4. August – Palmas Flughafen ist in den
vergangenen Wochen in das Visier von Diebesbanden geraten. Anrufe
und Leserbriefe zu Diebstählen und Raubüberfällen auf dem
Mallorca-Airport häuften sich in der Redaktion des MM.
Die Nationalpolizei, zuständig für die Sicherheit im
Flughafengebäude und dem Parkhaus, wiegelte auf MM-Anfrage ab:
"Alles im Rahmen, es handelt sich nur um saisonale Zunahme der
Delikte. Im Jahresvergleich gibt es keine Unterschiede." Jetzt
meldet dieselbe Behörde die Festnahme einer Dreierbande, die es
zusammen auf 157 Vorstrafen bringt.
Bislang werden Lazahri Z aus Algerien, Salvatore E. aus Italien
und Kenan B. aus Deutschland 15 Diebstähle am Flughafen zur Last
gelegt. Sie hatten sich offenbar auf ältere Reisende in Mietwagen
spezialisiert, die ihre Taschen auf dem Rücksitz stehen hatten.
Durch absurde Fragen nach dem Weg aus dem Flughafen lenkte ein
Komplize die Touristen ab, während ein anderer die Tasche vom
Rücksitz klaute.
Diebstähle sind an einem Flughafen wie Son Sant Joan mit bis zu
100.000 Passagieren an einem Tag in der Hochsaison keine
Seltenheit. Ungewöhnlich ist auf dem Flughafen von Palma in letzter
Zeit jedoch das Maß an Brutalität und Dreistheit, mit der die
Angreifer es auf das Hab und Gut der Passagiere abgesehen
haben.
Axel Lange gehört zu den bekanntesten Versicherungsunternehmern
Mallorcas, ein Vielflieger, der den Flughafen wie seine
Westentasche kennt. So etwas ist ihm in mehreren Jahrzehnten am
Flughafen aber noch nie passiert: "Auf dem Zebrastreifen kurz vor
dem Parkhaus fährt mir jemand mit voller Wucht in die Hacken."
Von Schmerz und Wut gepackt, dreht sich der 67-Jährige um und
schreit den Verursacher an. Der hört sich die Tirade etwa 20
Sekunden an und verschwindet dann plötzlich im Strom der Reisenden.
Lange wendet sich wieder seinem eigenen Rollwagen zu und sieht,
dass die neue Louis-Vuitton-Reisetasche fehlt, samt iPad und
diversen anderen Geräten. Den Verlust beziffert er auf einen
fünfstelligen Betrag.
Es erwischt nicht nur ältere, unsichere oder angeheiterte
Touristen, sondern auch erfahrene Vielflieger wie Monika Manthey
(Name geändert). Die Rheinländerin und ihr Mann besitzen eine
Wohnung im Norden der Insel, pendeln oft zwischen Düsseldorf und
Palma.
Das Ehepaar brachte am Morgen des 18. Juli um 7.30 Uhr den
Mietwagen von Hasso Rent-A-Car in den vierten Stock des
Flughafenparkhauses und wollte danach einchecken. Herbert Manthey
geht zum Kofferraum und holt das Gepäck. Monika Manthey steigt an
der Beifahrerseite aus und will gerade zu ihrem Mann gehen, als ein
anderes Fahrzeug laut hupend auf sie zufährt und kurz vorher
abbremst.
"Der Fahrer hatte einen seltsamen weißen Hut auf und blaue
Handschuhe an, er schrie uns in einer Sprache an, die ich nicht
verstand und gestikulierte wild."
Wie gebannt starren die beiden auf den exotischen Schreihals.
Nach wenigen Sekunden ist der Spuk vorbei und die Tasche auf dem
Rücksitz ihrer gemieteten A-Klasse verschwunden. Damit waren auch
ihre Kreditkarte, ihre Pässe und 1.500 Euro in bar weg.
"Ein Zweiter muss von der Fahrerseite aus die hintere Tür
aufgemacht haben", sagt Frau Manthey.
Sowohl sie als auch Axel Lange bekamen bei der Polizei Fotos
gezeigt, auf denen sie den Täter erkannten. Es sind alte Bekannte,
die am Flughafen operieren. Bereits im April hatte die
Nationalpolizei eine Bande gefasst, die sich auf Diebstähle im und
vor dem Abflugterminal des Flughafens spezialisiert hatte.
Einmal im Besitz der Beute, machten sie sich in einem vor dem
Flughafen parkenden Wagen aus dem Staub. "Meistens handelt es sich
dabei um einen Mietwagen, der unter falschem Namen angemietet
wurde", sagt die Sprecherin der Nationalpolizei.
"Ich habe mich wegen der Sicherheitssituation am Airport über
die Handelskammer schriftlich an den Vertreter der Zentralregierung
gewendet. Eigentlich stößt man dort auf offene Ohren", sagt Air
Berlins Spanien-Chef Álvaro Middelmann. Mallorca steche
diesbezüglich im Vergleich zu anderen Flughäfen nicht hervor, sagt
er. Aber Fälle wie die des Axel Lange kratzen am Image der
Urlaubsdestination Nummer 1.
