Mallorca ist eine Insel der Kleinst-Parallelgesellschaften. Ob Deutsche, Briten, Argentinier, Marokkaner, Kolumbianer und so weiter – jeder wurschtelt für sich herum, zusammen kommt man trotz der sehr eingeschränkten Geographie von Ausnahmen abgesehen nur eher zufällig, etwa im Mercadona-Supermarkt oder in der famosen Johannisnacht am Strand. So international die Insel auf den ersten und auch zweiten Blick scheint, auf so national miniaturhafte Weise geht es in Wirklichkeit in der Regel zu.
Was ja auch nicht verwundert, denn nur wenige beherrschen gleich mehrere auf der Insel geläufige Sprachen. Wenn sich unterschiedliche Kulturen auf osmotische Weise vermischen, dann geschieht das denn auch nur selten. Es passiert etwa dann, wenn wie am kommenden Wochenende wieder die Karnevalszüge durch und durch jeck durch die Dörfer ziehen.
Dann schlägt die Stunde der paar Hundert Bolivianer, die hier seit vielen Jahren leben und ansonsten kaum in Erscheinung treten. Dann erfahren auch deutsche Michel und mallorquinische Ensaimada-Esser, dass es in dem entlegenen Andenstaat Tänze, Bräuche und Regionen unterschiedlichster Art gibt ( siehe Seite 19 ). Und umgekehrt lernen Lateinamerikaner und Spanier, dass es sogar lustige Deutsche gibt ( siehe Seite 20 ). Oder wer hätte gedacht, dass ein gewisser Michael Bohrmann sein Leben hier lebt, der richtig spaßig drauf ist und auch bei einem fidelen Umzug in Boliviens brasilianischster Stadt Santa Cruz de la Sierra den von allen beneideten Zampano abgeben könnte?
Es ist Mallorca zu wünschen, dass das weiterhin parallelgesellschaftliche Dasein zumindest in groben Zügen aufgeweicht wird. Dann kann man hier unter Beweis stellen, dass die in Europa momentan wieder von verantwortungslosen Politikastern popularisierten Nationalismen nur eines sind, also nerviger Kokolores. Und dass eine friedlich-fröhlich-ungezwungene Verschmelzung unterschiedlicher Nationalitäten wunderbar möglich ist.
Autor: Ingo Thor
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