Lange Zeit wurde Mallorca als
"Putzfraueninsel" bezeichnet. Der Grund: Die ersten Pauschalreisen
in den Kindertagen des Massentourismus waren so erschwinglich, dass
selbst schlecht bezahlte Putzfrauen sich ein paar sonnige Tage auf
dem Eiland leisten konnte. Was sie auch gerne taten. Das war in den
1960er und 70er Jahren.
Dann kam mit dem Ölschock die erste Krise des Tourismus, und
Mallorca versuchte sich zu wandeln, um eine zahlungskräftigere
Klientel anzulocken. Der "Qualitätstourismus" wurde aus der Taufe
gehoben. Der neue Begriff drängte den alten nach und nach in den
Hintergrund.
Noch mehr in Vergessenheit geriet die wenig schmeichelnde
Bezeichnung, als in den 1990er Jahren Jetset-Promis und
"Ballermänner" auf der Insel feierten. Daran konnte auch der 1996
verfilmte Roman von Milena Moser, "Die Putzfraueninsel" nichts
ändern. Wenn sich die Sonneninsel heute präsentiert, dann vor allem
als Golf-, Wander-, Nautik- und Radsport-Paradies.
Also Schluss mit putzig? Mitnichten: Auch heute noch ist
Mallorca in so mancher Hinsicht eine wahre Putzfraueninsel. In
Lateinamerika wird das Eiland per Mundpropaganda gerühmt für den
hohen Bedarf, den es an staubwedelnden und staubsaugenden Frauen
hat. Nicht nur wegen der vielen Hotelzimmer, die es hier auf
engstem Raum zu reinigen gibt, sondern auch wegen der vielen
Privathaushalte, die ohne "Putze" anscheinend nicht über die Runden
kommen würden.
So manche Lateinamerikanerin aus den Anden hat sich auf den Weg
gemacht, um auf Mallorca für Sauberkeit zu sorgen. Das Motiv ist
nicht der hiesige Schmutz. Vielmehr gelten die Löhne, die jenseits
des Atlantiks für Reinigungsarbeiten gezahlt werden, als
vergleichsweise hoch. In Palma kassieren die Haushaltshilfen
derzeit um die zehn Euro pro Stunde. Gute Putzfrauen sind heiß
begehrt und werden meist über Empfehlungen weitervermittelt.
Nach Angaben des Verbandes der Selbstständigen auf den Balearen
(CEAT) umfasst das Putzgeschwader mehr als 16.000 "Autónomos", die
in Privathaushalten schrubben, bügeln, waschen, wischen oder sich
als Hausmeister und Hausdame verdingen. Knapp 60 Prozent der
Arbeitskräfte sind Spanier, 40 Prozent stellen Ausländer, unter
ihnen eine Hundertschaft Deutsche.
5700 der Selbstständigen stammen aus Nicht-EU-Staaten. Die
Putzfrauen aus Bolivien, Ecuador und Kolumbien gehen jeweils in die
Tausend. Unter den putzenden Europäern sind auf Mallorca am
stärksten Bulgaren (409) und Rumänen (220) vertreten.
Verbandspräsident Josep Oliver macht auf eine besondere
Entwicklung aufmerksam: "Während in der Krise alle Branchen
Mitarbeiter reduzieren mussten, sind die Zahlen der Beschäftigten
in den privaten Haushalten sogar gestiegen." Vergleiche man die
jüngsten Daten, September 2010, mit denen vor drei Jahren, dann
haben sich 2138 Menschen zusätzlich als Putzkraft selbstständig
gemacht.
Für den privaten Personaldienstleister und Marktführer Adecco,
ist das ein Phänomen, das sich in ganz Spanien beobachten lässt: Da
im Zuge der Wirtschaftskrise Millionen von Männer ihre Jobs
verloren, gingen deren Partnerinnen, die sich bislang
ausschließlich um Kinder und Haushalt gekümmert hatten, nun
auswärts arbeiten, um die Haushaltskasse aufzubessern.
