Wer schon lange auf Mallorca lebt und den Blick nach Deutschland richtet, der kommt mitunter aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ist das noch die Bundesrepublik, wie man sie kannte, bevor man sich auf der Insel niederließ?
Die Debatte in der alten Heimat zur Corona-Pandemie und den Maßnahmen dagegen wirkt aus Inselsicht geradezu befremdlich. Die im Vergleich zu Spanien und Mallorca lächerlich niedrige Impfquote wirft die Frage auf: „Ja, was haben die in Deutschland bisher eigentlich gemacht?”
Gerne wird nördlich der Alpen über die vermeintlich planungsunfähigen Südländer gelächelt, aber längst haben es Mittelmeerländer wie Spanien und Italien vorgemacht, dass sie in Sachen Corona-Schutz rascher und effizienter agieren können als die angeblichen Organisationstalente.
Gerade auf Mallorca ist der Ernst der Lage der überwiegenden Mehrheit der Bürger stets bewusst. Man ist abhängig vom Tourismus. Darum möchte man eine sichere Destination bieten, für jene, die hier urlauben wollen. Aber man will auch Sicherheit für sich selbst und drängte darum schon früh auf Impfzertifikate und Kontrollen.
In Berlin und den Bundesländern verliert sich die Politik nach fast zwei Jahren Pandemie nach wie vor in Endlosdebatten über „2G”, „3G” und etwas mehr Impfdruck. Selbst vor neuen Lockdowns schreckt man nicht zurück, statt die Impfquote zu verbessern.
Auf Mallorca sind es die Unternehmen, die zusätzliche Impfpasskontrollen fordern, damit die Betriebe weiterarbeiten können. Hier hat 2020 jeder zweite Arbeitnehmer mit weniger als 950 Euro Monatsgehalt über die Runden kommen müssen, bei 28 Prozent der Beschäftigten waren es sogar weniger als 475 Euro! Auf der Insel weiß man, was es bedeutet, wenn die Wirtschaft pandemiebedingt stockt. Diskussionen um Impfanreize und Impfzwänge, wie sie anderswo gepflegt werden, gelten hier als Luxusproblem von Gesellschaften im Vollkasko-Dauermodus. Noch verstörender wirken gar die Straßenkrawalle gegen die Corona-Regeln in Rotterdam und Brüssel. Bleibt zu hoffen, dass zumindest solche Ausfälle Deutschland erspart bleiben.
Autor: Alexander Sepasgosarian
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