Das mallorquinische Modelabel "Convictus" hat in diesem Jahr auf
Mallorca Premiere gefeiert. Drei kluge Köpfe haben sich
zusammengetan, um, so erklärten sie den Journalisten, "etwas
Kreatives zu tun". Ihre Idee: Eine "intelligente" Kleidung, die
sich an verschiedene Stile anpassen lässt. Solche Nachrichten haben
Seltenheitswert. Mallorcas Motor ist der Tourismus, Sol y Playa -
Sonne und Strand - damit funktioniert die Inselwirtschaft seit
Jahrzehnten. Andere Wirtschaftszweige bleiben im Schatten der
Tourismusindustrie und haben Probleme, sich zu organisieren,
oftmals auch den alten, ländlichen Strukturen auf der Insel
geschuldet. So hat die Landesregierung den Versuch, die Dachmarke
"Producte Balear" für So-brassada, Ensaimada und Co. zu etablieren,
vor vier Jahren eingestellt. Es ist kein Geld mehr da und viele
Kleinunternehmer wollten sich ohnehin nur widerwillig mit
ungeliebten Konkurrenten in eine Marke zwängen lassen. Da spielen
Traditionen und ländliche Dickköpfigkeit eine Rolle.
Not macht zwar bekanntlich erfinderisch, aber Neuheiten haben es
auf der Insel nicht leicht. "Der Tourismus hat keine innovative
Kreativität, da wird eher einem Leader gefolgt", sagt Xisco Mateu,
Teilhaber der mallorquinischen Marketingagentur Kuatre. Aber es
kämen, so der Marketingprofi, viele kreative Köpfe hoch, die das
Tourismusunternehmen als Einstieg nehmen, Erfahrungen sammeln und
danach eigene Projekte entwickeln.
Wie die Agentur sssit: Deren vier Designer und Teilhaber Toni
Sorell, Micky Soler, Silvia Soler und Fernando Truyols haben vor
zwei Monaten "Mallorca loves You" gegründet. Die Idee: Souvenirs,
aber von hoher Qualität und stylisch durchdesignt. Ihr Geschäft im
alten Stadtpalast Can Armadans unweit der Kathedrale hat sich schon
als Geheimtipp für coole Souvenirs herumgesprochen, Touristen
lassen sich vor dem knallig pinken Werbeplakat vor den alten Mauern
gerne fotografieren. "I love... ist ja schon bekannt. Wir fanden es
interessanter zu sagen, Mallorca loves you, das ist doch eine viel
schönere Botschaft und lädt ein, wiederzukommen", sagt Micky Soler.
Unter dem Label gibt es Strand-aschenbecher, Regencapes die man in
einer Kugel transportiert, oder auch ganz einfache Teddybären mit
dem Logo. Der Wirtschaftskrise geschuldet, kostet kein Teil mehr
als 18 Euro. Geplant sei auch, die mallorquinischen Siurells neu
aufzulegen, die typischen schemenhaften Tonfiguren in Weiß. Der
Eintrag beim Markenamt läuft bereits. "Die Marken werden moderner",
sagt Soler. "Auch viele Tourismusfirmen flüchten aus dem ewigen
Sol-y-Playa-Image." Innovation sei eine Haltung - und die entdecke
er auf Mallorca.
Ende 2010 waren beim spanischen Patent- und Markenamt OEPM in
Madrid exakt 15.242 gültige Marken mit Sitz auf den Balearen
registriert, also abzüglich der Karteileichen. Die älteste Marke:
eine Niederlassung der Versicherungsgruppe AXA aus dem Jahre 1920.
Aus dem Jahr 1936 stammt die Keksfirma Quely (siehe Interview S.
21), die sich in den vergangenen Jahren einer Frischzellenkur
unterzogen hat und auch in Deutschland immer bekannter wird. Aus
dem Jahr 1944 stammt der Markeneintrag für das Milchmischgetränk
Laccao, das die Firma Agama produziert. Auswärtigen Konsumenten
kaum bekannt, ist es auf Mallorca Kult. Ein Youtube-Clip über das
Getränk kursiert neuerdings im Internet.
Eine moderne Marke von Weltrang trägt ihre ländliche Herkunft
sogar im Namen: Schuhe von Camper, dem mallorquinischen Wort für
Bauer. Im vergangenen Jahr wurden weltweit vier Millionen Paare
verkauft, in den Stores von Mallorca bis Asien arbeiten 500
Menschen. Das Spannungsfeld zwischen dörflicher Inselidylle und
weltweit anerkanntem Design ist eine der Antriebsfedern des
Unternehmens mit Sitz in Inca. "Außerhalb des Ambientes großer
Städte bekommen wir eine etwas andere Perspektive, um urbane
Produkte zu kreieren", sagt Campers PR-Manager Philippe Salva.
Aus einer alten Schuhfabrik hatte Lorenzo Fluxá im Jahr 1975 die
Marke "Camper" geschaffen. "Seit ihren Anfängen setzt die Marke auf
Authentizität und ihre mallorquinische Wurzeln. Der erste
Camper-Schuh ,Camaleon´ wurde vom Schuhwerk mallorquinischer Bauern
inspiriert. Die haben ihre Schuhe aus unbrauchbaren Lederresten,
abgefahrenen Gummireifen und Stücken von Sackleinen gemacht",
erklärt Salva. Im Jahr 1992 öffnete sich Camper dem europäischen
Markt mit Läden in London, Paris und Mailand, 2000 kamen die USA,
Asien, Australien hinzu, jüngst Läden in Russland und der
Türkei.
Sich immer wieder neu zu erfinden ist gar nicht so einfach, wenn
die Marke aus dem 19. Jahrhundert stammt und das Produkt aus der
Mode gekommen ist. Die Schwestern Juni und Marga Barceló führen
seit fast 30 Jahren die mallorquinische Brandy-Marke Suau. Die
Historie klingt wie aus einem Piratenabenteuer: Der mallorquinische
Kapitän Suau y Be-nassar gründet in Kuba die Bodegas Suau. Wegen
der Liebe zu einer Mallorquinerin schifft er seinen Brandy in
Fässern nach Mallorca. Der Tradition fühlen sich die Schwestern
Barceló bis heute verpflichtet. Gelagert wird der Brandy
ausschließlich in Holzfässern in den Kellern der Bodega in Pont
d'Inca und dort nach Bedarf entnommen. Der jährliche Ausstoß
beträgt 2100 Liter. Viel zu wenig, um langfristig profitabel zu
arbeiten. Und zu klein, um für einen großen Hersteller interessant
zu werden. "Vor neun Jahren kam die deutsche Firma Underberg. Aber
für die war unser Produktionsvolumen zu klein. Wir können maximal
auf jährlich 80.000 Liter kommen, ohne an Qualität einzubüßen."
Genau das wollen die Schwestern nicht. "Suau war immer ein Synonym
für Qualität und Hingabe. Das wollen wir nicht aufgeben", sagt Juni
Barceló.
Eine Lösung ist in Sicht: Dem aufwendig produzierten Brandy
haben sie in diesem Sommer unter der Regie ihres Sohnes David ein
neues Produkt hinzugefügt: Gin. "Der ist viel einfacher
herzustellen und gerade schwer in Mode." In Mallorcas Kneipen wird
der Suau-Gin bereits ausgeschenkt. Vielleicht liefert er eine neue
mallorquinische Erfolgsgeschichte.
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