Ein junger Mann mit Kapitänsmütze und in Badelatschen torkelt sichtlich angetrunken mitten über die Kreuzung nur wenige Meter von der „Schinkenstraße” entfernt, einer der wichtigsten Ausgehmeilen der Partyzone. Dort drängeln sich die Feierwütigen, die umliegenden Lokale sind voll besetzt. Männer aus Schwarzafrika versuchen, den überwiegend deutschen Urlaubern Sonnenbrillen, lustige Hüte oder gefälschte Fußballtrikots anzudrehen. Der Alkohol fließt in Strömen, Schlagerklänge liegen in der Luft. Am Strand uriniert jemand in hohem Bogen ins Meer. Es ist Montagnacht und an der Playa de Palma herrscht der übliche Sommerbetrieb.
Etwas aber ist anders. An der Uferpromenade reihen sich mittlerweile die schicken Bars und Restaurants aneinander, in denen man Cocktails und Fusion-Küche bekommt, statt Bierhumpen und Bratwurst. Viele der Gastro-Terrassen sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Es geht mittlerweile offenbar gediegener zu an der Playa de Palma. Auch auf der niedrigen Mauer, die den Strand von der Uferpromenade trennt. Normalerweise türmt sich hier um diese Uhrzeit meist schon der Müll, überwiegend Bierdosen und leere Flaschen. Dazwischen Erbrochenes und die eine oder andere Schnapsleiche. Davon ist nun nichts zu sehen. Die überwiegend älteren Herrschaften, die dort Platz genommen haben, lauschen einem Musiker und seiner E-Gitarre. Der eine wippt mit dem Fuß, der andere klatscht den Rhythmus mit und auch das eine oder andere Bier ist im Spiel. Wenn es so bleibt, werden die Mitarbeiter der Stadtreinigung hier nicht viel zu tun haben, wenn sie am nächsten Morgen ihre übliche Runde drehen.
An den kürzlich verschärften Benimmregeln aber liegt das gewiss nicht. Eigentlich sollte der Alkoholkonsum auf den Straßen der Playa de Palma mittlerweile der Vergangenheit angehören. So hatte es die Balearen-Regierung im Frühsommer beschlossen (siehe Seite 15). Allzu streng umgesetzt aber wird das Verbot ganz offensichtlich nicht. Keinerlei Hinweisschilder sind zu sehen. Nicht eine Polizeistreife lässt sich blicken. Lediglich der Alkoholverkauf in den umliegenden Supermärkten ist am Abend eingestellt, wie es bereits seit einiger Zeit vorgeschrieben ist. Stattdessen machen nun die fliegenden Händler gute Geschäfte.
Ein junger Mann schlendert mit einem blauen Eimer die Strandpromenade entlang. Dann beginnt er, mit ein paar Urlaubern zu feilschen. „Fünf für sieben”, sagt einer von ihnen. Der Verkäufer willigt ein und übergibt die fünf Bierdosen, für die er sieben Euro bekommt. Dann kippt er das Kühlwasser aus dem Eimer auf eines der Beete und macht sich davon. Durch eine zwielichtige Passage geht er schnurstracks Nachschub holen. Unterwegs trifft er noch seine Freundin, ebenfalls mit blauem Eimer. Das Auto parkt ein paar Straßen weiter. Er öffnet den Kofferraum, füllt Eiswürfel und Bierdosen nach, dann macht er sich wieder auf den Weg.
Die nahegelegene Polizeistation ist derweil verrammelt. Ein paar Schritte weiter steht eine Hüpfburg. Trotz fortgeschrittener Stunde tollen dort unter den zufriedenen Blicken ihrer Eltern zwei kleine Kinder herum. Auf dem hell erleuchteten Kunsthandwerkermarkt packen die ersten Händler ihre Waren zusammen. Ein Urlauberpärchen lässt sich Goldkettchen zeigen. Wie lange das neue Idyll an der Playa de Palma währt, muss sich allerdings erst noch zeigen – spätestens im Mai und Juni, wenn wieder das junge Partyvolk zu Abertausenden die Playa de Palma heimsucht.
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