Am Ende werden es die Deutschen gewesen sein, die den Bikini
erfunden haben. Und das schon viel früher als der Franzose Louis
Réard, der seine Kreation 1946 präsentierte und sie nach dem
Atombomben-Testgebiet in der Südsee "Bikini" nannte.
Das Schwarz-Weiß-Foto auf der Titelseite dieser MM-Ausgabe
belegt, dass ein Vorgänger des Bikini-Oberteils, ein geknotetes
Tuch zum Bedecken der Brust, schon vorher auf Mallorca im Einsatz
war.
Es handelt sich um das bislang unveröffentlichte Foto einer
deutschen Inselresidentin, Sibille Esch, die in den 1930er Jahren
auf der Insel ihr Zuhause hatte. Die junge Frau, Jahrgang 1912, war
die Nichte von Paul Esch-Hörle, einem begüterten Duisburger, der
sich bereits 1923 mit seiner Familie in Sóller niedergelassen
hatte.
Die Aufnahme hat wie keine andere das Lebensgefühl der damaligen
Mallorca-Deutschen festhalten, bevor im Juli 1936, vor fast 75
Jahren, der Spanische Bürgerkrieg ausbrach und das Leben der
Mallorquiner sowie der Ausländer schlagartig veränderte.
Das Foto zeigt eine junge Frau, sitzend auf den Felsen unweit
des auch heute beliebten Ausflugs-ziels Na Foradada, jenem Loch im
Felsen an der Tramuntana-Küste. Sibille Esch ist sommerlich leicht
bekleidet, in ihren Händen hält sie den Familiendackel. Paul
Esch-Hörle, der als Privatier keiner täglichen Arbeit nachgehen
musste, hatte die Zucht der deutschen Teckel zu seinem Hobby
gemacht.
Die Familie liebte Wander- und Badeausflüge. Wenn sie Besuch aus
der Heimat erhielt, was häufig vorkam, wurden die Gäste in einer
Limousine über die Insel chauffiert, um die Schönheiten Mallorcas
erleben zu können.
Als Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, verließen viele
Deutsche ihre Heimat, aus politischen Gründen, oder weil sie sich
als Juden bedroht fühlten. Auch auf Mallorca stieg mit den
Neuzuwanderern die Zahl der Ausländer. Doch schon vorher hatten
Tausende Deutsche die Insel zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht.
1932 waren allein in Palma 3200 Deutsche gemeldet, die Zahl der
Winterurlauber aus Deutschland lag bei 9000. Höher war die Zahl der
Briten, hinzu kamen US-Bürger.
Die damaligen Residenten lebten als Kaufleute, Handwerker,
Gastronomen, Hoteliers, Künstler oder eben Privatiers auf dem
Eiland. Für sie hatte das Leben unter der mediterranen Sonne einen
ähnlichen Reiz wie für ihre Landsleute heute: Sie schwammen im Meer
oder trieben Sport. Neben Wandern waren Tennis und Golf in Mode.
Mallorcas erster Golfplatz eröffnete 1934 in Alcúdia.
1934 bestieg das deutsche Bruderpaar Hauf mit selbst gefertigten
Skiern den verschneiten Puig Major. In Palmas Nachtleben wurde
gefeiert, wie das wohl nur auf der Insel möglich ist. Angesagte
Bars waren etwa "Morisco", "Viktor's" oder "Mickey Mouse", wo zum
Teil deutsche Barkeeper wie "Charly", "Billy" und "Bobby" Cocktails
mixten.
Der "In-Italiener" seiner Zeit war seit 1923 Tito. Beim
Spaghetti-Servieren schmetterte der Mann Italo-Weisen. Wo einst
seine Trattoria war, befindet sich heute die gleichnamige
Diskothek.
Beliebt waren Jazzbands, die in den Tanzclubs rund um die Plaça
Gomila aufspielten, sowie sogenannte Apachen-Bälle, bei denen sich
die Gäste kostümierten. Moderne Frauen trieben Sport, rauchten
Zigaretten, zeigten in Sandalen rotlackierte Fußnägel, trugen kurze
Hosen und sorgten mit alldem für gehörigen Wirbel.
In dieses fröhliche Treiben schlug der Bürgerkrieg ein wie eine
Bombe. Viele ausländische Residenten, unter ihnen auch Sibille
Esch, wurden an Bord von deutschen Kriegsschiffen in Sicherheit
gebracht (siehe MM 11/2011).
So manche Deutsche, die in den 1930er Jahren auf der Insel fest
etabliert waren, sahen die neue Nazi-Regierung durchaus positiv.
Als Hitler nach dem Einmarsch ins entmilitarisierte Rheinland im
März 1936 eine seine plebiszitären Reichswahlen abhalten ließ,
durften auch die Mallorca-Deutschen mitstimmen.
Dazu wurde eigens ein Dampfer gechartert, der Urnengang fand auf
See außerhalb des spanischen Hoheitsgebietes statt und war ein
voller Erfolg für die Nazis - daheim, wie auf der Insel. Albert
Vigoleis Thelen schildert diese Episode in seinem Roman "Die Insel
des zweiten Gesichts".
Dass die Zeiten politisch alles andere als ruhig waren, deutete
sich in Palma bereits im Juni 1936 an: Bei einem Bombenattentat auf
das "Haus des Volkes", einem Kulturzentrum für die Arbeiterschaft,
das der mallorquinische Millionär Juan March 1924 finanziert hatte,
wurden sechs Menschen verletzt.
Die Täter wurden in rechtsextremen Kreisen vermutet. Zwei
tatverdächtige Falangisten kamen in Haft. Zufall oder nicht: Einer
der beiden Spanier trug den deutsch klingenden Namen Guillermo
Meyer.
Einen Monat später putschte General Franco gegen die spanische
Zentralregierung, und der Bürgerkrieg nahm seinen Lauf. Auch
Mallorca wurde zum Schlachtfeld, bei Manacor bekämpften sich das
Militär und ein Expeditionsheer vom Festland. Der franquistischen
Repression fielen Tausende zum Opfer. Von den Ausländern blieb kaum
jemand auf der Insel. Die Leichtigkeit des Seins, sie wurde
ausgelöscht ...
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.