Mallorca hat Grund zu feiern. Der „Cant de la Sibil.la“, der
weihnachtliche Sybillengesang, ist in dieser Woche in die Liste der
Weltkulturgüter der Unesco aufgenommen worden. Insgesamt hatten
sich 77 Staaten mit 166 Kulturtechniken bei der
Weltkulturorganisation beworben: darunter der mallorquinische „Cant
de la Sibil.la“ in der „Noche Buena“, der Heiligen Nacht, einer der
Höhepunkte des kirchlichen Jahres.
Der Antrag auf diese Auszeichnung wurde durch den Inselrat im
April vergangenen Jahres gestellt. Im Namen der Bürger bedankte
sich die balearische Landesregierung beim Inselrat; der wiederum
bedankte sich bei der Diözese Mallorca für die langjährige
Unterstützung. Alles in allem aber sei, so der Kulturreferent des
Inselrates, Joan Font, die Aufnahme in die Liste der
Weltkulturgüter aber „all jenen zu verdanken, die jemals den
Sybillengesang gesungen haben“. Es gehe darum, so Font, eine
Tradition zu bewerten, zu bewahren und zu schützen.
Die Oberbürgermeisterin von Palma, Aina Calvo, sagte, Palma und
Mallorca könnten stolz sein.
Der Musikwissenschaftler Francesc Vicens kommentierte, besonders
in „Zeiten der Globalisierung ist es wichtig, ein Qualitätsetikett
für Mallorca zu haben”.
Die Sopranistin Cristina van Roy, die die „Sibil.la“ mehrfach in
der Kathedrale gesungen hat, erklärte: „Die Sibil.la zu singen ist
sehr bewegend.“ Joan Comas, der Koordinator der Singschule im
Kloster Lluc, würdigte die Auszeichnung als „Ergebnis jahrelanger
Arbeit“.
Das traditionelle Gesangsstück erklingt nur einmal im Jahr.
Immer vor der Mitternachtsmesse am Heiligen Abend. Die „Sibil.la“
singt seit dem 12. Jahrhundert in der Sprache Mallorcas, in
Mallorquín. Deshalb hob die Landesregierung die Sprache als
verwurzeltes Kulturgut hervor.
Wahrscheinlich kam der Sybillen-Gesang mit den Römern nach
Mallorca und wurde im Laufe der Jahrhunderte im Zuge der späteren
Christianisierung gelegentlich in den Ritus der Weihnachtsmesse
aufgenommen, nach der Rückeroberung von den Arabern im 13.
Jahrhundert als fester Bestandteil.
Früher war es nur Knaben gestattet, die „Sibil.la“ zu singen,
heute dürfen auch Frauen und Mädchen diese Rollen übernehmen.
Während des Gesangs sind sie in eine Tunika in hellblauer Farbe
gekleidet, tragen Kopfschmuck mit Bändern, und in der Hand ein
langes Schwert als Zeichen der Gerechtigkeit.
Weil der Brauch heidnischen Ursprungs ist, wurde er im 16.
Jahrhundert offiziell vom Bischof Pedro Manjarés de Heredia
verboten. Was niemand einhielt, auch wenn eine Zeit lang eine
schriftliche Erlaubnis der Diözese vorzuliegen hatte.
Der heutige Text hat acht Strophen mit Refrain, der vom
Weltgericht, von Jesus als König der Welt und von der Ehre der
Muttergottes erzählt. Seit Dezember 2003 steht der Gesang auf
Antrag des Inselrates von Mallorca unter Denkmalsschutz. „El Cant
de la Sibil.la“ ist so nur auf Mallorca zu hören. Man singt ihn in
Abwandlungen auch in der sardischen Stadt Alghero und in Onteniente
in der Provinz Valencia.
Übrigens: Das „l.l“ nennt man in der katalanischen Sprache „l –
geminada“, das Zwillings-„l“.
Für Spanien wurden außerdem der Flamenco und die katalanischen
Castells in die Liste der Weltkulturgüter aufgenommen. Weltweit
sind es die französische Küche, die Peking-Oper, die Echternacher
Springprozession, der Amsterdamer Grachtengürtel und die
chinesische Akupunktur.
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