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Die einzelnen Schachzüge im Kampf um Katalonien werden zwar immer weniger verständlich, aber dennoch ist eine grobe Richtung erkennbar. Und die ist nicht mehr so verkehrt. Die Unabhängigkeitsbefürworter um den regionalen Regierungschef Carles Puigdemont werden keinen Sieg davontragen. Und es gibt sogar Anzeichen dafür, dass es zu einer langfristigen Lösung des Konflikts kommen könnte. Noch vor einer Woche sah das anders aus: Nach den Gewaltszenen am Tag des Referendums, das keines war, wähnten sich die Separatisten schon am Ziel. Sie waren ja die Guten, die Vertreter des Staates hatten Knüppel in der Hand. Auch internationale Beobachter baten um Vermittlung und Dialog auf Augenhöhe. Aber dann kam eine erstaunliche Wende. Am vergangenen Wochenende gingen Hunderttausende auf die Straße, die sich als Katalanen und Spanier zu erkennen gaben. Die bislang schweigenden Befürworter der Einheit wurden laut. Großen Anteil an diesem Outing hatte die Wirtschaft. Im Stundentakt verkündeten Unternehmen, große Unternehmen, dass sie ihren Sitz von Katalonien in andere Regionen verlegen würden. Man sagt den Katalanen einen sehr ausgeprägten Geschäftssinn nach. Man darf also davon ausgehen, dass diese Abwanderungswelle ihre Wirkung nicht verfehlt hat. Zum ersten Mal im Verlauf der "heißen" Katalonien-Wochen richtete sich der Fokus auf die verheerenden wirtschaftlichen Folgen einer wie auch immer gestalteten Abspaltung. Die Phalanx der Separatisten im katalanischen Parlament bröckelt bereits. Rajoy hat weniger Anlass denn je, vor Puigdemont zurückzuweichen, obwohl auch sein Tonfall im Ankündigen harter Maßnahmen am Mittwoch eher milde war. Sollte Puigdemont auf Krawall gebürstet bleiben, wird die Autonomie aus- und er abgesetzt. Das könnte natürlich zu Unruhen führen. Umso bedeutender ist die Nachricht vom Mittwoch, dass sich Rajoy und PSOE-Chef Sánchez auf eine Verfassungsänderung geeinigt haben. Sie könnte das Instrument sein, Katalonien und Spanien langfristig zu befrieden - und zusammenzuhalten. Autor: Bernd Jogalla