Beim Anblick der Blutreitzker
(Castellano: Rebollón/Catalán: Esglatasang) in der Auslage des
Olivar-Marktes kommt Felix Eschrich ins Schwärmen: "Dieser Pilz
braucht gar nicht viel, um zu wirken. Ordentlich Knoblauch, frische
Petersilie... Auch in Kombination mit einem Wachtelei und
gebratener Sobrassada ist er hervorragend." Prüfend lässt der
Küchenchef des Hotel Read's in Santa Maria, der ab Jahresende das
"Es Patí" in Sant Llorenç übernehmen wird, seinen Blick über die
orangefarbenen Pilze gleiten.
Dass viele an einigen Stellen grün-bräunliche Flecken aufweisen,
habe nichts mit ihrer Qualität oder Frische zu tun: Es seien Druck-
und Quetschstellen, an denen das zarte Gewächs beim Sammeln etwas
zu hart angefasst wurde, oxidierte.
Auf Mallorca hat die Pilzsaison begonnen - wenn auch noch etwas
verhalten. "Es war noch zu warm dafür, hat zu wenig geregnet. Aber
in den nächsten zwei, drei Wochen geht es richtig los", erklärt der
32-Jährige. Ist in Deutschland das ganze Jahr über Pilzsaison,
konzentriert sie sich auf der Insel auf die Monate Oktober bis
Dezember sowie März und April.
Viele der derzeit auf den Märkten angebotenenen Blutreizker
stammen aus der Gegend rund um Ávila - mit 19 Euro das Kilo sind
sie deutlich günstiger als die mallorquinischen, die gleich dreimal
so viel kosten. "Aber dafür schmecken die auch viel besser, weil
sie hier auf der Insel mit der Bodenbeschaffenheit und
Luftfeuchtigkeit nunmal beste Bedingungen haben." Rund 1300
Pilzarten wachsen auf den Balearen, davo
n über 950 auf Mallorca. Die meisten davon sind Speisepilze, nur
etwa 200 sind giftig. Gute Gebiete, um selbst sammeln zu gehen,
sind zwischen Andratx und Banyalbufar, Bunyola und Orient und rund
um Esporles, Puigpunyent und Santa Maria. Die Mallorquiner verraten
die Sammelplätze nicht gerne. "Fragt man nach guten Stellen, kommen
Antworten wie: 'Geh´ bei Alaró in den Wald'. Oder 'bei mir auf der
Finca wachsen viele.'" Wer auf Nummer sicher gehen will, streift
mit dem Körbchen darum lieber durch die Markthalle als durch die
Wälder. Allerdings ist auch hier Kennerblick gefragt: "Diesen
Steinpilz hier kann man komplett vergessen, der daneben dagegen ist
knackfrisch", sagt Felix Eschrich und hält zwei Pilze aus ein und
derselben Auslage zum Vergleich hoch.
Der Schwamm des alten Pilzes weist eine bräunliche Färbung auf,
beim frischen ist er von einem hellen Beige. Steinpilze seien auch
anfällig für Würmer. "Es ist ein wenig wie beim Hummer. Es ist ein
Qualitätsprodukt, aber man weiß oft von außen nicht genau, wie das
Fleisch innen ist." Dennoch könne man sich viel Ärger ersparen,
wenn man beim Kauf ganz genau hinschaue und darauf achte, wie sich
die Pilze in der Hand anfühlten.
"Pfifferlinge zum Beispiel bekommen dunkle Stellen, je länger
sie liegen, fangen an trocken auszusehen und verlieren die
strahlende goldgelbe Farbe. Austernpilze wellen sich an den Seiten,
ziehen sich zusammen." Und wonach riecht ein frischer Pilz? "Nach
nichts. Da ist es ähnlich wie mit einem frischen Fisch. Ist
irgendein muffiges, erdiges Aroma zu erkennen, ist das eher kein
gutes Zeichen."
Dagegen habe es nichts zu sagen, wenn ein Pilz dreckig sei. "Im
Gegenteil: Das ist ja der beste Beweis dafür, dass es ein
Naturprodukt ist." Allerdings seien die Pilze beim Reinigen
unterschiedlich arbeitsintensiv. "Bei den Trompetenpilzen sollte
man wissen, dass der Schmutz sich oft in ihrem kleinen Röhrchen
versteckt. Allerdings lohnt sich die Arbeit: Lange aufgekocht mit
Schalotten und Salz lässt sich daraus zum Beispiel eine herrliche
Consomé machen." Weil der schwarze Pilz allerdings viel Farbe
abgebe, empfehle es sich, ihn zum Beispiel bei einem Ragout erst
zum Schluss hinzuzugeben.
Eine fusselige Putzarbeit kostet der Hahnenkamm, auch Bärentatze
genannt (Peu de Rata). "Aus ihm kann man einen wunderbaren Fond mit
Sahne und Speck zubereiten." Und der Semmelstoppelpilz, den die
Spanier auch "behaarten Pifferling" nennen (Picornell Pelut). "Er
ist nicht so feinporig, aber etwas würziger als der
Pfifferling."
Reicht das zarte Abschaben der Pilze mit einem kleinen
Küchenmesser ("auch zwischen den Lamellen ist wichtig") oder das
Abreiben mit einem Tuch nicht aus, könne man die Pilze auch ruhig
kurz waschen. "Das ist oft einfacher und schneller." Eschrich
verwendet dazu mit ein paar Esslöffeln Mehl versetztes Wasser oder
Milch. So werde ein Teil des Schmutzes schon automatisch nach unten
gezogen. "Natürlich saugen Pilze schnell Flüssigkeit auf, aber wenn
sie nur kurz abgeduscht werden, passiert überhaupt nichts."
Eine "Allzweckwaffe", die - angebraten - vielen Gerichten Pepp
verleihe, sei der Austernpilz. "Allerdings sollte man immer den
Stil abbrechen, denn der ist etwas zäh." Kräuterseitlinge böten
sich an, wenn der Pilz nicht zerfallen soll, sie haben viel
Struktur und sind, da in der Regel aus der Zucht, auch angenehm im
Preis.
Shitakepilze verfeinern asiatische Gerichte ("aber Achtung, in
der Pfanne verbrennen sie schnell"), und wem der normale Champignon
zu langweilig ist, könne man zum rosafarbenen greifen. "Der ist
intensiver im Geschmack." Noch ein Trick, wie sich das Pilzaroma
besonders kräftig herauskitzeln lässt: "Ein Schluck Brandy dazu.
Vor allem bei den Blutreizkern und den Pfifferlingen ist das eine
herrliche Sache."
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