"Während 2009 rund 100.000 Hausfrauen ihr Heim verließen, um
Arbeit zu suchen, stieg die Zahl der Hausmänner um 42.000", heißt
es in einer Studie des Konzerns zum Krisenjahr 2009. Auf den
Balearen legte der Anteil der beschäftigten Frauen sogar über dem
spanienweiten Schnitt zu.
Jene Hausfrauen, die berufstätig werden, kommen fast
ausschließlich im Dienstleistungsbereich unter. Wer als ungelernte
Kraft keinen Job als Verkäuferin, Köchin oder Kellnerin ergattert,
wird in den meisten Fällen irgendwo stundenweise putzen gehen
müssen.
Manche ernähren mit ihrer Arbeit die gesamte Familie, sind sich
bewusst, was sie tagtäglich leisten. "Man zahlt mir wenig, das ist
so, wie es ist. Aber ich will, dass man mich mit Respekt behandelt,
wie einen Menschen", sagt eine Südamerikanerin. Sie sei kein Mensch
zweiter Klasse, nur weil sie putzen gehe.
Dass der Putzjob wahrlich kein Traumjob ist, bekennen selbst
jene Putzfrauen, die eine feste Anstellung mit Arbeitsvertrag in
der Tasche haben. "Wir sind schlecht bezahlt und nicht-existent",
sagt Justa Corral, Bereichsleiterin für die organisierten
Putzfrauen in der Gewerkschaft UGT, "man nimmt uns einzig dann
wahr, wenn irgendwo ein Papierkorb nicht geleert wurde." Nach dem
jüngst abgeschlossenen Tarifvertrag für Angestellte von
Reinigungsfirmen gibt es für Teilzeitkräfte 445 Euro Grundgehalt,
für Vollzeit 868 Euro, brutto in beiden Fällen.
Putzkräfte mit Tarifentgelt kommen in Behörden, Unternehmen,
Schulen, Kliniken, Flughäfen zum Einsatz. Nach UGT-Angaben
verdienen sich rund 5000 Menschen, 90 Prozent von ihnen Frauen, mit
Scheuerlappen und Putzeimer regulär den Unterhalt. Das sind etwa
1000 weniger als noch vor fünf Jahren. "Wegen der Krise wurden
viele Jobs gestrichen."
Dessen ungeachtet ist Putzen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Nach Angaben des spanischen Verbandes der Reinigungsfirmen (Aspel)
zählt die Branche eine Million Arbeitskräfte und erlöst 8'3
Milliarden Euro Umsatz im Jahr.
Wenn Justa Corral im Gewerkschaftshaus nicht ihre
Beratungsstunde hat, hetzt sie selbst von Bank zu Bank, um
Toiletten zu säubern, Böden zu wischen, Arbeitsflächen auf
Hochglanz zu bringen. Sie und ihre Kolleginnen bekommen am eigenen
Leib zu spüren, wie die Behörden und Betriebe sparen und den
Reinigungsfirmen die Aufträge reduzieren.
Die Kontingente werden heruntergefahren, die Arbeit auf weniger
Putzfrauen verteilt. "Sie sollen dafür um so schneller, besser,
effektiver putzen", kritisiert Corral. Das Arbeitsklima habe sich
extrem verschlechtert. "Wer zwei Minuten zu spät kommt, sieht sein
Gehalt gekürzt."
Bei den Putzeinsätzen müssen die Frauen mit immer neuen
Widrigkeiten kämpfen. Um die Energiekosten zu senken, stellen viele
Firmen außerhalb der Betriebszeiten die Lichter und Klimaanlagen
aus. "Es gibt Kolleginnen, die müssen die Büros im Dunkeln putzen,
weil sie das Licht nicht anstellen dürfen", sagt die
Gewerkschafterin. Im Sommer seien zudem viele Räume überhitzt.
"Putzen ist zum Teil schwere körperliche Arbeit. Wenn du dann nicht
einmal die Klimaanlage anstellen darfst, ist das eine Tortur."
Der Internationale Weltputzfrauentag? Davon hat Gewerkschafterin
Corral bis zu dieser Frage noch nie etwas gehört. Doch die Idee
findet sie hervorragend. "Für das nächste Jahr werden wir einen
Aktionstag organisieren."
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.