt mit dem Zitat von Sophokles: "Nichts Großes hält ohne Fluch Einzug in die Welt der Sterblichen" - das ist direkt eine Ansage, die schon darauf hindeutet, dass wir es möglicherweise mit einer größeren Bedrohung zu tun haben, als uns bisher bewusst war. Es geht um Themen, wie: "Soziale Isolation durch den Gebrauch von Social Media" und den "Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und sozialen Medien". Dabei kommen einige ehemalige Mitarbeiter von google, facebook und andere zu Wort. Es heißt, dass etliche Funktionen der Apps ein gewisses Suchtpotenzial bei den Nutzern auslösen, das vermutlich zunächst nicht einmal beabsichtigt war, das aber auch nicht bekämpft, sondern womöglich weiter ausgebaut wurde und wird. So heißt es, dass die Geste des nach-unten-Wischens ähnliche Bereiche im Hirn aktiviert, als würde man an einem Glücksspielautomaten (einarmiger Bandit) den Hebel nach unten ziehen. Es wird eine Erwartungshaltung aktiviert, die entweder belohnt wird durch eine neue Nachricht, Bewertung oder ähnliches oder einen Geld-Gewinn oder eben nicht. Dieser Reiz veranlasst uns dazu, immer wieder die Geste auszuführen, bis wir unser erwartetes Ziel erreicht haben. Dabei verlieren wir nicht selten das Gefühl für Zeit und Raum und vor allem für den richtigen Moment, um damit aufzuhören.

Also ist das Suchtpotential beim Gebrauch von Social Media wirklich groß und wir alle sind aufgerufen, uns und unser Verhalten gut zu reflektieren und darauf zu achten, wann unser Konsum das normale Maß übersteigt. Letztendlich kann dieses Maß nur jeder selbst für sich bestimmen. Darum sollten wir ganz ehrlich zu uns selbst sein und uns fragen, ob uns das, was wir da tun (noch) gut tut oder ob wir eher einem inneren Zwang folgen, wenn wir das Smartphone gar nicht mehr aus der Hand legen können.

Der Film endet damit, dass die Protagonisten praktische Tipps geben, wie man sich vor dieser modernen Bedrohung schützen kann: Statt nur auf den Bildschirm, das Tablet oder Smartphone zu starren, sollten wir uns wieder auf unsere Werte, unsere Ziele und auf unser Leben konzentrieren. Alle Apps, die wir auch auf dem Computer nutzen können, sollten vom Smartphone gelöscht werden, damit sie nicht ständig und überall verfügbar sind. Wenn möglich, sollte man die berufsbedingte Nutzung von Social Media auf einen fest definierten Zeitraum begrenzen. In dieser Zeit können dann Posts abgesetzt oder Kontakte geknüpft werden. Deaktivieren Sie alle vibrierenden Benachrichtigungen über Infos, die gerade einfach nicht wichtig sind. 30 Minuten vor dem Zubettgehen sollten alle elektronischen Geräte aus dem Schlafzimmer verbannt werden. Achten Sie vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen darauf, den Konsum auf ein zu vertretendes Maß zu reduzieren, handeln Sie gemeinsam ein Zeitkontingent aus. Versuchen Sie, ins Gespräch zu kommen, aufzuklären und (altersgerecht) auf die Gefahren hinzuweisen. Interessanterweise geben viele Mitarbeiter in der Tech-Branche ihren Kindern keine elektronischen Geräte zur Nutzung sozialer Medien, manche sagen sogar vor dem Besuch der High School (mit ungefähr 16 Jahren) kein facebook und Co, so heißt es in dem Film.

Nur wenn wir unser Nutzerverhalten konsequent ändern, haben wir eine Chance, dass sich facebook, Instagram und die weiteren Technologie-Unternehmen eines Tages daran erinnern, wozu all diese Apps ursprünglich entwickelt wurden. Sie sollten Menschen verbinden, Wissen zugänglich machen und die ganze Welt vernetzen. Gäbe es für die Idee einen Like-Button, ich würde ihn drücken. In diesem Sinne.