Alles digital – na klar, aber zu welchem Preis?
Dara Brady, Chief Marketing Officer von Ryanair, ließ bei der derzeit in Berlin stattfindenden Tourismusmesse ITB in Berlin keinen Zweifel daran, dass der Schritt unausweichlich sei: „Wir können damit viele hundert Tonnen Papier sparen, und das ist gut für die Umwelt.“ Fast 80 Prozent der Ryanair-Passagiere würden schon jetzt digital einchecken – warum also nicht den Rest gleich mitziehen? Schließlich gehe es nicht nur um den Umweltschutz, sondern auch um eine schnellere Abwicklung und bessere Kommunikation mit den Kunden.
Doch bei allem Innovationsdrang scheint Ryanair geflissentlich zu ignorieren, dass nicht jeder Passagier ein Smartphone besitzt – oder es überhaupt bedienen kann. Der britische Reise-Experte Eoghan Corry warnt bereits vor „absolutem Chaos“ an den Flughäfen, sollte die Umstellung wie geplant umgesetzt werden. Besonders ältere Menschen oder Passagiere mit Behinderungen dürften von der digitalen Bordkarte ausgeschlossen werden. Ein Argument, das Verbraucherschützer auf den Plan ruft: Die belgische Organisation Test-Achats wirft der Airline Diskriminierung vor und fordert ein Eingreifen der europäischen Behörden.
Palma de Mallorca: Das digitale Versuchslabor der Billigflieger
Am Flughafen von Palma de Mallorca, wo täglich bis zu 40 Ryanair-Flieger von und nach Deutschland starten, wird der radikale Digitalumbau besonders spürbar sein. Die Insel ist längst eine Hochburg für den Billigflieger, der hier wie ein Uhrwerk Touristen zwischen Berlin, Düsseldorf oder Frankfurt hin- und herbefördert. Die Szene am Gate könnte sich ab November dramatisch verändern: Statt hektischem Kramen in zerknitterten Papiertickets dominieren dann blinkende Smartphone-Displays – zumindest bei denen, die mit der Technik klarkommen.
Doch wer sich mit Touchscreen und QR-Code schwertut, muss tief in die Tasche greifen. Schon jetzt verlangt Ryanair satte 20 Euro für die „Wiederausgabe des Flugtickets“ am Schalter. Ab November 2025, wenn die Abschaffung endgültig ist, wird dieser Service mit einer saftigen Zusatzgebühr von bis zu 75 Euro belegt – ein wahrer Digitalisierungszuschlag, der sich kaum mit Umweltfreundlichkeit rechtfertigen lässt.
Ein Modell für die Zukunft – oder ein Ausschluss auf Raten?
Natürlich klingt die Vision von papierlosen Flugreisen auf den ersten Blick fortschrittlich. Die Lufthansa experimentiert ebenfalls mit digitalen Bordkarten, und auch Easyjet setzt längst auf den Check-in per App. Doch während andere Airlines ihre Kunden sanft an die digitale Hand nehmen, setzt Ryanair auf Zwang – und auf zusätzliche Gebühren für alle, die nicht mitziehen wollen oder können.
Der Billigflieger zeigt sich gewohnt unbeeindruckt von der Kritik. „Unsere Kunden erwarten günstige Preise, und die Digitalisierung hilft uns, die Kosten niedrig zu halten“, betont Brady. Doch ob das letzte Wort wirklich schon gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Verbraucherschützer wie Test-Achats werden wohl kaum locker lassen, und die ersten Klagen gegen die Abschaffung der Papiertickets dürften nur eine Frage der Zeit sein.
Während Ryanair sich selbst für seine Effizienz feiert, könnte der digitale Höhenflug für viele Passagiere am Gate im Chaos enden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Airline zumindest eine Notfalllösung bereithält – für all jene, die lieber ein Ticket aus Papier in der Hand halten, als mit dem Smartphone auf die nächste Flugverspätung zu warten.
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