MM: Kritiker sagen, dass hier schon die Überkapazitäten
der Zukunft geschaffen werden ...
Bahn: Ich bin kein Hellseher, aber wenn man berücksichtigt,
dass pro Jahr erst ein Prozent der Deutschen eine Kreuzfahrt macht,
dann glaube ich, dass noch Luft nach oben ist. Wenn nichts
Apokalyptisches passiert, was ich nicht hoffe, dann ist das Ende
der Fahnenstange meiner Meinung nach noch lange nicht erreicht.
MM: Wie viele neue Kreuzfahrtschiffe sehen wir in diesem
Jahr?
Bahn: 2010 gab es ein Dutzend Jungfernfahrten, dieses Jahr
stehen neun, vielleicht sogar zehn Taufen auf dem Programm.
MM: Welche Rolle spielt Mallorca in der Welt der
Kreuzfahrt?
Bahn: Nicht nur wegen der guten Fluganbindung und der kurzen
Distanz zwischen Flughafen und Hafen ist Palma ein idealer Ort zum
Ein- und Ausschiffen. Mich haben auch schon mehrere Kreuzfahrten
hierher geführt.
MM: Wie fällt der Vergleich mit anderen Häfen aus?
Bahn: Es gibt sicherlich spektakulärere Destinationen. So
ist die Einfahrt nach Lissabon zum Beispiel beeindruckend. Oder La
Valetta, wenn man direkt an der Stadtmauer vorbeifährt. Hier in
Palma kommt man an - und ist plötzlich da. Ich glaube, die
Mallorquiner könnten, wenn das gewollt ist, die Kreuzfahrt noch
etwas mehr zelebrieren, als sie nur abzuwickeln.
MM: Es gibt immer wieder Überlegungen, die Luxusliner an
die alte Mole umziehen zu lassen. Sie lägen dann direkt vor der
Kathedrale, Passagiere könnten zu Fuß direkt in die Altstadt
schlendern ...
Bahn: Vom Ambiente her wäre das sicherlich toll. Aber in
Zeiten des Umweltschutzes muss man natürlich überlegen, ob die
Kathedrale damit gut bedient ist, wenn dort ständig große Schiffe
liegen und Schweröle in die Atmosphäre lassen. Das ist sowieso ein
Aspekt, an dem die Reedereien in Zukunft verstärkt arbeiten
werden.
MM: Nicht zuletzt als Herausgeber des jährlich
erscheinenden Kreuzfahrt-Guides beschäftigen Sie sich mit den
aktuellen Entwicklungen auf den Schiffen. Täuscht der Eindruck,
dass mit speziellen Angeboten auf einzelnen Reisen immer stärker
jeweils ganz gezielt eine bestimmte Urlauberklientel angesprochen
werden soll?
Bahn: Schon auf den Schiffen an sich wird stark
differenziert. Das ist auch gar nicht anders möglich, wenn man mit
2000 anderen Menschen gemeinsam Urlaub macht. Diese Differenzierung
läuft meistens über den Preis. Wer zum Beispiel den Wahnsinn des
Büfetts nicht mitmachen will, der muss sich seine Freiheit im
kostenpflichtigen Restaurant erkaufen. Ähnlich sieht es bei Spa-
und Wellness-Angeboten aus.
MM: Und dann gibt es noch diverse Spezialangebote wie
Touren für Schlagerfans, Gourmetwochen, Literaturreisen ...
Bahn: Ja, Themenreisen sind schwer angesagt. Zum Beispiel
Fahrten mit einem speziellen Kinderprogramm in Ferienzeiten.
Kreuzfahrt heißt heute nicht mehr, dass nur diejenigen mitfahren,
die es schon im Kreuz haben. Da hat sich mittlerweile ein
Drei-Generationen-Konzept entwickelt.
MM: Eine ganz besondere Themenreise ist der "Rockliner"
von und mit Udo Lindenberg. Sie beraten Panik-Udo bei diesem
Projekt. Wie kam es dazu?
Bahn: Die Idee stammt von Udo selbst. Er hat unsere
Kreuzfahrt-Guides ganz intensiv durchgearbeitet wie ich früher
Schulbücher und eines Tages per SMS mit mir Kontakt aufgenommen.
Wir haben uns dann mehrere Schiffe angesehen und die ersten beiden
Rockliner-Reisen mit "Mein Schiff" gemacht.
