Auf den ersten Blick ist Eduardo Arroyo ein
todernster Mensch. Erst ein wenig später offenbart sich sein Witz,
sein Humor. Bei vielen seiner Bilder ist es umgekehrt. Sie zeigen
gleich viel Ironie, und erst ein wenig später wird deutlich, dass
es sich um bit-terernsten Sarkasmus handelt.
Eduardo Arroyo (Madrid 1937) breitet mit der neuen Ausstellung
im Museum Es Baluard vor dem Betrachter ein ganzes Universum aus:
"Pintar la Literatura - Die Literatur malen" beschäftigt sich mit
der Interpretation von Büchern, den Bildern von Autoren und
Schriftstellern, mit Illustrationen, zeigt einige von Arroyos
eigenen Künstlerbüchern sowie Fotos seiner Theaterinszenierungen.
Insgesamt 193 Exponate.
Arroyo war zunächst Journalist und Autor, bis heute ist er
schriftstellerisch tätig. Ende der 50er Jahre begann er mit der
bildenden Kunst. "Literatur muss man malen, und Malerei muss man
schreiben", sagt der Kurator der Ausstellung, Marcos-Ricardo
Barnatán und rät, sich auf diese Weise den Arbeiten zu nähern: "Die
Ausstellung ist ein Streifzug durch die Literatur mit den Mitteln
der Malerei. Bilder müssen Geschichten erzählen. Wir müssen also
nicht nur hinschauen, sondern auch hinhören."
"Ich bin ein Maler, der schreibt", sagt Arroyo selbst. An das
erste Buch, das er gelesen hat, erinnert er sich nicht deutlich,
aber es hatte mit Märchen zu tun. Zurzeit liest er eine Biografie
über die Schriftstellerin Patricia Highsmith. Ansonsten sind heute
für ihn auch Zeitungen wichtig. Und immer wieder Gedichte. "In den
50er Jahren lasen wir vor allem amerikanische Autoren, die damals
in Argentinien verlegt wurden. In Spanien war das nicht möglich.
Wir gingen Hemingway oder Dos Passos Zeile für Zeile durch."
Später, im Pariser Exil, wurde er mit der französischen
Literatur vertraut, lernte die deutschen Exil-Literaten kennen.
"Flaubert und Stendhal sind mir vielleicht die wichtigsten", sagt
er.
Arroyos Malerei ist figurativ, narrativ, mit Einflüssen der
amerikanischen Pop-Art. Flaubert und Stendhal stellt er im Porträt
dar, mit je vier Aufdrucken "UPR": "Das war die Herstellerfirma von
Aspirin in Spanien. Wer die beiden Schriftsteller liest, muss
Aspirin nehmen. Der Kopfschmerz vor lauter Vergnügen ist jedem
sicher." Große Sympathien hat Arroyo für Literaten im Exil.
Immerhin hat er selbst zehn Jahre lang fern von Spanien, in
Paris, gelebt. Mit unglaublicher Meisterschaft hält er in seinen
Zeichnungen Walter Hasenclever, Stefan Zweig, Walter Benjamin,
Joseph Roth fest. Mit nur wenigen Strichen gelingt ihm die
Darstellung. Und James Joyce, immer wieder James Joyce, der fast
sein ganzes Leben im freiwilligen Exil verbrachte.
Voller Witz hält er Vladimir Nabokov fest, den Ausgewanderten,
der in zwei Sprachen schrieb. Und von sich sagte: "Meine Freuden
sind die stärksten, die ein Mensch haben kann: das Schreiben und
die Schmetterlingsjagd." So ist das Porträt des Russen der Leib
eines Schmetterlings: "Kriege gehen - Käfer bleiben, so hat Nabokov
einmal in einem Brief geschrieben", sagt Arroyo. Lolita ist in
seinem Aquarell auch als Weibchen schon auf dem Weg zur
Matrone.
Als Robinson Crusoe malt Arroyo sich selbst im Porträt - der
Mensch allein auf der Insel, verlassen, aber kreativ. Sonst würde
der Tod drohen. Für Federico García Lorca wählt er ein Fahrrad als
Symbol. Für Arroyo dient es dem von den Faschisten ermordeten
Dichter als Vehikel zur Flucht. Zur sinnlosen Flucht.
Casanova ist für Arroyo ein ewig Getriebener, und die verführte
Frau, die an ihrem Kummer stirbt, eines der Symbole für den Mythos
von Don Juan Tenorio und Doña Inés. Ihr sind in der Ausstellung
vier Skulpturen gewidmet: Weiße Büsten, rote Tränen - in rostigen
Käfigen gefangen.
Ironisch und bitter sind seine Adaptionen von Märchen. Der Wolf
ist ihm viel wichtiger als Rotkäppchen, Schneewittchens Zwerge
haben eindeutig erotische Absichten, Pinocchio ist und bleibt
hölzern, auch in der Bewegung. "Was mich betrifft, so habe ich mir
das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt", hat der
Schriftsteller José Luis Borges gesagt. Die gemalte Bibliothek des
Eduardo Arroyo ist ein Stück vom Paradies.
"Eduardo Arroyo - Pintar la Literatura",
Museum Es Baluard, Palma,
Plaça Porta Santa Catalina.
Geöffnet bis 22. Mai.
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