Eine eigenwillige Duftmischung hängt in
der Luft - halb Fischhalle, halb Schnapsbrennerei. Das hat seine
Bewandtnis: Jeder Besucher, der die Produktionssäle des
Fischzuchtbetriebes Culmárex in Palma betritt, muss sich die Hände
mit Alkohol einsprühen. Pumpstäuber hängen in Gesichtshöhe am
Eingang, damit auch niemand die Anwendung vergisst. Mehr noch, vor
dem Betreten müssen die Besucher durch eine Desinfektionswanne
waten; zuvor gab es für jeden ein Paar Gummistiefel, die nach dem
Bad zusätzlich mit keimfreien Plastikbeuteln überzogen werden.
Die Maßnahmen machen deutlich: Die Sorge vor dem Einschleppen
von Pilzen und Bakterien ist enorm. Ein falscher Eintrag und
Millionen Tiere könnten sterben. Millionen von winzigen
Jungfischen, die, kaum stecknadelgroß, in gigantischen
Wasserbottichen als nebelartige Schwärme zusammenstehen. Ein
aggressiver Krankheitserreger würde nicht nur die Tiere auslöschen,
sondern auch Millionen-Werte in der Bilanz vernichten.
Von außen kaum zu vermuten: In den wenigen Wellblechhallen
hinter dem Gesa-Kraftwerk bei Coll d'en Rebassa steckt ein
innovativer Fischzuchtbetrieb, der es in neun Jahren zum
Marktführer in Spanien gebracht hat: 22 Prozent aller Goldbrassen
("Doradas"), die im Königreich per "Aquakultur", also in speziellen
Produktionsanlagen im Meer, herangezogen werden, schlüpfen auf
Mallorca aus dem Ei. Bei den Wolfsbarschen ("Lubinas") sind es
sogar 37 Prozent, die in Palma das Licht der Welt erblicken.
Und was für ein Licht! Dunkle Folien dämmen den Schein der
Neonröhrem auf höhlenartige Dunkelheit ab. "Die Fischbrut ist sehr
lichtempfindlich", sagte Marine Herlin, die französische
Genetikerin. Denn das natürliche Habitat der Jungfische befindet
sich in der Regel in der Finsternis von 40 Metern Meerestiefe. Doch
dort ist die Überlebenschance der Brut ungleich schlechter: Können
in der Zuchtanlage aus einer Million Eiern 250.000 Fische
durchgebracht werden, beträgt das Verhältnis am Meeresboden den
Biologen zufolge eher eins zu einer Million.
Gefüttert werden die Winzlinge mit eigens kultivieren Algen und
Mikroorganismen, wie sie auch im Meer vorkommen. Wachsen die Fische
heran, erhalten sie Futter aus Fisch- und Pflanzenmehlen.
Das bedeutet, die kommerzielle Aufzucht der Tiere kann den
Fischfang auf hoher See nicht ersetzen. "Nach jüngsten Studien sind
weniger als ein Kilo Fangfisch notwendig, um mehr als ein Kilo
Zuchtfisch zu produzieren", sagt Javier Ojeda, Geschäftsführer des
Unternehmerverbandes der spanischen Fischzuchtbetriebe (Apromar).
Der Vorteil sei jedoch, dass per Aquakultur hochwertige
Speisefische herangezüchtet werden, als Lebensmittel für den
Menschen. Für die Fütterung der Fische lasse sich auch jener
Beifang in den Fischernetzen nutzen, der für den menschlichen
Konsum nicht verwertbar sei. Hinzu komme Material, das in der
Fischindustrie etwa beim Filetieren von Speisefisch anfalle.
Die Umweltbelastung durch den Fischzuchtbetriebe sei gering und
liege unterhalb der zulässigen EU-Grenzwerte, sagt der Direktor der
Anlage in Palma, Alberto Morente. Sein Unternehmen, das zur
norwegischen Konzerngruppe Marine Farms gehöre, lege höchsten Wert
auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Alle Tochterbetriebe
seien mehrfach ISO-zertifiziert.
Sind die Fische nach drei Monaten so lang wie ein Zeigefinger
und bis zu fünf Gramm schwer, werden sie per Tanklastwagen nach
Alcúdia gefahren, wo sie im erwärmten Wasser des Kohlekraftwerks Es
Murterar weiter heranwachsen. Das Meerwasser war zuvor zum Abkühlen
der Turbinen verwendet worden. Dort sind die Tiere nach ein bis
drei Monaten 15 bis 25 Gramm schwer.
Nun werden die Jungfische, die gar nicht mehr so klein aussehen,
per patentiertem Spezialboot zu den Mastanlagen vor die spanische
Mittelmeerküste befördert. Dort leben die Tiere in riesigen
Treibkäfigen, die im Meer verankert sind. Nach weiteren 18 Monaten
sind die Fische reif für die Vermarktung.
Gerade bei den Goldbrassen sei die Zucht heute weit verbreitet.
"Sie gelten als die Hühner des Meeres", sagt Ojeda. Bei den
Wolfsbarschen seien die Meeresbiologen und Techniker stärker
gefordert.
Nichtsdestotrotz hat Culmárex eine Öko-Lubina entwickelt, die
zum Jahreswechsel auf den Markt kommen soll. Die Tiere erhalten
mehr Platz im Käfig, sie fressen ausschließlich ökologisch
erzeugtes Futter und müssen ohne Medikamente gesund bleiben. Ein
Kilo Öko-Wolfsbarsch dürfte 15 Prozent teurer sein als der normale
Zuchtfisch, der sechs bis acht Euro kostet. Für Lubina aus dem
Fischernetz sind hingegen 16 bis 20 Euro pro Kilo zu zahlen.
Für den Verbandssprecher Ojeda schmeckt ein Zuchtfisch
mindestens genauso gut wie ein Fangfisch. "Bei unseren
Blindverkostungen in Brüssel konnten Experten keinen Unterschied
schmecken." Und anders als im Meer sei die Produktionskette
transparent. Doch eines ärgert den Funktionär: Dass Konsumenten
durch irreführende Handelsschilder genarrt werden. "Es ist einfach
so: Jeder zweite Fisch, der in Spanien verzehrt wird, stammt aus
einem Zuchtbetrieb."
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