MM: Man hört immer wieder, dass sich heutzutage nicht nur
Wohlhabende eine Kreuzfahrt leisten können, sondern auch Urlauber
mit einem schmaleren Budget. Sind die Leistungen schlechter als
noch vor 20 Jahren oder wie funktioniert das eigentlich?
Bahn: Die Schiffe sind größer, haben mehr Kapazitäten. Ein
Schiff mit 2000 Passagieren kann andere Preise aufrufen als die
Europa mit 400 oder die Sea Cloud mit etwas mehr als 60. Außerdem
haben sich die Routen geändert. Wenn man 25-mal pro Jahr den
gleichen Ort anfährt, dann kann man mit Hafen und
Logistikunternehmen vor Ort ganz anders verhandeln, als wenn man
nur einmal vorbeikommt.
MM: Mit dem Start der ersten Aida 1996 sind nicht nur die
Preise in Bewegung gekommen, auch die Kreuzfahrt-Philosophie hat
sich verändert. Weg vom Krawattenzwang hin zu mehr Lockerheit. Nun
gibt es aber Menschen, die den Urlaub mit Smoking und Abendkleid
beim Captain's Dinner so richtig zelebrieren wollen. Findet man
diese "steifen" Schiffe noch?
Bahn: Ich würde nicht "steif" sagen, sondern von den
Klassikern reden. Und natürlich gibt es die noch. Zum Beispiel die
"Deutschland", die "Europa", die "Queen Mary 2". Als ich auf der
"Queen Mary 2" einmal in das Feinschmecker-Restaurant gehen wollte,
wo ich einen Tisch bestellt hatte, forderte der Kellner mich
höflich auf, mir erst im Bordshop eine Krawatte zu kaufen.
MM: Worauf sollte jemand, der sich nicht auskennt und zum
allerersten Mal eine Kreuzfahrt machen will, bei der Wahl des
Schiffes achten?
Bahn: Ich würde mit einer kurzen Schnupperreise beginnen,
von denen ja auch einige hier in Palma starten. Dann muss man sich
fragen, was man will: klassische Kreuzfahrt, eine Reise mit 2000
Miturlaubern, oder mag man bei entsprechendem Budget eher kleine
Schiffe? Die Frage der Seekrankheit ist auch ein Punkt. Hier
besteht bei den großen Schiffen kaum Gefahr, bei den kleineren
schon. Manche Schiffe sind in den Ferienzeiten sehr kinderlastig,
das kann ein Pro oder Kontra sein. Auf alle Fälle sollte man sich
intensiv informieren.
MM: Auf wie vielen Kreuzfahrtschiffen sind Sie schon
gewesen und mit wie vielen auch gereist?
Bahn: Ich schätze, ich war auf 50 oder 60 und bin mit 35
unterwegs gewesen.
MM: Zum Abschluss eine persönliche Frage. Mal angenommen,
drei Schiffe kommen für Sie in den Hafen von Palma, damit Sie sich
für eine Reise mit einem davon entscheiden. Welche Schiffe sollen
auf Sie warten?
Bahn: Aida, Mein Schiff und Sea Cloud 1 oder Sea Cloud
2.
MM: Und welches der Aida-Schiffe?
Bahn: Aida-Blu. Da ist eine Brauerei an Bord.
Mit Uwe Bahn sprach MM-Redakteur Nils Müller
ZUR PERSON
Uwe Bahn, Jahrgang 1958, ist Journalist, Autor und Moderator.
Seit einigen Jahren macht er vor allem als Reiseexperte von sich
reden, gilt als Spezialist für Kreuzfahrtthemen. Zusammen mit
Johannes Bohmann gibt der Hamburger den "Kreuzfahrt-Guide" heraus.
Die Ausgabe für 2011 ist vor wenigen Wochen erschienen (16'80 Euro,
ISBN 978-3-9810991-9-5). Seine Rundfunkkarriere begann Uwe Bahn
1984 bei NDR 2. Er moderierte verschiedene Formate, unter anderem
eine erfolgreiche Morningshow. Der Journalist ist auch in vielen
Sendungen der NDR-Fernsehens präsent, vor allem, wenn es um Reisen
geht. Zu diesem Themenbereich schreibt er auch für verschiedene
Medien. Als Moderator ist Uwe Bahn ebenfalls im Einsatz,
präsentiert zum Beispiel seit Jahren die "Nokia Night of the
Proms". 1996 hat Bahn auf Mallorca das Inselradio ins Leben
gerufen.
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