Die Suppe ist dünn. Verloren dümpeln
ein paar Wurststücke darin, Kichererbsen und dicke Bohnen. Aber sie
wärmt. Verkrampft umklammert ein alter Mann beim Löffeln die
dunkelblaue Plastikschale, presst noch das letzte bisschen
abgegebene Wärme in die schrundigen Handflächen. Den abgewetzten
Parka und die tief ins Gesicht gezogene Wollmütze hat er zum Essen
erst gar nicht ausgezogen. Wie eigentlich niemand in dem kleinen
stickigen Raum. Gierig wird gekaut und geschluckt, gesprochen nur
wenig. Keiner bleibt länger als zehn, 15 Minuten. Schließlich gibt
es höchstens Platz für 25 und die Warteschlange draußen wird immer
länger. Schon seit knapp einer Stunde stehen sie an. Haben sie doch
sehnsüchtig diesen Donnerstagabend herbeigesehnt. Dann gibt es ab
18 Uhr in der Suppenküche der "Asociación Zaqueo" an der Plaça
Mercadall in Palma warmes Essen.
Rosario, eine der rund 30 freiwilligen Helfer der
allgemeinnützigen Organisation, teilt an der Theke im hinteren Teil
des Raumes die Rationen aus: Suppe, ein Stück Coca de Trampo, ein
süßes Gebäck, eine Tasse warme Milch, eine Dose Cola. "Noch ein
Stückchen Brot?" Ihr Lächeln ist strahlend, kommt von Herzen. Und
wärmt mindestens genauso wie die heiße Brühe. Sie weiß: Wer hier um
Essen bittet, hat Zuwendung nötig. "Wir fragen nicht warum und
wieso. Wer jemand ist oder was ihn hierher geführt hat. Wir geben.
Jedem gleich. Wer hierher kommt, der braucht uns wirklich." Und das
werden immer mehr. Über 200 Essen werden mittlerweile jeden Abend
ausgegeben. Dreimal die Woche warm, die restlichen Abende werden
mit Sandwiches bestritten. "Die Situation ist prekär. Aber sie wird
immer schlimmer", sagt Paco Sans. Er ist der Begründer von Zaqueo,
rief die Organisation 1998 ins Leben. Damals noch als Suppenküche
für sozial Gestrandete, Drogenabhängige, Alkoholiker. Doch die
derzeit 92.049 Arbeitslosen der Inselgruppe verschieben
mittlerweile das Bild: Etwa 16 Prozent der Familien haben weniger
als 1000 Euro monatlich zum Leben. "Die Hälfte derer, die jetzt zu
uns kommen, sind einfach nur arm. Otto Normalbürger am
Existenzlimit." Sie bleiben nicht zum Essen, holen sich nur
Lunchpakete ab: Eine Tupperschüssel Bohnen, Milch, Kekse. Paco
lässt sie in einer separaten Schlange warten. "Wir versuchen sie
möglichst schnell zu bedienen. Es ist am Anfang sehr erniedrigend,
sich bei uns vor die Tür zu stellen. Das kostet eine unglaubliche
Überwindung." "Ich hab zwei Neue dabei!", eine junge Frau klopft
Paco vertraut auf die Schulter, hinter ihr stöckeln zwei Mädchen.
Unsicherheit im zu Boden gesenkten Blick. Scham. Schlotternd und
die Hände schützend um den Körper geschlungen, reihen sie sich ein.
Paco nickt nur kurz. Die Szene: alltäglich.
Exakte Statistiken gibt es bei Zaqueo nicht. Aber wenn der Topf
leer und die Bäuche noch hungrig sind, ist es offensichtlich, dass
die Zahl der Hilfesuchenden wächst. Und das rasant: "Im Vergleich
zum Vorjahr hat sie sich annähernd verdoppelt." Auch an diesem
Abend reicht das warme Essen nicht. "Dabei haben wir schon
Extraportionen einkalkuliert, weil der Tag so kalt war", sagt
Rosario und auf ihrer Stirn bildet sich eine Sorgenfalte. Gegenüber
jenen, die mit knurrendem Magen vor ihr stehen, lässt sie sich
nichts anmerken. Geht an die Toastvorräte, schmiert Stullen. "Wir
haben immer noch alle irgendwie satt bekommen", sagt sie leise.
Zaqueo finanziert sich allein über private Spendengelder. Viele
andere Hilfsorganisation unterstützen das Projekt mittlerweile.
Staatliche Hilfen gibt es nicht. Dafür Auszeichnungen: Die
Goldmedaille des Roten Kreuzes, den Premi Ramon Llull.
Die 38-jährige Antonia ist eine der Letzten, die noch eine
Plastikschüssel Bohnen ergattern kann. Langzeitarbeitslos. Der
62-jährige Pensionist Bernardo kommt mit seiner kleinen Rente nicht
über die Runden - seit zwei Jahren holt er sein Essen bei Zaqueo.
Der 49-jährige Juan aus Valencia hat seit 1978 als Kellner auf der
Insel gearbeitet, spricht gut Deutsch - aber niemand stellt ihn ein
und seine Arbeitslosenhilfe ist längst ausgelaufen. Jetzt ertränkt
er seine Sorgen in Alkohol. Aber wenn er abends zu Zaqueo kommt,
blüht er auf.
Er versteht sich gut mit Gerhard, einem 42-jährigen
Mallorcagestrandeten aus Schwäbisch Gmünd. "Sechs Jahre habe ich in
Deutschland Pech gehabt. Zwei Herzinfarkte. Und vom Arbeitsamt nur
1'50-Euro-Jobs. Am Ende hat mich dann noch eine Zeitarbeitsfirma
ganz derbe beschissen." Seit 2008 lebt er hier, arbeitete
anfänglich für eine Baufirma. Aber die sei schon lange Pleite.
Jetzt sucht Gerhard Alteisen - aber von den paar Euro kann er nicht
leben. Zaqueo hält ihn über Wasser. Gibt ihm und meist um die 40
weiteren morgens warme Milch mit Keksen aus, abends eine Mahlzeit,
nachts ein Dach über dem Kopf: Wenn die Armenspeisung vorbei ist,
wird der Raum zum Schlaflager für 15 bis 18 Obdachlose umgeräumt.
Auch duschen können sich die Menschen hier. "In den großen
Obdachlosenherbergen mit 50, 60 Personen würden sie nicht bleiben",
erklärt Catalina Cunill, Präsidentin der Organisation, "es mag
komisch klingen, aber die meisten bleiben lieber auf der Straße,
bevor sie in diese Massensäle gehen. Da lassen wir sie lieber hier
schlafen, bevor wir sie in der Kälte wissen." Soziale Hilfe, die am
Beamtenschreibtisch geplant würde, gehe nur allzu oft an den echten
Bedürfnissen vorbei. "Man lernt in dieser Arbeit eines ganz
schnell: Hier richtet sich keiner nach dir. Hilfe kommt nur an,
wenn du dich nach denen richtest, die sie brauchen." Wer die
Organisation mit Geldspenden unterstützen möchte - Sachspenden sind
aufgrund mangelnder Lagerräumlichkeiten nicht sinnvoll - kann dies
über folgende Bankverbindung tun: "Sa Nostra"
2051-0124-80-1038698755.
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