Noch ungewöhnlicher ist der Fall des Musik- und Eventmanagers
Horst Zwipp. Ihm wurde eine Reisetasche am Kofferband geklaut,
innerhalb des Heiligtums jedes Flughafen, des Sicherheitsbereiches.
Ein leichter Stoß in die Seite, Umdrehen, und die Tasche war
weg.
"Am Band standen rund 350 Leute, es waren zwei von den großen
Fliegern gekommen", sagt Zwipp, der noch parallel auf seinen Hund
Balu aufpassen musste, damit aus Ganovensicht ein ideales Opfer
abgab.
Auch Zwipp ist ein Vielflieger, kennt den Flughafen bestens und
trotzdem ist er in die Diebesfalle getappt. "Kreditkarten,
Impfpass, Führerschein, Laptop, iPhone, iPod - Mich gibt es im
Grunde nicht mehr", zeigt der Schwabe Galgenhumor. "Wie kommen
diese Diebe in die Sicherheitszone", fragt sich Zwipp.
"Ich halte es für ausgeschlossen, dass sich die Diebe dort
einschleusen", sagt ein Sprecher der Guardia Civil, die für den
Sicherheitsbereich zuständig ist. Selbst vom Flughafenpersonal
hätte nur eine Handvoll Leute Zutritt in diesen Bereich.
Was der Guardia-Civil-Sprecher eher für wahrscheinlich hält:
"Die kommen mit Billigfliegern und konzentrieren sich auf die
Reisenden im Ankunftsbereich." Horst Zwipp kann sein Erlebnis
unterdessen immer noch nicht fassen. "Auch wenn du aufmerksam bist,
du hast einfach keine Chance."
Worauf die Diebe auch setzen: Die abfliegenden Passagiere haben
meistens keine Zeit, um eine Anzeige aufzugeben. Wer es trotzdem
tut, verpasst ziemlich sicher seinen Flug, überlegt sich zweimal,
ob der Wert der geraubten Ware eine Anzeige lohnt.
Die Beamten müssen überprüfen, ob das Gepäck wirklich geklaut
wurde, das kann dauern. "Es gibt Touristen, die haben ihre Koffer
verloren und wollen von ihrer Versicherung eine Entschädigung.
Dafür brauchen sie die Anzeige bei uns", erklärt die Sprecherin der
Nationalpolizei.
Monika Manthey verbrachte zwei Stunden auf der Wache im
Flughafen. Danach war der Flieger nach Düsseldorf weg. Für 174 Euro
buchte sie einen neuen Flug um 18.30 Uhr. Die Anzeige bringt ihr
jedoch wenig. "Mit dem Schaden stehe ich alleine da: Pässe,
Schlüssel, Führerschein."
Manthey will auch die Schlösser ihres Hauses in Deutschland
austauschen. Zu solch drastischen Maßnahmen sieht die
Polizeisprecherin aber keine Veranlassung. "Die Menschen, die hier
klauen, sind ausschließlich vor Ort aktiv. Da wird sich keiner die
Mühe machen und nach Deutschland fliegen."
Ein schwacher Trost. Monika Manthey will ihrer Lieblingsinsel
zwar treu bleiben, bestimmte Punkte am Flughafen künftig aber
meiden. "Das Parkhaus sieht mich nicht wieder. Lieber nehme ich ein
Taxi nach Palma und steige dort in den Mietwagen."
DIE TRICKS DER GANOVEN
Kofferband
Hier rechnet niemand mit Kriminellen. Für die lohnt sich dank
Billigfliegern auch schon mal ein Hin- und Rückflug, um in die
„heiligen Hallen” eines Airports zu kommen. In dem Gewusel am
Kofferband bedarf es keiner großen Ablenkungsmanöver, ein einfacher
Schubser reicht, um den Besitzer abzulenken und den Koffer vom
Rollwagen zu klauen.
Flughafengebäude
Der Rollwagen, das Standardtransportmittel für Gepäck, ist ein
perfektes Ablenkungswerkzeug. Wer dem Vordermann den Wagen mit
Schwung in die Fersen rammt, kann sich mit einem Versehen
entschuldigen. Die Ablenkung reicht, damit sich vorne ein Komplize
einen Koffer vom Wagen des gerammten Opfers schnappen kann. Auch in
diesem Bereich findet die verbale Ablenkung mit der Frage nach dem
Weg statt. Weniger schmerzhaft, aber genauso ärgerlich im
Resultat.
Mietwagen/Parkhaus
Wer sein Gepäck auf der Rückbank im Fahrzeug abstellt, gibt ein
potenzielles Opfer ab. Wie im Fall Monika Manthey: Während sie am
Kofferraum steht, rast ein Auto auf sie zu, hupt, lenkt sie ab.
Derweil nähert sich von der abgewandten Seite ein Komplize, öffnet
die Hintertür und holt die Tasche aus dem Fonds.
Ähnlich: Beim Fahrer fragt jemand nach dem Weg, lässt sich von
ihm die Ausfahrt zeigen. Derweil macht sich der Komplize an der
Hintertür zu schaffen. Tipp der Polizei: Verwicklungen in seltsame
Gespräche vermeiden. Wer einen ortsfremden Touristen nach dem Weg
frage, hege meistens andere Absichten. Kein Gepäck auf die Rückbank
stellen.
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