"Wir kennen das Wort Krise seit wir zehn Jahre alt sind. Das ist für uns nichts Neues, doch jetzt erfahren wir am eigenen Leib, was es bedeutet“, sagt Clara Salom. Die 22-jährige Palmesanerin hat gerade ihr Jura-Studium in Madrid abgeschlossen. Den ganzen Sommer suchte sie eine Anstellung – ohne Erfolg. Sie wollte nach Australien gehen, um dort zu arbeiten. Doch aufgrund der Pandemie wurde das Visum ausgesetzt. „Das Virus hat uns viel genommen, es darf uns nicht auch noch die Hoffnung rauben.“
Auf Mallorca und in ganz Spanien scheint sich ein wirtschaftliches und soziales Problem zu wiederholen. Besonders die jungen Leute haben unter den Folgen der Pandemie zu leiden. Das war in den Jahren der Wirtschaftskrise im Land nicht anders. Auch damals hatten es besonders Menschen unter 25 Jahre auf dem Arbeitsmarkt schwer. Die Jugendarbeitslosigkeit klettert nun erneut in besorgniserregende Höhen.
„Es sieht düster aus“, sagt Sozialanthropologe Alejandro Miquel. Er ist Dozent an der Balearen-Universität und Experte für Identität, Migrationen und Arbeitskultur. „Die Uni-Absolventen strömen in einem Land auf den Arbeitsmarkt, der kaum aus Industrie, sondern zum Großteil aus Dienstleistungsgewerbe besteht.“ Die Unternehmen forderten gute Ausbildung, böten aber nur unzureichende Arbeitsbedingungen und -verträge im Gegenzug an. Junge Menschen, die bereits mit einer Firma verbunden seien, durch ein Praktikum beispielsweise, hätten zwar bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, „doch unsere Arbeitsmarktreform macht Entlassungen sehr billig“.
Von den schlechten Arbeitsbedingungen kann Adrián Guerrero ein Lied singen. Er studierte Sport, arbeitet nun als Personal Trainer und trainiert die unteren Gruppen bei Real Mallorca mit. Damit verdient er kaum mehr als 800 Euro. Fitnessstudios und andere Sportanlagen stellen derzeit kein Personal ein, da die Kapazitäten aufgrund der Coronamaßnahmen auf die Hälfte reduziert wurden. „Sich in diesen Zeiten selbstständig zu machen, ist sehr schwierig. Doch die Leute wissen, wie wichtig Sport und ein gesunder Lebensstil sind, ich denke, der Sektor wird sich wieder erholen.“
Albert Ramón, Absolvent der audiovisuellen Kommunikation, hat zeitgleich studiert und gearbeitet. Jetzt ist er als Freelancer beim Fernsehsender IB3 beschäftigt und investierte in eine eigene Kameraausrüstung. „Wir alle wissen, dass Arbeitsplätze nicht an unsere Tür klopfen werden. Wir werden sehen, was in den nächsten Monaten geschieht. Die Ungewissheit ist da. Wir müssen alle etwas tun, um unsere Zukunft zu gestalten.“
So sieht es auch Rosa Marsillí. Sie studierte Schauspiel an der Hochschule für Darstellende Kunst in Palma. Im Oktober tritt sie mit dem Ensemble Ovnipresents in Algaida auf. „Wenn man einen Beruf studiert, in dem einem nicht alles zufliegt, lernt man früh, dass man sich um seinen eigenen Erfolg bemühen muss.”
Auf den Balearen waren im August 73.753 Menschen ohne Arbeit, das sind fast 90 Prozent mehr als im August 2019. Die Zahl der Erwerbstätigen lag bei 513.335, 13 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit ist massiv angestiegen – um satte 178 Prozent. Die Arbeitslosigkeit auf den Inseln lag im zweiten Quartal des Jahres 2020 bei den jungen Leuten unter 25 Jahren bei 46,8 Prozent. Im Vorjahreszeitraum betrug sie 33,6 Prozent, im Sommer 2019 hingegen lediglich 22 Prozent. Spanienweit beträgt die Arbeitslosenquote aktuell 15,3 Prozent. Hinzu kommt, dass viele junge Mallorquiner in befristeten Arbeitsverhältnissen stehen oder als so genannte „Fijos discontinuos“, als Saisonkräfte, beschäftigt sind.
2013 waren landesweit mehr als die Hälfte der jungen Spanier ohne Job. Es etablierte sich der Begriff der „Ninis“ (Ni estudia, ni trabaja), der für jene jungen Leute verwendet wird, die weder studieren noch arbeiten. In den Jahren der Wirtschaftskrise wanderten rund 134.000 junge Spanier aus. Jeder Zehnte von ihnen ging nach Deutschland. Doch die Auswanderung währte nicht lang, nach maximal vier Jahren waren die meisten wieder in Spanien. 2016 entstand gar die Rückkehrerorganisation „Volvemos“ (Wir kehren zurück). Mehr als 12.000 Menschen versuchten und versuchen über die Plattform, einen neuen Job in der alten Heimat zu finden.
Wird es in den kommenden Monaten erneut zu einer solchen Auswanderungsbewegung kommen? Derzeit sieht es noch nicht danach aus. „Denn sogar die Mobilität ist durch die Pandemie eingeschränkt“, sagt Alejandro Miquel.
3 Kommentare
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Nachdem es sich herumgesprochen hat dass das Risiko an Covid-19 zu sterben für unter 50 Jährige praktisch sehr gering ist, wird jetzt damit argumentiert, dass das Risiko für ältere Menschen >80 deutlich höher ist an den Folgen von Covid-19 zu sterben. Ich glaube, inzwischen haben wir vor lauter Covid-19-Panik eine sehr basale Tatsache vergessen. Der Mensch ist sterblich. Jeder von uns stirbt irgendwann, im Schnitt ist nach 81 +- Jahren das Leben zu Ende. Aber natürlich fallen wir nicht mit 81 alle tot um, das Sterben verteilt sich über die Jahre. Und es ist leider so, je älter der Mensch, umso häufiger der Tot. Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster und postuliere die These, dass für ältere Menschen fast alle Krankheiten weit gefährlicher sind als für Jüngere. Ich vermute auch, dass ältere Menschen öfter Vorerkrankungen mitbringen als Jüngere. Ich sehe also auch hier keine herausragenden Eigenschaften von Covid-19, die eine derart massive Beeinträchtigung unseres Lebens rechtfertigen würden, ich bin auch 69 Jahre und halte mich natürlich an die einfachen Regeln A-H-A aber man kann den jungen Menschen nicht noch weitere Einschränkungen auferlegen die schon jetzt Teile der Wirtschaft zerstört haben und die Zukunft der jungen Generation zerstören wird.
Ja, die Perspektiven für junge Menschen sehen nicht gut aus. Und schon gar nicht auf Inseln, die zu 100% vom Tourismus leben.
Ob manche der Jungen verstehen, dass Sie durch all zu sorglosen Umgang mit A-H-A Ihr eigenes Problem zumindest reduzieren könnten?